Benedikt XVI. vertiefte Beziehungen zum Judentum

8. April 2017 in Chronik


Enge Verbindung mit verstorbenem Rabbiner Neusner - Experte für christlich-jüdische Zusammenarbeit, Jäggle: Besonders der Inhalt der Ansprachen sowie die Wiederholung von Gesten waren bedeutend


Wien-Rom (kath.net/KAP) Papst Benedikt XVI. hat vor allem durch seine Worte dafür gesorgt, dass sich seit 2005 die Beziehungen zwischen der katholischen Kirche und dem Judentum gut entwickelt haben: Dieses Resümee zog Martin Jäggle, Präsident des Koordinierungsausschusses für christlich-jüdische Zusammenarbeit, über das Pontifikat Benedikts XVI. "Trotz der Irritationen, die besonders die Einführung einer neuen Karfreitagsbitte ausgelöst hat, ist die Bilanz positiv, wie gerade die jüdischen Stimmen zeigen", so der Theologe gegenüber "Kathpress".

Benedikt XVI. war theologisch eng verbunden mit Rabbiner Jacob Neusner (1932-2016). Im Zentrum von Neusners Forschungstätigkeit standen das antike rabbinische Judentum zur Zeit der Mischna und des Talmud. Neusners Buch "Ein Rabbi spricht mit Jesus" (1993) wurde zum Ausgangspunkt des ersten Jesus-Buchs von Papst Benedikt XVI, in dem er sich 2007 breit mit den Thesen des jüdischen Wissenschaftlers auseinandersetzte. US-Medien titulierten Neusner deswegen als "Lieblingsrabbi des Papstes". Neusner würdigte das Buch Benedikts als "Beginn einer neuen Ära im christlich-jüdischen Gespräch".

Jäggle sage, die Situation sei für Benedikt XVI. immer insofern schwierig gewesen, da er nach Johannes Paul II. gewissermaßen "stets die Nummer Zwei gewesen" sei: "Der zweite Papst, der eine Synagoge besucht, der zweite Papst, der an der Klagemauer betet. Da Papst Benedikt selbst keine neuen Gesten setzen konnte, lag die Bedeutung besonders in der Wiederholung der Gesten seines Vorgängers", so Jäggle. Mehr als die Gesten seien jedoch die gesprochenen oder in Erinnerung gerufenen Worte entscheidend gewesen - "und zwar jene vor der jüdischen Gemeinschaft in Paris 2008 und in der Synagoge von Rom 2010".

In Paris habe Benedikt XVI. darauf verwiesen, dass die katholische Kirche von ihrer Natur her den vom Gott Abrahams, Isaaks und Jakobs geschlossenen Bund zu achten wünsche, erinnerte der Wiener Theologe. Auch die Kirche, so der deutsche Papst damals, sei "eingeschrieben in den ewigen Bund des Allmächtigen, der sich seiner Ratschlüsse nicht reut, und sie achtet die Söhne der Verheißung, die Söhne des Bundes, ihre geliebten Brüder im Glauben." Der Papst zitierte hier weiters Henri de Lubac, wonach "antisemitisch sein auch antichristlich sein" bedeute, und bekräftigte das Auftreten der Kirche gegen jede Form des Antisemitismus, da es für diesen keine annehmbare theologische Rechtfertigung gebe.

Für ähnlich bedeutend hält Jäggle die Äußerungen Benedikts beim Besuch in der römischen Synagoge: Als "Implikationen" aus dem gemeinsamen Erbe nannte der Nachfolger des Petrus damals u.a. die Solidarität, die die Kirche und das jüdische Volk "in ihrer eigenen geistlichen Identität" aneinanderbinde und den Christen darüber hinaus die Gelegenheit biete, "einen neuen Respekt für die jüdische Auslegung des Alten Testaments" zu fördern. Der Papst verwies weiters auf die zehn Gebote, die "für Israel, die Kirche, die Nichtglaubenden und die ganze Menschheit" von zentraler Bedeutung seien. Auch Formulierungen zur Sorge für die dem Menschen anvertraute Schöpfung erwähnte Jäggle als "zukunftsorientierte Worte".

Dialogaufruf bereits zu Beginn

Bereits 2005 in der Mitteilung seiner Wahl zum Papst hatte Benedikt XVI. an die jüdische Gemeinde seiner Bischofsstadt Rom geschrieben, er wolle den "Dialog und die Zusammenarbeit mit den Söhnen und Töchtern des jüdischen Volkes fortsetzen und verstärken". Bei der ersten Auslandsreise zum Weltjugendtag in Köln 2005 besuchte er die dortige Synagoge und bekräftigte hier die Konzilserklärung "Nostra aetate" von 1965, in der die Kirche alle antijüdischen Positionen aus Lehre und Liturgie gestrichen hatte. Die Erinnerung an die Vergangenheit bleibe für Christen und Juden ein "moralischer Imperativ", stellte er damals klar.

Stilles Gedenken am Wiener Judenplatz

Ein Jahr später besuchte Benedikt XVI. in Polen das ehemalige Todeslager von Auschwitz-Birkenau. Die Millionen Opfer der Shoah seien eine ewige Mahnung für die Menschheit gegen das Vergessen, sagte er, und bekannte sich dabei ausdrücklich zu seiner deutschen Herkunft. Zwei Jahre später ging er in New York erneut in eine Synagoge.

Auch bei seinem Wien-Besuch am 7. September 2007 hielt der Papst unmittelbar nach der Eröffnungsfeier gemeinsam mit dem Wiener Oberrabbiner Paul Chaim Eisenberg ein stilles Gedenken vor dem Mahnmal für die österreichischen Opfer der Shoah auf dem Wiener Judenplatz.

Zu den Höhepunkten des christlich-jüdischen Dialogs zählten schließlich 2009 die Papstreise nach Israel, der Gang zur Klagemauer und die Ansprache in der Holocaust Gedenkstätte Yad Vashem. Mit Nachdruck stellt Benedikt XVI. klar, dass für die Kirche der vom Konzil vor 40 Jahren eingeschlagene Weg der Aussöhnung mit dem Judentum unwiderruflich sei. Dieser Dialog müsse weitergehen, der Respekt vertieft werden und die Freundschaft wachsen.

Zur Festigung dieser Freundschaft trugen wesentlich auch die Präfekten des vatikanischen Einheitsrates, die Kardinäle Walter Kasper und Kurt Koch bei, die in Personalunion die Vatikan-Kommission für die religiöse Beziehung zum Judentum leiten. Selbst die Rücknahme der Exkommunikation für den Holocaustleugner Richard Williamson führten in der Folge nicht zum Zerwürfnis mit dem Judentum.

Papst em. Benedikt XVI. - Seine Worte bei der Feierlichkeit im Vatikan anlässlich seines 65. Priesterjubiläums


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