Mein Mann war todkrank – doch unsere Beziehung wurde immer schöner!

27. September 2016 in Kommentar


Maria Schmidt begleitete ihren Ehemann durch fünf Jahre bis zu seinem Tod an einem Gehirntumor. Es war eine harte Zeit. Beim „Marsch für das Leben“ 2016 erklärte sie, warum dies eine der glücklichsten Zeiten ihres Lebens war.


Berlin (kath.net) Maria Elisabeth Schmidt begleitete ihren Mann Stephan während seiner Krankheit – er hatte einen Gehirntumor – von der Diagnose bis zum seinem letzten Atemzug, fünf Jahre lang. In dieser Zeit wurde ihr betriebsbedingt gekündigt. Und eine Woche, bevor sie ihn aus dem Hospiz nach Hause holen konnte – sie saß gerade am Krankenbett - verunglückte ihr Bruder tödlich. Er hinterließ Frau und Kinder. Es war eine harte Zeit. Maria Schmidt sagt dennoch, dass diese fünf Jahre mit zu der glücklichsten Zeit in ihrem Leben gehört, und sie erklärt auch, warum.

Danke, lieber Martin [Lohmann], und schön, dass Sie gekommen sind!

Ja, es klingt sicher paradox: Aber ich kann ehrlichen Herzens sagen, dass diese 5 Jahre mit zu der glücklichsten Zeit meines Lebens gehören. Warum?
Weil ich in dieser Zeit unglaubliche Erfahrungen machen durfte. Die drei wichtigsten will ich nennen:

Die erste Erfahrung:
Mein Mann war sehr krank und es war eine harte Zeit, aber das war nur die eine Seite der Medaille.

Denn wir erlebten, wie unsere Beziehung gerade in dieser Zeit immer tiefer und heiler und damit auch schöner wurde – eben weil wir diesen Weg gemeinsam gegangen sind. Wir hatten uns ja noch! Das allein zählte!

Unsere Beziehung erreichte eine völlig neue Dimension. Nie hätte ich gedacht, dass eine solche Vertrautheit und emotionale Intimität möglich ist, dass es so etwas geben kann.

Ich bin überzeugt: Wäre mein Mann gesund geblieben, hätten wir diese Nähe zueinander wohl nie entwickeln können.

Die zweite Erfahrung:
Mein Mann und ich waren auch in dieser Zeit glücklich. Wir erlebten, dass Glück unabhängig ist von „irgendwelchen“ Umständen und dass wir wirklich glücklich waren.

Glück ist doch nicht nur etwas für Gesunde! Natürlich war mein Mann zuerst frustriert und natürlich hatten wir andere Pläne für unsere Zukunft. Aber wir erlebten, dass unser Glück in unserer Beziehung wurzelte.

Unsere Liebe zueinander war die einzige Konstante, die uns, während um uns herum alles wegbrach, den nötigen Halt gab.

Ich bin überzeugt: Wer vor Krankheit und Leid flieht oder sogar seinen Partner hängen lässt, hat keine Ahnung, um was für schöne Erfahrungen er sich und den Partner selber damit bringt!

Mit-Leid und Mitleiden kommt doch nicht von Ent-leiden! Die Erfahrung, so gebraucht zu werden und das Leid für den Partner lindern zu können, indem ich meine Liebe zeigen und sie leben konnte, war sehr erfüllend!

Die dritte Erfahrung:
Leid, Traurigkeit und Krankheit sind NICHT das Gegenteil von Glück, sie gehören zum Leben dazu!!! Nicht indem ich vor Leid fliehe, sondern indem ich das Leben auch im Leid annehme und durchleide, mitleide – indem ich das tue – gelange ich auf die andere Seite der Medaille, finde ich wahres Glück, kann ich erst ganz glücklich werden!

Ich will das erklären: Wir wurden mit so viel Menschlichkeit beschenkt, hatten viele Freuden und durch meine Kündigung gefühlte 30 Stunden Quality time - so viel Zeit hatten wir noch nie füreinander! Unsere Familien, Freunde und viele Kinder nahmen großen Anteil und standen uns bei.

Sie besuchten uns, mähten den Rasen, erledigten Einkäufe, brachten die Mülltonnen raus, hängten Brötchen an die Türe, tranken am Krankenbett ein Bier mit uns, weinten und lachten mit uns – sie waren da und zeigten meinem Mann: Schön, dass es Dich gibt, Du bist uns wichtig – jeder wie er konnte und auf seine Weise. Das hat mich oft zu Tränen gerührt.

Durch diese Erfahrungen ist mir Folgendes sehr bewusst geworden: So gerne ich gesund bin, in Brot und Lohn stehe und dadurch eine gewisse Unabhängigkeit genieße, so weiß ich aber auch eines: Ich wäre dreimal lieber krank und arbeitslos, aber glücklich verliebt oder hätte zumindest einen guten Freund oder Freundin, als erfolgreich und gesund und mit einem gebrochenen Herzen.

Günstige Umstände, Gesundheit und Erfolg sind ein schönes und völlig zu Recht wünschenswertes Beiwerk, aber sie bilden nicht das Hauptkriterium für Glück.
Ich kenne jedenfalls niemanden, sei es jemand, der gerade einen lieben Menschen verloren hat oder jemand, der seinen ersten Liebeskummer erleidet, den ich trösten könnte mit den Worten: „Hauptsache gesund“! Darum: Ich kann diesen Spruch an Geburtstagen nicht mehr hören, auch wenn er noch so gut gemeint ist. Ich sage: Hauptsache glücklich!!!

Jeder will glücklich werden, aber wir können nur ganz glücklich werden und das volle Leben haben, wenn wir das volle Leben annehmen, wie es kommt (und nicht nur Teile daraus), mit all seinen Unwägbarkeiten. Indem wir sie annehmen, werden wir glücklich, das ist die einzige Richtung, die zum wahren Glück führt, der einzige Weg, der nicht in einer Sackgasse endet!

Niemand von uns kann Leben machen und keiner darf es nehmen oder beenden. Es ist ein Geschenk von Gott und es gehört Gott, und in dem Maß, in dem wir dieses Geschenk annehmen, werden wir selbst ganz glücklich und können wir andere Menschen glücklich machen – und das wünsche ich jedem Menschen! Dankeschön!

Maria Schmidt - Marsch für das Leben 2016



Marsch für das Leben 2016, u.a. mit Erzbischof Koch, Bischof Voderholzer, Löhr (CDL), Lohmann (BVL), Rede einer Downsyndrombetroffen


Foto Maria Schmidt



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