Die Nacht der geistlichen Trostlosigkeit

27. September 2016 in Aktuelles


Franziskus in Santa Marta: Vor Gott klagen und im Gebet beharrlich an seine Tür klopfen. Das Warum der Trostlosigkeit erforschen. In der Finsternis zum Herrn beten. Nähe in Stille zu den Leidenden. Von Armin Schwibach


Rom (kath.net/as) Am heutigen Festtag des heiligen Vinzenz von Paul feierte Papst Franziskus die heilige Messe in der Kapelle des vatikanischen Gästehauses „Domus Sanctae Marthae“ für die Kommunität von Vinzentinerinnen, die ihren Dienst in der „Casa Santa Marta“ verrichten. Der Papst ging in seiner Predigt von der ersten Lesung des Dienstags der 26. Woche im Jahreskreis aus dem Buch Ijob (3,1-3.11-17.20-23) aus.

„Ijob tat seinen Mund auf und verfluchte seinen Tag“: er habe alles verloren, sogar seine Kinder. Er fühle sich verloren: „Ausgelöscht sei der Tag, an dem ich geboren bin, die Nacht, die sprach: Ein Mann ist empfangen. Warum starb ich nicht vom Mutterschoß weg, kam ich aus dem Mutterleib und verschied nicht gleich?“ – dennoch verfluche er den Herrn nicht.

Ijob sei trostlos und zutiefst betrübt und klage vor Gott. Es sei dies der klagende Ausbruch eines „Sohnes vor dem Vater“. Ähnlich geschehe dies auch dem Propheten Jeremia, der vor dem Herrn klage, ihn jedoch nie verfluche:

„Die geistliche Trübseligkeit und Trostlosigkeit, die geistliche Verzweiflung ist etwas, das uns allen geschieht: sie kann stärker oder schwächer sein... Doch dieser finstere Seelenzustand, ohne Hoffnung, misstrauisch, ohne die Lust zu leben, ohne das Ende des Tunnels zu sehen, mit vielen Bekümmernissen im Herzen und auch im Sinn... Die geistliche Trübseligkeit lässt uns spüren, als würde unsere Seele erdrückt werden: sie schafft es nicht, sie schafft es nicht und will auch nicht leben: ‚Besser ist der Tod!’. Das ist die Klage Ijobs. Besser sterben als so leben. Wir müssen es verstehen, wenn unser Geist sich in diesem Zustand der intensiven Traurigkeit befindet, so dass es einem fast den Atem verschlägt: uns allen geschieht dies. Stark oder weniger stark... uns allen. Verstehen, was in unserem Herzen vorgeht“.

Dies sei die Frage, die wir uns stellen könnten: „Was muss man tun, wenn wir diese finsteren Momente erleben, aufgrund einer Familientragödie, aufgrund einer Krankheit, aufgrund von irgendetwas, das mich runterzieht?“. Einige meinten, einfach eine Schlaftablette zu nehmen, sich von den Geschehnissen zu entfernen oder auch zwei, drei Gläschen zu trinken. Dies jedoch, warnte der Papst, helfe nicht. Die heutige Liturgie dagegen lasse uns sehen, wie mit dieser geistlichen Trübsal umzugehen sei, wenn wir lau seien, am Boden, ohne Hoffnung.

Im Antwortpsalm (Ps 88) sei die Antwort zu finden: „Herr, du Gott meines Heils, zu dir schreie ich am Tag und bei Nacht. Lass mein Gebet zu dir dringen, wende dein Ohr meinem Flehen zu!“ (2-3). Man müsse beten, intensiv beten, wie dies Ijob getan habe: Tag und Nacht schreien, damit Gott sein Ohr zuwende:

„Es ist dies ein Gebet, mit dem man an die Tür klopft, aber kräftig! ‚Herr, ich habe das Unglück satt. Mein Leben steht am Rand der Hölle. Ich gehöre zu denen, die in das Grab hinabsteigen, ich bin ein Mensch, dessen Kraft mittlerweile erschöpft ist“. Wie oft fühlen wir uns so, ohne Kräfte... Und das ist das Gebet. Der Herr selbst lehrt uns, wie wir in diesen hässlichen Momenten beten sollen: ‚Herr, du hast mich ins tiefste Grab gebracht. Tief hinab in die finstere Nacht. Schwer lastet dein Grimm auf mir, all deine Wogen stürzen über mir zusammen. Mein Gebet soll zu dir gelangen’. Das ist das Gebet: so müssen wir in den hässlichsten, in den finstersten Momenten der größten Verzweiflung beten, die uns erdrücken, die uns wirklich erdrücken. Das heißt es, echt zu beten. Und auch zu klagen, wie dies Ijob bei seinen Kindern getan hat. Wie ein Kind“.

Das Buch Ijob spreche dann vom Schweigen der Freunde. Angesichts eines Menschen, der leide, „können Worte weh tun“. Was zähle, sei die Nähe, die Nähe spüren zu lassen, „doch keine Reden halten“.

„Wenn jemand leidet“, so der Papst, „wenn sich ein Mensch in dieser geistlichen Trostlosigkeit befindet, darf man so wenig wie möglich reden. Man muss seinem Gebet vor dem Vater mit der Stille helfen, mit der Nähe, mit den Liebkosungen“:

„Erstens: in uns die Momente der geistlichen Trostlosigkeit erkennen, wenn wir in der Finsternis sind, ohne Hoffnung, und uns dann fragen: warum? Zweitens: so zum Herrn beten, wie uns die heutige Liturgie mit dem Psalm 88 zu beten lehrt, im Augenblick der Finsternis. ‚Lass mein Gebet zu dir dringen, Herr.’ Und drittens: wenn ich mich einer Person nähere, die leidet – wegen einer Krankheit oder wegen irgendetwas anderem –, die sich aber gerade in diesem Zustand der Trostlosigkeit befindet: Stille. Doch eine Stille mit viel Liebe, Nähe, Zärtlichkeit. Und keine Reden halten, die am Ende nichts nützen und auch weh tun“.

„Wir wollen zum Herrn beten“, so Franziskus abschließend, „dass er uns diese drei Gnaden schenke: die Gnade, die geistliche Trostlosigkeit zu erkennen, die Gnade des Betens, wenn wir unter dem Druck dieser geistlichen Trostlosigkeit sind, und auch die Gnade, die Menschen begleiten zu können, die diese hässlichen Momente der Traurigkeit und der geistlichen Trübsal erleiden“.

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