Stille Ostern

4. April 2017 in Kommentar


Ostern steht vor der Tür. Worauf warten Sie? Start der neuen kath.net Kolumne: Diakrisis am Dienstag - Von Stefan Meetschen


Linz (kath.net)
Ostern steht vor der Tür. Worauf warten Sie? Auf die Palmsonntag-Prozession? Auf die Fußwaschung am Gründonnerstag? Auf den Kerzenschein in der Osternacht? Alles in Ordnung. Die Kirche besitzt schließlich eine vielfältige symbolische und liturgische Sprache, um das Leiden und die Auferstehung Jesu Christi sinnlich begreifbar zu machen. Jeder darf seine persönlichen sakralen Favoriten und Lieblingsmomente haben.

Ich selbst muss gestehen, dass ich mich besonders auf den Karsamstag freue. Den Tag also, an dem eigentlich nichts Besonderes passiert. Die Kirche betet und schweigt, die Gläubigen besuchen die Heiligen Gräber, die in manchen Kirchen Europas immer noch zu bestaunen sind. Jesus in der Hölle – auf der Erde ist es still. So wie ich auch den Tod meiner Eltern erlebt habe. Vor vielen und wenigen Jahren. Das Gespräch, die Beziehung hat nicht aufgehört, aber eine andere Gestalt, eine andere Form angenommen. Eine intensivere, weil die Worte des Alltags, die voll von Missverständnissen sein können, nicht mehr funktionieren. Andere Worte sind nötig. Schweigen.

Ich weiß, dass ich mit dieser Begeisterung für die Stille des Karsamstags nicht allein bin. Der polnische Schriftsteller Andrzej Stasiuk zum Beispiel hat sich in seinem Buch „Der Osten“ ebenfalls als Fan dieses Tages geoutet. Schön beschreibt er darin seine Meditation an einem Heiligen Grab, irgendwo unterwegs auf der Strecke, nachdem er sich gerade an der Tankstelle einen doppelten Espresso im Pappbecher gekauft hat. „Im Chor blättert die Orgel ab wie ein weggeworfenes Kinderspielzeug. Es ist leer. Drei Personen. Zwei Feuerwehrleute in den gleichen Uniformen wie die im Wind trocknenden. Sie halten Wacht am Grab, aber irgendwie seltsam. Sicher aus Ehrfurcht stehen sie mit dem Gesicht zur Grabnische und mit dem Rücken zum Rest der Welt, als Wache sind sie daher kaum geeignet. Und wieder eine alte Frau mit Rosenkranz. Langsam rieseln die Perlen durch ihre Finger. Und es ist tatsächlich still wie nach dem Tod, aber aus den Fenstern ergießt sich eine schöne Helligkeit. (…) Ich duckte mich in eine Ecke, um die Komposition nicht zu stören. Schließlich war ich nur auf der Durchfahrt. Braunes Packpapier ahmte Felsen nach, aber die weißen Blumen in den Töpfen sahen echt aus. Sonst nur noch der Leichnam, mehr nicht. Vielleicht hätte er sich so offenbaren sollen mit seinem Leben oder seinem Tod. In der Stille, in der Einsamkeit, in der Leere. Und nicht der meckernden Masse, die, wenn sie sich gesammelt hat, irgendwann ihr „Kreuzige ihn!“ zu rufen beginnt.“

Nun – in gewisser Weise hat sich Jesus ja in der Stille, in der Einsamkeit und in der Leere offenbart, da es möglich ist, sein Heiliges Grab zu besuchen. Seine Gegenwart zu meditieren. Und nicht nur das. Zumal man ja auch an anderen Tagen und bei anderen liturgischen Gelegenheiten in der Stille mit Jesus und dem Heiligen Geist Kontakt aufnehmen kann.
Der Präfekt der Kongregation für den Gottesdienst und die Sakramentenordnung, Kardinal Robert Sarah, dessen Interview-Buch zur Stille bald auf Deutsch erscheint, hat in einem von CNA/EWTN übersetzten Interview mit dem französischen Portal „La Nef N°285“, bereits im vergangenen Herbst, wie ich finde, auf ganz vorzügliche Weise eingeladen, „in die Stille einzutreten“. Denn: „Ohne sie befinden wir uns in der Scheinwirklichkeit. Die einzige Wirklichkeit, die unsere Aufmerksamkeit verdient, ist Gott selbst, und Gott ist still. Er wartet auf unsere Stille, um sich zu offenbaren.“

Ich glaube deshalb auch, dass die Feuerwehrleute, die Andrzej Stasiuk so erstaunt beschreibt, instinktiv doch das Richtige gemacht haben, um Gott in ihrer Seele und in der Provinzkirche, die der Schriftsteller zufällig besucht hat, angemessen zu bewachen. Sie waren in der Stille ganz auf Christus ausgerichtet. Einen besseren Gottes- und Glaubens-Schutz, so ungewöhnlich er für unsere laute und lärmende Zeit auch ist, kann es wohl nicht geben.
Stille Ostern!


Der Autor ist Feuilleton-Redakteur der katholischen Tageszeitung „Die Tagespost“.


Diakrisis (gr. "Unterscheidung der Geister") - Die neue Kolumne von kath.net. Ab sofort jeden Dienstag mit Dr. Stefan Meetschen, Dr. Eva Demmerle, Dr. Sebastian Moll und Dr. Giuseppe Gracia.

Foto: (c) Privat


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