Zölibat - Frei für den ungeteilten Dienst

14. März 2017 in Weltkirche


Die Priester und die Lebensform der Ehelosigkeit um des Himmelreiches willen - Hirtenwort des Bischofs von Regensburg, Rudolf Voderholzer, zur Österlichen Bußzeit 2017


Regensburg (kath.net/Bistum Regensburg) kath.net dokumentiert das Hirtenwort des Bischofs von Regensburg, Rudolf Voderholzer, zur Österlichen Bußzeit 2017 in voller Länge:

Liebe Schwestern und Brüder im Herrn!

1. Bei kaum einem anderen Thema erlebe ich heftigere Debatten, als wenn es um die Ehelosigkeit der Priester geht, um den so genannten Zölibat. „Lasst doch die Pfarrer endlich heiraten, dann haben wir auf einen Schlag wieder genügend Priester, und keiner muss an Einsamkeit zugrunde gehen“, so oder ähnlich raten es mir immer wieder nicht nur der Kirche fernstehende, sondern auch mit der Kirche eng verbundene Mitchristen. Ich lade Sie ein, mit mir zu Beginn dieser Fastenzeit über die damit verbundenen Fragen nachzudenken, denn wir brauchen Klarheit in dieser die ganze Kirche betreffenden Frage.

Die Lebensform Jesu und der Apostel

2. Der tiefste Grund für die Ehelosigkeit der Priester ist das Beispiel Jesu, des Herrn. Jesus hat ehelos gelebt und auf die Gründung einer Familie sowie auf Frau und eigene Kinder verzichtet. Nicht erst heute ist diese Lebensform anstößig. Im zeitgenössischen Judentum hat man den Eheverzicht als Verstoß gegen Gottes Gebot interpretiert, durch Zeugung von Nachkommenschaft das Gottesvolk zu vermehren und Zukunft zu eröffnen. Als man ihn deshalb zur Rede stellt, antwortet Jesus: „Manche sind von Geburt an zur Ehe unfähig, manche sind von den Menschen dazu gemacht, und manche haben sich selbst dazu gemacht – um des Himmelreiches willen“ (Mt 19,12).

Zeugnis der ganzen Existenz

3. Die Ehelosigkeit Jesu ist also ein Leib und Seele umfassendes Zeugnis des ganzen Menschen. Sie bringt zum Ausdruck: Was muss es Großes sein um das Gottesreich, dass jemand dafür auf etwas so Wichtiges und Schönes wie die eheliche Liebe und eigene Kinder zu verzichten bereit ist! Alle Evangelisten überliefern uns Jesu radikale Nachfolgeerwartung an die Jünger im engeren Sinn. Wenn sie „alles verlassen“ sollen und alles verlassen haben (vgl. Mk 10,28; Mt 19,27; Lk 18,28), dann schließt das die eigene Familie mit ein. Auch der Apostel Paulus hat ehelos gelebt und diese Lebensform allen empfohlen, die ungeteilt Christus nachfolgen wollen (1 Kor 7,7).

Keine Abwertung der Ehe

4. Die Ehelosigkeit um des Himmelreiches willen wertet die Ehe nicht ab, im Gegenteil. Kein Mann ist für den Priesterberuf geeignet, der die Ehe verachtet oder geringschätzt. Gerade weil die Ehe ein so hohes Gut ist, kann der Verzicht darauf ein Zeichen sein, das immer Aufmerksamkeit erregt und aufhorchen lässt. Wertschätzung der Ehe als lebenslanger Verbindung von Mann und Frau einerseits und Wertschätzung der Ehelosigkeit um des Himmelreiches willen andererseits bedingen sich sogar gegenseitig. Das zeigt die gegenwärtige gesellschaftliche Diskussion, in der die katholische Kirche weithin allein steht mit ihrer Verteidigung der Ehe.

5. Dabei sollten wir realistisch anerkennen: Beide Lebensformen haben ihre Größe, aber auch ihre Herausforderungen. In beiden braucht es Verzicht, Gehorsam und – wenn auch in unterschiedlicher Weise – Keuschheit. Beide Lebensformen sind als Weisen der Nachfolge Christi nur im Glauben und im Gebet in Bereitschaft zu Hingabe und Treue zu leben. Beide brauchen die immer wieder neue Vertiefung der Beziehung zu Christus. „Die Jungfräulichkeit und die Ehe sind verschiedene Formen, zu lieben, und müssen es sein, denn ‚der Mensch kann nicht ohne Liebe leben. Er bleibt für sich selbst ein unbegreifliches Wesen; sein Leben ist ohne Sinn, wenn ihm nicht die Liebe geoffenbart wird‘ (Johannes Paul II.)“, sagt Papst Franziskus mit einem Zitat seines Vorgängers, des heiligen Johannes Paul II. in Amoris laetitia Nr. 161.

