Israel auf der Anklagebank

29. September 2016 in Kommentar


Die Fernsehdokumentation „Die Siedler der Westbank“ blickt einseitig auf das Westjordanland. idea-Redakteur Karsten Huhn hat sie gesehen.


Wetzlar (kath.net/idea) Im Westjordanland leben 400.000 israelische Siedler in 220 Siedlungen, inmitten von 2,7 Millionen Palästinensern – und die Probleme fangen schon damit an, wie man das Siedlungsland benennt. Sind das nun befreite oder besetzte Gebiete? Ist es „Land des Herrn“ oder eine neutrale Zone? Die Lage könnte verzwickter kaum sein: Von den Vereinten Nationen wurde das Land 1947 dem – noch zu gründenden – Staat Palästina zugesprochen. 1948 wurde es von Jordanien besetzt und im Sechs-Tage-Krieg 1967 von Israel erobert. Seit 1993 werden Teile des Landes von der Palästinensischen Autonomiebehörde verwaltet. Wer war zuerst da? Wem gehört das Land? Die ARD-Dokumentation „Die Siedler der Westbank“ des israelischen Filmregisseurs Shimon Dotan wagt sich auf hochpolitisches Gebiet, bemüht sich nur scheinbar um Fairness und kommt zu einem extrem kritischen Urteil.

„Jüdische Dschihadisten“

Ausführlich lässt sie etwa den jüdischen Philosophieprofessor Moshe Halbertal zu Wort kommen. Er vergleicht die Siedler mit einer „völkischen Bewegung“, die „das Abwasser europäischen Gedankenguts mitten in das Herz des Judentums spült“. Die Siedler nennt er „jüdische Dschihadisten“, die die Auffassungen des Nationalsozialismus angenommen hätten, weil sie Volk und Land betonten. Eine intellektuelle Stimme, die die Siedler verteidigt, bietet der Film nicht. Stattdessen lässt er Siedler mit denkbar unsympathischem Weltbild zu Wort kommen: „Ich bin Rassist“, sagt ein Siedler. „Ich danke Gott jeden Morgen dafür, dass er mich nicht zu einem Nichtjuden gemacht hat.“ Die Ultrareligiösen unter den Siedlern sehen sich bei der Landnahme im Auftrag Gottes unterwegs. Entsprechend ist ihr Sendungsbewusstsein: Manche Siedler wollen durch ihr Werk „die ganze Welt zum Weltfrieden führen“ und verstehen sich als „Licht der Nichtjuden“. Ein Rabbi prophezeit gar, dass die Besiedlung des Landes die Ankunft des Messias beschleunigen werde. Andere schwärmen von einem Israel „in den Grenzen der Thora“, vom Nil bis zum Irak, und schwelgen in Eroberungsfantasien. Inzwischen dominieren allerdings Siedler, die nicht aus religiösen, sondern aus wirtschaftlichen Gründen kommen: Im Vergleich zu Jerusalem bietet das Westjordanland mehr Platz zum Wohnen für weniger Geld.

Israel als böser Goliath

Der Film zeigt die Israelis als fanatische Täter, die Palästinenser als Opfer. Der palästinensische Junge mit dem Stein in der Hand wird zum David, der israelische Soldat zum Goliath. Geboten werden raffinierte Suggestivfragen („Führt das zur göttlichen Erlösung oder in einen Apartheidstaat?“), eine einseitige Zeugenauswahl und eine klare Parteinahme: Israel auf der Anklagebank. Die Rolle der Palästinenser bleibt weitgehend unbeleuchtet. Das letzte Wort in diesem Film hat Israels Minister für Wirtschaft und Religion, Naftali Bennett: „An den verschiedensten Stellen in Europa versucht man uns weiszumachen, dass das hier nicht unsere Heimat ist … Die Antwort, die wir der Europäischen Kommission geben, ist die nächste Beschneidung, die nächste Geburt und die nächste Besiedlung.“

„Die Siedler der Westbank“ lief am 28. September, 23.45 Uhr in der ARD


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