Menschwerdung im Kopf eines Verkündigers oder im Bauch einer Jungfrau?

28. November 2016 in Spirituelles


Wir feiern im Advent den Abstieg Gottes in die Keimbahn des Menschen und nicht bloß in seine edelsten Gedanken. Eine adventliche Besinnung von Helmut Müller


Vallendar (kath.net) Maria ist liturgisch mittlerweile schon im achten Monat schwanger mit dem Gottessohn. Die junge Kirche konnte keinen hieb- und stichfesten Vaterschaftstest vorlegen, dass es nicht doch Josef war. Sie hat aber von Anfang an bezeugt: Das Kind im Schoße Mariens wurde vom Hl. Geist gezeugt. Das hat die Kirche des Ostens in ihren Ikonen immer schon bestätigt. Joseph wurde nur als Randfigur der Szenerie gemalt und kümmerte sich nicht um Mutter und Kind. Und wenn ich erwähnen darf: Mein Sohn hatte vor Jahren in einem Krippenspiel als Joseph in einer grottenschlechten Schauspielerleistung wohl intuitiv Ähnliches bezeugt: Er hatte sichtlich keine Beziehung zu Maria und dem Kind im Krippenspiel, lag aber dogmatisch richtig. Wie dem auch sei: Ausgedrückt werden muss, dass Gott auf irgendeine Art und Weise "fleischlich" Mensch geworden ist, und zwar mit der Zeugung, nicht im dritten Monat mit Beginn der Hirnaktionsströme und nicht erst bei der Taufe im Jordan. Er muss sich schon in die "Keimbahn", den "Genpool" der Menschheit eingeschleust haben, nicht bloß als "Mem" in den "Mempool" (Richard Dawkins), d. h. in die Köpfe der Menschheit. Inwiefern dies in die Logik Gottes passt, weiß ich nicht, jedenfalls passt es in die menschliche Logik. Wie soll man denn die Frage Wolfgang Borcherts "Wann bist Du je lieb gewesen lieber Gott?" beantworten, wenn dieser Gott immer dieser Welt transzendent geblieben ist und nur seine Gedanken in die Köpfe von mutigen und bockigen Propheten geschickt hat, die dann mit ihrem Leben den Beweis seiner Liebe angetreten hätten? So wie ein Bräutigam nicht immer bloß seinen Brautwerber zu seiner Braut schicken kann, so ist es doch logisch, dass Gott einmal selbst kommen musste, in diese unwirtliche "Welt unter dem Monde" (Aristoteles) um 33 Jahre in unserer schmerzempfindlichen Haut, mit unseren bisweilen schlotternden Knien und bleiernen Knochen dieses Leben zu leben. Das ist weitaus überzeugender, als wäre er bloß als intellektuelles Gespinst in unsere Köpfe gekommen, das zudem noch etwas von einem Märchen aus tausend und einer Nacht an sich hätte.

„Sohn Gottes“ sollte auch nicht bloß Wortzeichen in einem überkommenen frommen Sprachspiel Israels bleiben. Sprachspielen liegt nämlich ein festes Zeichensystem zugrunde, das man mit bestimmten Bedeutungen verknüpft. "Sohn Gottes" verknüpft der eine oder andere höchstens mit einer ausgezeichneten Verwirklichung der Liebe Gottes zu den Menschen, eine Art „Selbstermächtigung des Menschen“, wie ein Verantwortlicher in der Schulpastoral einer süddeutschen Diözese meinte. Nichts anderes hätte ja „jemand vor 2000 Jahren auch getan“. Wenn „Sohn Gottes“ in unseren Sprachspielen nicht mehr bedeutet, dann drängt sich mir folgender Vergleich auf: Statt seine Schüler Skatspielen zu lernen, begnügt sich ein Skatlehrer ihnen Siebzehn und Vier beizubringen, das man mit den gleichen Karten, bzw. Zeichensystem spielen kann. Der Herz Bube in Siebzehn und Vier lässt sich natürlich viel einfacher "handhaben" wie derselbe in dem variantenreicheren Skat. Hoffentlich spielt "Sohn Gottes" in der Schulpastoral dieser süddeutschen Diözese eine anspruchsvollere Rolle als in der Wortmeldung des eben genannten Verantwortlichen.

Das Evangelium ist eben keine bloß politisch korrekte Botschaft im Mainstream einer Gesellschaft, sondern die Jünger haben nicht ohne Grund gesagt: "Deine Rede ist hart, wer kann sie hören" (Joh. 6, 60). Aus diesem Grund sollte die Verkündigung der Botschaft Jesu bei aller Liebe und Verständnis für die Ängste der Menschen unserer und aller Zeiten, auch den anderen Jesus verkündigen, der im Tempel mit der Peitsche dreinschlägt und nicht nur mit den Frommen im Lande hart umgeht, sondern auch trotz der liebevollen Aufnahme Zöllnern und Sündern fordernd ins Gewissen redet: "Geht hin und sündigt nicht mehr". Ich will einmal provozieren: Er lehrt nämlich das gerechte Leben des Pharisäers und tadelt die Sünde des Sünders. Und nun die Auflösung der Provokation: Er tadelt natürlich auch die Selbstgerechtigkeit des Pharisäers und lobt die Bußfertigkeit des Sünders.

kath.net-Lesetipp:
Unterirdische Ansichten eines Oberteufels über die Kirche in der Welt von heute
Von Helmut Müller
80 Seiten
2015 Dominus Verlag
ISBN 978-3-940879-38-7
Preis 5.10 EUR

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