„Für den priesterlichen Dienst angemessen“

6. Die Kirche hat die Lebensform Jesu und der Apostel immer hochgeschätzt auch als Lebensform der Bischöfe und Priester und dann vor allem im geweihten Leben der Ordensfrauen und Ordensmänner. Endgültig seit dem frühen Mittelalter gibt es die Verknüpfung von Priesteramt und Ehelosigkeit auch als feste Regel in der katholischen Kirche.

7. Der Reformator Martin Luther hatte als Mönch die Gelübde der Armut, des Gehorsams und auch der Ehelosigkeit abgelegt. Ihm waren freilich diese so genannten evangelischen Räte – einer bestimmten zeitbedingten Auffassung entsprechend – vor allem als Wege der persönlichen Heiligung und Selbst-Rechtfertigung erschienen. Deshalb verwarf er sie später als unvereinbar mit dem Glauben an die Rechtfertigung allein aus Gnade und Glauben. Es gehört zu den erfreulichen Entwicklungen der jüngsten Geschichte, dass auch im evangelischen Bereich der biblische Grund der Ehelosigkeit um des Himmelreiches willen wieder erkannt wird als ein Zeugnis in der Kirche für die Welt. Man denke etwa an die ökumenische Mönchsgemeinschaft von Taizé!

8. Das Zweite Vatikanische Konzil sagt, der Zölibat sei in vielfacher Hinsicht dem Priestertum angemessen: Die Priester werden auf diese Weise Christus, dem sie in der Liturgie, Verkündigung und im Hirtendienst ihr Dasein leihen, gleichgestaltet; sie können sich in ihrem Dienst frei und in ungeteilter Hingabe den ihnen anvertrauten Aufgaben widmen; und sie geben ein lebendiges Zeichen der Hoffnung auf die zukünftige Welt, in der nicht mehr geheiratet wird und Gott selbst die Sehnsucht aller Herzen überreich stillen wird (vgl. Priesterdekret 16).

9. Über die Jahrhunderte hinweg war der Zölibat Quelle großer geistlicher Fruchtbarkeit und Überzeugungskraft. Das Wirken der heiligen Mutter Theresa für die Ärmsten der Armen in Kalkutta entsprang dieser Quelle ebenso wie das Wirken des seligen Paul Josef Nardini und seiner Mallersdorfer Schwestern und die unermüdliche Evangeliums-Verkündigung des heiligen Franz Xaver bis an die Grenzen der Erde.
Nicht unnatürlich, sondern übernatürlich

10. Gelegentlich wird vorgebracht, die „Sexualität“ sei ein Grundbedürfnis des Menschen, dessen Erfüllung man niemandem verwehren könne. Gewiss darf man die geschlechtliche Dimension in ihrer Bedeutung für den Menschen nicht gering achten. Immerhin hat der Schöpfer den Fortbestand der Menschheit mit der gegenseitigen Anziehung der Geschlechter und der gegenseitigen Hingabe von Mann und Frau verknüpft. Tatsächlich ist der freie und bewusste Verzicht auf die eheliche Liebe und auf die Gründung der eigenen Familie keineswegs etwas „Natürliches“, sie kann nur „übernatürlich“ – in Nachahmung des Beispiels Jesu – begründet und als „übernatürliche“ Gnadengabe angenommen werden. Gerade deshalb muss sie immer wieder von der Kirche wie auch vom Einzelnen im Gebet errungen werden. Sie ist deswegen aber nicht „unnatürlich“. Was wäre sonst mit Menschen, die aus welchen Gründen auch immer - weil sie keinen Partner bzw. keine Partnerin gefunden haben, verwitwet sind, krankheits- oder behinderungsbedingt oder aus anderen Gründen - auf die Erfüllung ihrer Sexualität verzichten müssen? Besteht nicht umgekehrt eine wichtige Dimension des freiwillig angenommenen ehelosen Lebens darin, ein Zeichen der Solidarität zu sein für alle unfreiwillig Ehelosen? Auch außerhalb der Kirche gibt es das Wissen um die Zeichenhaftigkeit der Ehelosigkeit. Niemand bezweifelt, dass etwa der Dalai Lama ein sinnerfülltes Leben führt!

Miteinander um gute Wege ringen

11. Ich halte nichts davon, über mögliche Änderungen dieser kirchlichen Praxis zu spekulieren. Das führt nur zur Verunsicherung bei möglichen Kandidaten und später zur Frustrationen, wenn sich die Prognosen nicht erfüllen. Wir sollten vielmehr kreativ und phantasievoll Ausschau halten nach Möglichkeiten, die Ehelosigkeit um des Himmelreiches willen auch in den Rahmenbedingungen unserer Zeit gut zu leben.

