Gedanken zum Sterben eines lieben Menschen

8. Februar 2017 in Spirituelles


Unser Pfadfinderbund musste in diesem Jahr von zwei Pfadfindern Abschied nehmen: bei Simon (23) ganz überraschend durch einen Verkehrsunfall, von Valentina (13) nach kurzer, schwerer Krankheit – 'Ja, es ist schwer. Doch Gott hat es zugelassen.'


Wangen i.A. (kath.net/Pfadfinder Mariens) Ja, es ist schwer.
Doch Gott hat es zugelassen.

".. die entscheidende Frage ist: gilt unser Wille oder der Wille Gottes. Was ist wichtig in meinem Leben: Ist es Gott - nur Gott? Warum kann der Kelch nicht an uns vorübergehen? Aber nicht unser Wille, Dein Wille geschehe - Ach, so haben wir gebetet...

Aber warum, warum? – Wir müssen es nicht wissen. Es reicht, dass wir Ihm vertrauen, dass Er alles recht macht und zum Guten wendet."

Beeindruckend, dachte ich, als ich kürzlich diese Zeilen von Tilmann Rüsch in einem Bericht über das Requiem seiner Frau Stephanie Rüsch, geborene von Siemens, las: Mutter von sechs Kindern, einige davon Pfadfinder in unserem Bund.

Heute (K)EIN Thema

Mir scheint, wir leben aktuell in einer Gesellschaft, in der die Frage nach dem Tod und seinem Sinn für unser Leben nicht mehr gestellt wird. Wird nicht vielmehr alles, was mit Sterben und dem Ende unseres irdischen Lebens zusammenhängt eher ignoriert, übergangen und vielleicht noch hübsch in belanglose oder euphemistische Worte verpackt? Der Tod passt so gar nicht zur Oberflächlichkeit unserer Spaßgesellschaft und das Sterben gehört nicht mehr zum Leben. Am besten, man spricht einfach nicht davon. Aus dem Munde, aus dem Sinn?

Welch tiefen Kontrast stellen da die eben zitierten Zeilen dar. Im Blick auf den Tod stellt sich unweigerlich die Frage nach Gott und seiner Bedeutung für das eigene Leben. Im Glauben gewinnt das Sterben eine wertvolle Dimension: Wenn wir erkennen, dass die Hauptaufgabe unseres Lebens darin besteht, Gott immer näher zu zu kommen, dann ist das Sterben dazu der letzte Schritt.

Reden wir also davon, denken wir darüber nach und leben wir daraufhin!

Unser Pfadfinderbund musste in diesem Jahr von zwei Pfadfindern Abschied nehmen: bei Simon (23) ganz überraschend durch einen Verkehrsunfall, von Valentina (13) nach kurzer, schwerer Krankheit. Ist es ungewöhnlich, wenn wir nun darüber schreiben? Sicher ist es nicht alltäglich in einer Zeitschrift für einen Pfadfinderbund über den Tod von zwei jungen Menschen zu berichten. Doch gerade weil es nicht mehr üblich ist und doch so wichtig, nun die folgenden Zeilen:

Valentina

Sie lernte vor einienhalb Jahren die Gilde Seehund im Allgäu kennen. Von Anfang an bereicherte Valentina die Gruppe durch ihre fröhliche und offene Art. Ganz besonders lebte sie das achte Pfadfindergesetz "Die Pfadfinderin lacht und singt in Schwierigkeiten". Nach einem halben Jahr in der Gilde erkrankte Valentina an Krebs. Das hielt sie jedoch nicht davon ab, ganz als Pfadfinderin leben zu wollen. Am 6. März war es daher ein bewegender Augenblick für ihre Gruppe beim Versprechen von Valentina dabei sein zu können. Kurz danach erfuhren wir von ihrem Vater, dass Valentina jetzt nur noch wenige Tage zu leben habe, bevor sie ihren Weg zum lieben Gott antreten dürfe. Ihr Abschied aus diesem Leben war schwer und schön zugleich. Valentinas Familie wünschte sich eine Beerdigung im engen Familienkreis und in Begleitung der Pfadfinder, ihrer zweiten Heimat: "Es gibt nur wenige, denen wir so nahe stehen wie Euch [den Pfadfindern], trotz der kurzen Zeit, die wir uns kennen. Aber es ist nicht die Menge an Zeit, die es ausmacht, sondern die Tiefe der Verständigung im Glauben. Das ist es auch, was Valentina wesentlich die letzten 12 Monate ihres Leidenswegs getragen hat, und warum sie immer so fröhlich bei Euch sein konnte.”

Der Tag der Beerdigung war dann ein Tag der Tränen und zugleich ein Tag der Freude. Die Pfadfindergruppe sang für Valentina ihren Lieblingspsalm, den sie als Wahlspruch zum Versprechen ausgesucht hatte: Ps 91 - Denn er hat seinen Engeln befohlen über dir, dass sie dich behüten auf allen deinen Wegen, dass sie dich auf Händen tragen und dein Fuß nicht an einen Stein stößt.

Der Abschied am Grab wurde zu einem Zeichen der Hoffnung und zu einem großen Zeugnis für unseren katholischen Glauben an die Auferstehung. Unser Glaube findet - wenn er echt ist - immer seinen Niederschlag im konkreten Lebensvollzug. Und gerade darin beeindruckte uns Valentinas Familie sehr. Ihre Haltung ist sicherlich eine Entscheidung, zu der man sich immer wieder durchringen muss und es gibt gewiss Zeiten, in denen das Herz auf die quälende Frage nach dem Warum eines zu frühen Todes eines lieben Menschen zuerst einmal betroffen, betrübt und auch verzweifelt reagiert.

