Ein Bier für alle

26. Juni 2017 in Kommentar


Bei der "Ehe für alle" geht es nur vordergründig um Gleichstellung, in Wirklichkeit um die Zerstörung von Ehe und Familie. Gastkommentar von Siegbert Klein/"Kirchenzeitung Köln"


Köln (kath.net/"Kirchenzeitung Köln") Eine "Ehe für alle" wollen der SPD-Kanzlerkandidat Martin Schulz wie auch die Partei der Grünen. Bei näherem Hinsehen geht es vordergründig um Gleichstellung, in Wirklichkeit um die Zerstörung von Ehe und Familie.

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Wohlstand für alle, Bildung für alle, Rente für alle, Hitzefrei für alle und Bier für alle. Will ich auch. Eine „Ehe für alle“ will SPD-Kanzlerkandidat Martin Schulz einführen, sollte er Bundeskanzler werden, und die Grünen wollen seit dem Wochenende die Ehe für alle auch. Da fragt man sich: Gibt es Situationen, die Mann und Frau daran hindern, in Deutschland eine Ehe einzugehen? Grundsätzlich nein, spezielle Hinderungsgründe mag es geben.

Was also will Schulz? Auf dem SPD-Landesparteitag in NRW sagte der Sozialdemokrat, für ihn stünden die Würde des Menschen und das Prinzip „der guten Nachbarschaft“ im Vordergrund. Guter Nachbar sei der, der das Prinzip „Mensch für Mensch, Mann für Mann, Frau für Frau, Familie für Familie“ beherzige. „Der gute Nachbar, das ist der, der dich so nimmt wie du bist, der dir zugesteht, dass du leben kannst wie du möchtest, weil er weiß, dass du ihm das gleiche Recht zubilligst.“ Zudem erlaube der gute Nachbar auch, so Schulz, „mit dem oder der zu leben, den oder die du lieben willst“.

Abgesehen von seinen Prinzipien, mit denen ich nichts anfangen kann, kann man ihm sonst ohne Wenn und Aber zustimmen. Er beschreibt nichts anderes als die Rechtsgrundlage, auf der unser Zusammenleben fußt.

Und wo ist der Haken? Schulz hätte auch kurz und eindeutig formulieren können: Ich will, dass die Verbindung gleichgeschlechtlicher Paare keine eingetragene Lebenspartnerschaft genannt wird, sondern eine Ehe. Das wäre die richtige Definition seiner „Ehe für alle“. Diese klare Formulierung würde jedoch sofort Widerspruch hervorrufen. Das will er um jeden Preis vermeiden.

So greift Schulz in die rhetorische Trickkiste der 68er, als Jusos, Apo, Spartakus und andere linke Gruppen in Studentenparlamenten deutscher Hochschulen das Sagen hatten. Man kam in Diskussionen grundsätzlich nicht zur Sache. Wortgewaltig und ohne konkreten Inhalt wurde debattiert, um die eigentlichen Absichten zu verschleiern. Und wenn niemand mehr wusste, um was es eigentlich ging, formulierte man unspektakuläre Forderungen, denen man zustimmen konnte, um dann den eigentlichen Antrag dazwischen durchzubringen. So machte die Linke Politik. Bürgerliche Gruppen haben diese Vorgehensweise damals selten durchschaut, geschweige ihnen etwas entgegenzusetzen gewusst.

Mit der Rhetorik von gestern will der SPD-Kanzlerkandidat die Ehe für gleichgeschlechtliche Paare hoffähig machen und öffnen. Wer will ernsthaft gegen Menschenwürde und gute Nachbarschaft sein? Niemand. Dieses Kopfnicken wird nicht zurückgezogen, wenn im selben Atemzug die „Ehe für alle“ aufgerufen wird. Und schon ist der Begriff Ehe nicht mehr eindeutig.

Noch wird Ehe als dauerhafte Verbindung zwischen einem Mann und einer Frau verstanden. Doch das ist nicht in Stein gemeißelt, sondern eine Frage der kulturellen Sicht. Wenn die Mehrheit der Bevölkerung eine andere Definition von Ehe zulässt, ist Ehe, auch wenn sie heute formal im Grundgesetz geschützt ist, nicht mehr zu retten.

Begriffe, die nicht eindeutig bestimmt sind, werden aus gutem Grund nicht mehr benutzt. Niemand möchte doch das Risiko eingehen, dass man eventuell auf die falsche Sicht der Dinge gesetzt hat. Mehrdeutige Begriffe sind wertlos. Mehrdeutigkeit zerstört sogar.

Ist die Ehe erst einmal zerstört, dann ist die Demontage der eng mit Ehe verbundenen Familie nicht mehr weit. Es gehen Schulz und den Grünen nur vordergründig um Gleichstellung, in Wirklichkeit wird die Abschaffung von Ehe und Familie angestrebt und damit die Grundlage unserer Gesellschaft.

Wer das nicht glaubt, dem sollte zu bedenken geben, dass Schulzes angestrebte Umdeutung der Ehe, weitergedacht, auch andere Bedeutungszusammenhänge zulassen müsste: Ein Mensch, der schwimmt, ist ein Fisch. Ein Mensch, der fliegt, ein Vogel? Die wegen Irreführung verbotenen Bezeichnungen von Lebensmitteln wie Tofu-Butter, Tofu-Käse oder Soja-Milch wären zu erlauben. Die Begriffsumdeutungen durch das Voranstellen von Tofu oder Soja wird kritisch hinterfragt und schließlich verboten. Tofu-Käse ist kein Käse.Bei der Umdeutung der Ehe durch die „Ehe für alle“ denkt scheinbar kaum jemand mehr kritisch nach.

Diese Feststellung ist keine Diskriminierung gleichgeschlechtlicher Paare. Veränderungen in unserer Gesellschaft haben alternative Lebensformen hervorgebracht, die ich respektiere. Aber ich muss sie mir nicht zu eigen machen. Wenn ich von meiner Ehefrau spreche, soll mein Gegenüber sicher sein, dass ich meine angetraute Frau meine und nichts anderes. Und wenn mein Gesprächspartner von seiner Ehefrau spricht, muss ich nicht nachhaken, welches Geschlecht die Person hat.

Wir haben einen passenden Begriff für schwule und lesbische Paare gefunden: eingetragene Lebenspartnerschaft. Wem dieser nicht passt, darf gerne kreativ sein und einen passenderen Begriff einführen, nur Ehe ist die falsche Bezeichnung für diese Art des Zusammenlebens. Gegen ein Bier für alle habe ich nichts einzuwenden, wohl aber gegen eine „Ehe für alle“, wie diese Martin Schulz und auch die Partei der Grünen gerne hätten.

kath.net dankt der "Kirchenzeitung Köln" für die freundliche Erlaubnis zur Wiedergabe des Kommentars in voller Länge.


Archivfoto des Kölner Doms



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