So dass in seinem Schatten die Vögel des Himmels nisten können

27. Jänner 2017 in Spirituelles


Gedanken des Hl. Ambrosius (um 340-397), Bischof von Mailand und Kirchenlehrer


Rom (kath.net)
Der Herr selbst ist ein Senfkorn [...] Wenn Christus ein Senfkorn ist, auf welche Weise ist er denn der Kleinste, und auf welche Weise wächst er? Dass er wieder groß wird, gilt nicht für seine Natur, sondern betrifft seine äußere Erscheinung. Ihr wollt wissen, auf welche Weise er der Geringste ist? „Er hatte keine schöne und edle Gestalt, so dass wir ihn anschauen mochten“ (Jes 53,2). Lasst euch sagen, dass er der Größte ist: „Du bist der Schönste von allen Menschen“ (Ps 44(45),3).

Tatsächlich wurde er, der weder Glanz noch Schönheit hatte, viel höher erhoben als die Engel (Hebr 1,4), hat an Ehre die Propheten Israels übertroffen [...] Er ist das geringste aller Samenkörner, denn er hatte weder königliche Macht, noch Reichtum, noch die Weisheit dieser Welt. Und plötzlich hat er wie ein Baum den hohen Wipfel seiner Macht entfaltet, in einem Maß, dass wir sagen: „In seinem Schatten begehre ich zu sitzen“ (Hld 2,3).

Oft schien es mir, als wäre er sowohl Baum als auch Saatkorn. Saatkorn ist er, wenn man von ihm sagt: „Ist das nicht der Sohn des Zimmermanns?“ (Mt 13,55). Aber während wir noch diese Worte hören, ist er plötzlich groß geworden [...]: „Woher hat er diese Weisheit [...]?“ (V. 54). Seiner Erscheinung nach ist er also Samenkorn, seiner Weisheit nach Baum. Im Blattwerk seiner Zweige können in Sicherheit wohnen der Nachtvogel in seiner Behausung, der einsame Sperling auf dem Dach (Ps 101(102),7), der, der in das Paradies entrückt wurde (2 Kor 12,4), und der, der auf den Wolken in die Luft entrückt worden ist (vgl. 1 Thess 4,17). Dort wohnen auch die Mächte und Engel des Himmels und alle, deren geistiges Handeln ihnen erlaubt, ihren Flug anzutreten. Der hl. Johannes hat dort geruht, als er sich zurücklehnte an die Brust Jesu (Joh 13,25) [...]

Wir, „die wir in der Ferne waren“ (vgl. Eph 2,13), die wir durch die Stürme des bösen Geistes lange in der Nichtigkeit der Welt hin und her getrieben wurden, haben uns gesammelt aus allen Nationen. Wir breiten die Schwingen der Tugend aus und lenken unseren Flug so, dass der Schatten der Heiligen uns vor der sengenden Hitze dieser Welt schützt. Schon leben wir wieder auf im Frieden und der Sicherheit dieses kurzen Verweilens, und unsere von der Last der Sünden einst so gebeugte Seele „ist wie ein Vogel dem Netz des Jägers entkommen“ (Ps 123(124),7) und in die Berge des Herrn entflohen (vgl. Ps 10(11),1).


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