Kämpfe um Mossul: Neue Flüchtlingswelle im Irak befürchtet

22. Oktober 2016 in Weltkirche


‘Dank Ihrer Solidarität können viele Familien bleiben’ – ‘Kirche in Not’ steht notleidender Bevölkerung bei.


Mossul (kath.net/ KiN)
„Wir erwarten in den nächsten Tagen einen Massenexodus aus Mossul, wenn die Kämpfe weitergehen.“ Das berichtet Archimandrit Emanuel Youkhana gegenüber dem weltweiten päpstlichen Hilfswerk „Kirche in Not“ aus der seit Tagen umkämpften Stadt im Nordirak.

Mossul ist eine der wenigen verbliebenen Hochburgen der Terrormiliz „Islamischer Staat“ (IS) im Irak – über zwei Jahre dauert die Besatzung an. Seit vergangenem Wochenende läuft die Gegenoffensive der irakischen Armee und der kurdischen Peschmerga, aus der Luft unterstützt durch die USA und weitere ausländische Truppen. Erste Erfolge sind bereits zu vermelden: „Wir danken Gott, dass die Stadt Karakosch endlich frei ist!

Es gab kaum Widerstand der IS-Truppen und keine größeren Zerstörungen“, berichtet Youkhana. Karakosch, gut 30 Kilometer von Mossul entfernt, war vor den IS-Eroberungen die größte christliche Stadt im Irak. Zehntausende Einwohner sind seit 2014 geflohen. Deren Zahl wird jetzt aller Voraussicht nach noch weiter steigen; die Vereinten Nationen rechnen aufgrund der anhaltenden Kämpfe mit einer Million zusätzlicher Flüchtlinge.

Einer der wichtigsten Zufluchtsorte ist die Region um Erbil, der Hauptstadt der Autonomen Region Kurdistan. 120 000 Christen halten sich hier auf. Von der Zentralregierung in Bagdad erhalten sie wenig bis gar keine Hilfe. Einzig die Kirche kümmert sich um die traumatisierten Menschen.

Zum Beispiel im „Self in Need Center“. Sein Ansatz: Zuhören, psychologische und seelsorgliche Hilfe anbieten, Raum zum Trauern und zur Aufarbeitung geben. Viele haben die Flucht körperlich weitgehend unbeschadet überstanden, doch in ihrer Seele sieht es anders aus. Sie haben Vieles durchgemacht: Männer, die im Krieg gekämpft haben; Frauen, die durch IS-Milizen missbraucht und geschlagen wurden; Kinder, die ihre nächsten Angehörigen verloren haben. „Ohne ‘Kirche in Not' würde es diese Einrichtung nicht geben“, sagt der chaldäisch-katholische Erzbischof Bashar Warda. Er organisiert die einzelnen Hilfsprojekte in seinem Bistum und ist so etwas wie ein „Manager Gottes“ geworden.

Die Liste seiner Erfolge ist lang: Mittlerweile muss in Erbil kein Flüchtling unter freiem Himmel oder im Zelt schlafen. Warda und seine Mitarbeiter haben feste Containersiedlungen errichtet. Etwa in Ankawa, dem christlichen Stadtteil von Erbil. 150 Familien sind dort in wetterfesten Wohncontainern untergebracht. Es gibt Toiletten, Duschen, Waschräume. Aus Dankbarkeit wird die Siedlung „Pater-Werenfried-Center“ genannt, in Erinnerung an den Gründer von „Kirche in Not“. „Dank Ihrer Solidariät können viele Familien bleiben: Sie brauchen nicht das Land zu verlassen“, sagt Erzbischof Warda.

Dazu tragen auch über acht Schulen für christliche Flüchtlingskinder bei, die „Kirche in Not“ in der Region Erbil errichtet hat. Mehrere tausend Kinder können so in Sicherheit lernen. „Syrien sollte ein warnendes Beispiel sein: Dort können viele Christen seit Jahren ihre Kinder nicht mehr zur Schule schicken“, sagte der geschäftsführende Präsident von „Kirche in Not“, Johannes Freiherr von Heereman bei der Einweihung der ersten Schule im Dezember 2014. Teilweise mussten die Schulen schon vor ihrer endgültigen Fertigstellung eröffnet werden – so groß war der Bildungshunger.

Für den leiblichen Hunger stellt Erzbischof Warda in einem Kraftakt mit vielen Freiwilligen Tag für Tag Lebensmittelpakete für die Flüchtlinge zur Verfügung. Das erfordert einen großen logistischen Aufwand. „Aber wir schaffen dank Ihrer Hilfe immer wieder das Unmögliche: 11 000 Familien satt zu bekommen.“

Aber auch an die geistliche Betreuung der Bevölkerung ist gedacht: In einer Brache soll jetzt eine Kirche für die Flüchtlinge gebaut werden, die der syrisch-katholischen Kirche angehören. Die meisten von ihnen kommen aus Karakosch. „Eine eigene Kirche und ein Gemeindezentrum bedeuten für diese Menschen Hoffnung“, sagt der Nahost-Experte von „Kirche in Not“, Dr. Andrzej Halemba. „Sie können dadurch nicht nur ihre religiösen Traditionen bewahren, sondern auch ihr Miteinander wieder stärken.“ Die Fundamentarbeiten hätten bereits begonnen – nun hoffe man auf weitere großzügige Hilfe, um den Bau voranzubringen. „Das ist eine Dimension der Barmherzigkeit: Den geistlich Heimatlosen eine Zuflucht zu schaffen.“

So hat wohl auch Papst Franziskus gedacht. Er hat mit einer großzügigen Spende ein Projekt von „Kirche in Not“ unterstützt: die St.-Josef-Klinik in Ankawa. Die Klinik behandelt Christen, Muslime, Jesiden, ohne Ausnahme. Ein kleines Team von einheimischen Ärzten und drei Ordensfrauen halten den Betrieb aufrecht. Bis zu 3000 Patienten zählt das Krankenhaus jeden Monat. Täglich erhalten dort rund 150 Menschen mit chronischen Krankheiten wie Diabetes, Bluthochdruck oder Herzkrankheiten kostenlos Medikamente. Aber die sind sehr teuer. „Kirche in Not“ hatte Hilfe zugesagt, um die Sommermonate zu überbrücken. Durch die Spende von Papst Franziskus konnte noch mehr getan werden.

In einer Audienz für Vertreter des Hilfswerks rief Franziskus dazu auf, im Heiligen Jahr „mit ‘Kirche in Not' Werke der Barmherzigkeit zu tun, und zwar Werke von Dauer.“ Das Heilige Jahr geht am 20. November mit dem Christkönigsfest zu Ende – der Anspruch bleibt.

Um weiter den notleidenden christlichen Flüchtlingen helfen zu können, bittet „Kirche in Not“ um Spenden – online unter www.spendenhut.de oder auf folgendes Spendenkonto:

Empfänger: KIRCHE IN NOT
LIGA Bank München
IBAN: DE63 7509 0300 0002 1520 02
BIC: GENODEF1M05
Verwendungszweck: Irak

Foto: Eine Familie im „Pater-Werenfried-Center“ in Ankawa, einem Stadtteil von Erbil. © Kirche in Not


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