12. Die Blickrichtung ist dabei eine zweifache: Die Priester bitte ich händeringend um die Förderung und Pflege des mitbrüderlichen Austausches: Teilnahme an Exerzitienkursen, gemeinsam geistlich gestaltete Tage, gemeinsame Freizeit- und Urlaubsgestaltung bis hin zum monatlichen Stammtisch der Ruhestandspriester. Wo es möglich ist, werden wir Formen der „Vita communis“, also des gemeinsamen Lebens von Priestern, fördern. Aber auch unabhängig davon gilt: In unserem Kommunikationszeitalter mit Mobil-Telefon, Whats-App, Email usw. sollte kein Priester in die Not geraten, keinen Mitbruder zu erreichen, mit dem er sich austauschen und beraten könnte.

13. Die Ehelosigkeit ist darüber hinaus nicht isoliert von den beiden anderen evangelischen Räten zu leben. Wir sind erst am Anfang bei unserer Suche, wie der Zölibat der Weltpriester noch besser mit den anderen evangelischen Räten von Armut und Gehorsam zusammen gelebt werden könnte. Die Überzeugungskraft und geistliche Fruchtbarkeit von ehrlich und radikal gelebter Nachfolge etwa eines heiligen Franziskus oder in unseren Tagen beispielsweise in Taizé berechtigt zu großen Hoffnungen. Die Kirche und gerade auch die Priester in ihr sollten daraus den Mut schöpfen, der Versuchung nicht nachzugeben, noch weiter zu gehen auf dem Weg der Verbürgerlichung, sondern um ein Leben in größerer Nähe zur evangelischen Radikalität zu ringen.

14. Die Frauen und Männer in den Pfarreien bitte ich, das Leben ihrer Priester mit Wohlwollen und Wertschätzung, aber auch mit Respekt vor ihrer Lebensentscheidung zu begleiten. Gelegentlich wird es notwendig sein, diese Lebensform auch durch Hinweis auf die biblische Begründung und die geistliche Bedeutung zu erklären und sowohl nach innen als nach außen verständlich zu machen. So kann auch einem Klima des Argwohns und der süffisanten Verdächtigung positiv entgegengewirkt werden. Jeder Priester, der den Ruf Christi in die besondere Nachfolge mit seiner Lebensentscheidung beantwortet hat und durch sein Wirken Christus vergegenwärtigen darf, ist ein Geschenk an die Kirche für die Menschen.

Zeugen von Tod und Auferstehung bis an die Grenzen der Erde

15. Bei der Verklärung Christi, die uns das Evangelium am heutigen Zweiten Fastensonntag wieder verkündet, schenkt der himmlische Vater Jesus auf dem Weg zum Kreuz in Jerusalem einen Moment vollkommener Klarheit und den Ausblick auf die Herrlichkeit der Auferstehung. Drei ausgewählte Jünger lässt der Herr teilhaben an dieser Erfahrung. Petrus will den Augenblick festhalten, indem er vorschlägt, Hütten zu bauen. Aber es ist nicht der Sinn der Verklärung, sich in ihrem Glanz hier auf der Erde behaglich einzurichten. Gestärkt durch den Ausblick auf das endgültige Ziel steigt Jesus mit den Jüngern den Berg hinab, um den heilbringenden Weg nach Jerusalem fortzusetzen. Während sie vorerst noch schweigen sollen über das Erlebte, werden sie nach Tod und Auferstehung in die ganze Welt gesandt, um Zeugen für Christus zu sein. In Wort und Tat, ja mit ihrer ganzen Existenz, werden sie die Botschaft von seinem Tod und seiner Auferstehung hinaustragen. Auch heute braucht es Männer, die sich mit all ihren Fähigkeiten, mit ihrer Leidenschaftlichkeit und Liebesfähigkeit vom Herrn dafür in Dienst nehmen lassen. Die Ernte ist groß! Bitten wir den Herrn, dass er Arbeiter in seinen Weinberg sende!

16. Allen Frauen und Männern aber, die durch Taufe und Firmung teilhaben am gemeinsamen Priestertum aller Gläubigen und zur Verkündigung des Evangeliums in der Familie und in den unterschiedlichen Bereichen des öffentlichen Lebens berufen sind, zeige der Herr, wo sie die ihnen geschenkten Gnadengaben gut einbringen können zur Verherrlichung Gottes und zum Segen für die Kirche und die ganze Gesellschaft.

Dazu segne uns alle der allmächtige und barmherzige Gott: der + Vater und + der Sohn und + der Heilige Geist.

Regensburg am 2. Fastensonntag im Jahr des Heils 2017

+ Rudolf
Bischof von Regensburg

Archivfoto Bischof Voderholzer


Archivfoto oben: Bischof Voderholzer (c) Bistum Regensburg


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