Aslan: Muslime müssen Kopftuch-Debatte offen führen

24. Jänner 2017 in Österreich


Islamischer Religionspädagoge übt scharfe Kritik an Linie der Islamischen Glaubensgemeinschaft: Imame sprechen kaum deutsch, Jugendliche Muslime neigen zur Abwertung westlicher Werte


Wien (kath.net/KAP) In der weiterhin schwelenden "Kopftuch-Debatte" hat der islamische Religionspädagoge Ednan Aslan die Muslime aufgefordert, sich selber aktiver in den Diskurs einzumischen. "Wenn Muslimas in der Öffentlichkeit mit dem Kopftuch unterwegs sind, sollten sie auch in der Lage sein, sich dieser Debatte zu stellen - ohne einfach beleidigt zu sein, oder sich in der Opferrolle zu fühlen", sagte Aslan im Interview mit der Tageszeitung "Kurier" (Dienstag-Ausgabe). Es sei bedauerlich, dass eine "lebendige Debatte auch intern", d.h. in der Islamischen Glaubensgemeinschaft (IGGiÖ), offenbar nicht möglich sei, so Aslan. Schließlich habe jeder in der Gesellschaft "das Recht über den Islam etwas zu sagen" und etwa auch muslimische Frauen zu Fragen, warum sie ein Kopftuch tragen.

Tatsächlich würden laut Aslan in Österreich nur 20 Prozent der muslimischen Frauen das Kopftuch tragen - in der Öffentlichkeit sei jedoch ein ganz anderes Bild entstanden. An diesem sei die Islamische Glaubensgemeinschaft durch die Dialogverweigerung letztlich ein stückweit mit Schuld, auch weil man etwa in den offiziellen Schulbüchern das Bild der islamischen Frau mit Kopftuch hoch halte, obwohl dies nicht der mehrheitlichen Lebensweise der Musliminnen in Österreich entspreche.

Die Notwendigkeit, das "Gesicht des Islam" neu zu prägen, bestehe laut Aslan, der gegenwärtig den Lehrplan für das neue Studium "Islamische Theologie" an der Universität Wien konzipiert, aus mehrfacher Hinsicht: Zum einen sei der offizielle islamische Religionsunterricht nicht zeitgemäß: "Was hat ein Jugendlicher in Wien davon, wenn er lernt, wie viele Kamele, Schafe, Ziegen er für die Almosensteuer abgeben muss? Oder ob der Prophet Heuschrecken gegessen hat oder nicht? Das steht in einem Schulbuch im 21. Jahrhundert in Wien. Das ist gegenwartsfremd." Auch die Lehrerauswahl sei noch zu stark ideologisch bestimmt.

Zum anderen gebe es bei der Sprachkompetenz der Imame ein offenkundiges Sprachdefizit: So würden über 90 Prozent kein Deutsch beherrschen - daraus spreche wiederum eine fragwürdige Grundeinstellung der Imame zur österreichischen Gesellschaft: "Wenn die Imame ihre eigene Religiosität durch die Abwertung dieser Gesellschaft definieren, können uns diese Imame nicht helfen."

Das vor zwei Jahren in Kraft getretene neue Islamgesetz hatte Aslan nicht zuletzt deswegen unterstützt, weil es die Einrichtung eines eigenen Studienganges "Islamische Theologie" vorsieht. Seit kurzem ist neben Aslans Lehrstuhl für Religionspädagogik auch die neue Professur für Klassische und moderne Koranexegese besetzt: Sie wird der 44-jährige Theologe Ahmed Takim besetzen, der aus der Türkei stammt, jedoch in den vergangenen 25 Jahren in Deutschland lebte und dort u.a. am Islam-Institut der Goethe-Universität Frankfurt lehrte.

Der neue Studiengang ist für Aslan ein wesentlicher Aspekt einer Neuprägung des Islam in Österreich: So seien die gegenwärtigen Probleme schließlich hausgemacht, da die Islamische Glaubensgemeinschaft eine Theologie und Religiosität favorisiere, "die sich durch Abwertung anderer definiert", konkret: durch die Abwertung westlicher Werte. "Aber genau deswegen ist die islamische Theologie, wie sie ist, aus meiner Sicht nicht zukunftsfähig."

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