Mossul: Kirche rechnet mit Massenexodus und Provinzteilung

22. Oktober 2016 in Aktuelles


Rückkehr der aus der Ninive-Ebene vertriebenen Christen könnte sich noch lange verzögern.


Wien-Rom-Erbil (kath.net/ KAP)
Bei einem Andauern der Kämpfe um die IS-Hochburg Mossul ist schon in den nächsten Tagen ein Massenexodus aus der nordirakischen Millionenstadt zu erwarten: Davor hat der Emanuel Youkhana, ein Priester der Apostolischen Kirche des Ostens, gegenüber dem päpstlichen Hilfswerk "Kirche in Not" gewarnt. Viel internationale Hilfe werde nötig sein, um die Flüchtlinge in der nahen Kurden-Region um die Stadt Erbil zu versorgen.

Für die vertriebenen Christen der Region wäre eine Befreiung Mossuls und der Ninive-Ebene ein "großes Zeichen der Hoffnung", betonte der syrisch-katholische Erzbischof von Mossul, Youhanna Boutros Mouche. Der Einzug von Regierungstruppen und kurdischen Peschmerga in Bartella, Karamles, Hamdaniyeh und anderen Orten sei mit stürmischem Jubel begrüßt worden. Die meisten wollten in ihre Häuser zurückkehren und ihr Eigentum zurückerhalten. "Wir lieben dieses Land und möchten das durch unsere Anwesenheit unter Beweis stellen, aber unsere Sicherheit und die aller anderen Bewohner muss garantiert sein." Ein Zusammenleben in Respekt und Würde sei die wichtige Vorbedingung.

Nach einer Befreiung Mossuls sei die Teilung der Provinz schon absehbar, erklärte Mouches Amtsvorgänger, Erzbischof Georges Casmoussa, im Gespräch mit Radio Vatikan. Jede Seite - die sunnitischen Araber, Kurden, Jeziden und Christen - hätten eigene Interessen, weshalb die Aufteilung der Ninive-Ebene "sehr schmerzlich" sein werde, so Casmoussa. Schon vor der Mossul-Befreiung müsse daher das friedliche Zusammenleben grundgelegt werden, vor allem durch Racheverzicht. "Es ist Tatsache, dass es Sympathisanten und Kollaborateure des IS gab. Es ist nicht einfach, dann so zu tun, als ob nichts geschehen wäre. Aber es muss eine rechtsstaatliche Verfolgung der Täter geben, nicht eine Rachekampagne", betonte der Erzbischof.

Die Befreiung der Stadt Karakosch - in dem auch "Baghdida" genannten Ort lebten bis 2014 fast ausschließlich Christen - durch irakische Regierungstruppen war am Mittwoch in der Kurdenstadt Erbil von hunderten Christen gefeiert worden. "Wir beten, dass wir bald in unsere Heimstätten zurückkehren können", erklärte der chaldäisch-katholische Priester Martin Baani in der Kirche Mar Shimun. Für die geflüchteten Bewohner Karakosh seien die Ereignisse dieser Woche ein Zeichen dafür, "dass Gott über das Böse triumphiert".

Bereits seit 2014 gilt Erbil als Hauptzufluchtsort für die von der Terrormiliz IS Vertriebenen im Nordirak. Kirchliche Organisationen liefern hier Container-Unterkünfte in der Vorstadt Ankawa, Lebensmittelpakete, Schulen für die Kinder sowie auch psychologische und seelsorgliche Hilfe und Möglichkeit der Trauma-Aufarbeitung. Durch eine Spende des Papstes konnte die St-Josef-Klinik für monatlich 3.000 Patienten aller Religionszugehörigkeiten gebaut werden, die Errichtung einer syrisch-katholischen Kirche ist in Planung.

Die Rückkehr der aus der Ninive-Ebene vertriebenen Christen könnte sich noch lange verzögern, gab am Donnerstag der chaldäisch-katholische Priester Paulos Thabat Mekko in der Mailänder Tageszeitung "Corriere della Sera" zu bedenken. Ein Drittel bis die Hälfte der ursprünglich 150.000 Christen der Ebene seien mittlerweile ins Ausland geflohen, während die im Kurdengebiet Verbliebenen zurückwollten, so Mekko, Mitglied einer Kirchenkommission für den Wiederaufbau der christlichen Orte nach der Befreiung.

Problematisch sei jedoch, dass wegen der Emigration viele junge Leute fehlten und die Last des Wiederaufbaus auf den Schultern der älteren Generation liegen werde, erklärte Mekko. Anderen Vertriebenen zufolge hätten die bis vor kurzem in den christlichen Dörfern niedergelassenen tschetschenischen, tunesischen und algerischen Jihadisten viele Häuser zerstört und die teils über 1.000 Jahre alten Kirchen der Ninive-Ebene in Moscheen verwandelt oder niedergebrannt.

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Foto: Peschmerga-Kämpfer vor irakischer Kirche (C) Kirche in Not


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