Siehe, deine Mutter! Gegen die Krise der Verwaisung

15. September 2016 in Aktuelles


Franziskus in Santa Marta: das große Geheimnis der Mutterschaft Mariens. Maria, die Mutter der Menschheit, verteidigt uns und schämt sich nicht für unsere Sünden. Sub tuum præsidium confugimus, Sancta Dei Genetrix. Von Armin Schwibach


Rom (kath.net/as) „Bei dem Kreuz Jesu standen seine Mutter und die Schwester seiner Mutter, Maria, die Frau des Klopas, und Maria von Magdala. Als Jesus seine Mutter sah und bei ihr den Jünger, den er liebte, sagte er zu seiner Mutter: Frau, siehe, dein Sohn! Dann sagte er zu dem Jünger: Siehe, deine Mutter! Und von jener Stunde an nahm sie der Jünger zu sich“ (Joh 19,25-27).

Papst Franziskus führte in seiner Predigt bei der heiligen Messe in der Kapelle des vatikanischen Gästehauses „Domus Sanctae Marthae“ am Donnerstag der 24. Woche im Jahreskreis, Gedächtnis der Schmerzen Mariens, auf den Kalvarienberg, als alle Jünger außer Johannes und einigen Frauen geflohen waren. Zu Füßen des Kreuzes stand Maria, die Gottesmutter: „Alle blickten auf sie und sagten: das ist die Mutter dieses Verbrechers! Das ist die Mutter dieses rebellischen Umstürzlers“:

„Und Maria spürte diese Dinge. Sie erlitt schreckliche Demütigungen. Und sie hörte auch die Großen, einige Priester, die sie respektierte, weil sie Priester waren: ‚Ach du, du bist so tüchtig, steig runter! Steig runter!’. Mit ihrem Sohn, der dort nackt hing. Und Maria trug in sich ein großes Leid, doch sie ist nicht weggegangen. Sie verleugnete den Sohn nicht. Er war ihr Fleisch“.

Der Papst rief seine Zeit als Erzbischof von Buenos Aires in Erinnerung, als er in die Gefängnisse ging, um die Gefangenen zu besuchen. Dort habe er immer eine Reihe von Frauen gesehen, die auf den Einlass gewartet hätten:

„Das waren Mütter. Doch sie schämten sich nicht: ihr Fleisch war da hinter den Mauern. Und diese Frauen litten nicht nur wegen der Scham, dass sie dort waren. – ‚Da schau her, die da! Was wird ihr Sohn wohl angestellt haben?`’ –, sondern sie erlitten auch die hässlichsten Erniedrigungen bei den Leibesvisitationen, denen sie sich unterziehen mussten, bevor sie hineingehen konnten. Doch sie waren Mütter und gingen hin, um ihr Fleisch zu besuchen. So Maria: sie stand dort, beim Sohn, mit diesem großen Leid“.

Jesus habe versprochen, uns nicht als Waisen zurückzulassen, und am Kreuz schenke er uns seine Mutter als unsere Mutter:

„Wir Christen haben eine Mutter, dieselbe Mutter wie Jesus. Wir haben einen Vater, denselben Vater wie Jesus. Wir sind keine Waisen! Und sie gebärt uns in jenem Augenblick unter großen Schmerzen: das ist wirklich ein Martyrium. Mit durchbohrtem Herzen nimmt sie es auf sich, uns alle in jenem Moment des Schmerzes zu gebären. Und von jenem Augenblick an wird sie unsere Mutter, von jenem Augenblick an ist sie unsere Mutteer, jene Mutter, die sich unser annimmt und sich nicht für uns schämt: sie verteidigt uns“.

Die russischen Mystiker der ersten Jahrhunderte, so Franziskus, hätten geraten, in den Momenten geistlicher Turbulenzen unter dem Mantel der Gottesmutter Zuflucht zu suchen: „Da kann kein Teufel hinkommen. Denn sie ist Mutter und als Mutter verteidigt sie uns. Dann hat der Westen diesen Rat aufgenommen und die erste marianische Antifon geschaffen: ‚Sub tuum præsidium’ – ‚Unter deinen Mantel, unter deinen Schutz und Schirm, o Mutter!’. Dort sind wir sicher“.

„In einer Welt“, so der Papst abschließend, „die wir ‚verwaist’ nennen können, in dieser Welt, welche die Krise einer großen Verwaisung erleidet, besteht unsere Hilfe vielleicht darin zu sagen: ‚Siehe, deine Mutter!’. Wir haben eine, die uns verteidigt, die uns lehrt, die uns begleitet. Eine Mutter, die sich nicht für unsere Sünden schämt. Sie schämt sich nicht, weil sie Mutter ist. Der Heilige Geist, dieser Freund, dieser Weggefährte, dieser Beistand und Anwalt, den der Herr uns gesandt hat, lasse uns dieses so große Geheimnis der Mutterschaft Mariens begreifen“.

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