Und doch spürte man deutlich, welche Hoffnung und Zuversicht der feste Glaube Valentinas Familie schenkte und wie so der Blick in die Zukunft geöffnet wurde. Ermutigt und innerlich bewegt fuhr ich nach Hause und war mir sicher, dass es für unseren Bund und besonders für die Gruppe im Allgäu ein großes Geschenk war, Valentina und ihre Familie kennengelernt und ein Stück weit begleitet zu haben.

Valentinas Familie - Vertrauen in die Wege Gottes

Besonders dankbar sind wir Valentinas Eltern, die es uns Pfadfindern ermöglicht haben, an ihrer starken, vom Glauben getragenen Haltung im Abschied von ihrer Tochter teilhaben zu dürfen. Ihre Mutter schrieb: "Wozu sind wir auf Erden? Um Gott zu loben. Ja, selbstverständlich. Die Aussage des Katechismus gilt. Aber sie heißt auch: Um der Freiheit des Menschen willen. Das Jenseits, das Wohnen in seinem Licht, in seiner Nähe, ist das Ziel eines jeden Menschen, aber das Dasein auf Erden ist nicht nur ein Jammertal, ein lästiger Übergang, sondern unbedingt notwendig, damit der Mensch sich frei entscheiden kann, ob er im Lichte Gottes wohnen möchte oder eben nicht.
Eine Abkürzung ohne das Ringen um Erkenntnis während des irdischen Daseins wäre weder des Menschen noch Gottes würdig, entspräche nicht der von Gott gewollten Freiheit des Menschen. Während seiner Lebenszeit auf Erden muss und soll der Mensch seinen Weg zu Gott mit oder ohne Umwege suchen und finden. (...) Was der frühe Tod von Valentina für uns bedeutet, wird sich uns erst irgendwann im Rückblick erschließen - vielleicht auch nicht. Aber dass ihr Leben und auch ihr Tod einen Sinn für sie selbst und für uns haben, ist völlig klar, da sie in Gottes Hand aufgehoben sind. Wir können nur um die Gnade der Erkenntnis bzw. das Vertrauen auf Gottes Wegen beten."

... was für ein Glück ist es, katholisch zu sein

Valentinas Papa zeigte uns dabei den großen Schatz unserer Kirche auf: "Die katholische Kirche stellt uns für jeden Augenblick des Lebens eine große Weisheit und Hilfe zur Verfügung. Unser Glauben sagt klar: "Es steht dem Menschen nicht zu, in die Zukunft zu schauen (und das ist auch gut so). Es gebührt dem Menschen aber, in die Vergangenheit zu schauen und dabei die Perlen der Heilsgeschichte einzusammeln, wenn er es denn möchte. So schauen meine Frau und ich dankbar und voll Freude auf die kostbaren 13 Jahre mit Valentina zurück." Und dann schreibt Valentinas Papa über die christliche Hoffnung: "Die Hoffnung ist eine göttliche Tugend. Sie ist ergebnisoffen und lässt somit Raum für das Handeln Gottes."

Und doch hoffen wir Menschen oft bis zum Ende auf ein Wunder und beten um Heilung. Es ist auch richtig, dass wir so denken, glauben, hoffen. Der Hl. Ignatius von Loyola hat die „Indifferenz des Glaubens“ folgendermaßen beschrieben: die Dunkelheit genauso annehmen wie das Licht, das Leid genauso wie die Freude, die Krankheit genauso wie die Gesundheit.

Vielleicht war das eigentliche Wunder, dass ein 12-jähriges Mädchen schon derart im Glauben der katholischen Kirche verankert sein kann, dass sie ein außerordentlich schweres Schicksal ganz im Vertrauen auf Gott annehmen und daher zuversichtlich und immer wieder fröhlich ihre Tage angehen konnte.

So sind wir wieder am Beginn dieses Artikels angekommen: Gott hat es zugelassen und so ist es gut. Am Grab von Valentina war diese Selbstverständlichkeit des Glaubens zu spüren. Einer nach dem anderen: jede Pfadfinderin, jeder Pfadfinder grüßte Valentina ein letztes Mal mit dem Pfadfindergruß und trat dann für den Nächsten zur Seite. Mit Gitarrenbegleitung sang die Gruppe viele von Valentinas Lieblingsliedern bis sich dann einer nach dem anderen langsam auf den Weg machte... Valentina, Deine Art zu leben war uns Pfadfindern ein Vorbild. Und die Art Deiner Familie Dich zu begleiten war uns ein starkes Zeugnis. Vergelt´s Gott vielmals und lege doch bitte beim lieben Gott immer mal wieder Fürsprache ein, für uns, Deine Pfadfindergeschwister.

Herzlich Gut Pfad,
Judith Christoph

Dieser Artikel erschien in der Zeitschrift „Pfadfinder Mariens“, Nr. 137/2016, eine Zeitschrift für Freunde und Förderer der Katholischen Pfadfinder Europas. Der Nachdruck erfolgt mit freundlicher Genehmigung des Herausgebers.

Informationen zur Stiftung stiftungvalentina.de


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