'Morgen bin ich der Katholischen Kirche näher als meiner eigenen'

29. Juni 2017 in Deutschland


Evangelische Bremer CDU-Bundestagsabgeordnete Elisabeth Motschmann schreibt Prälat Jüsten (Katholisches Büro Berlin), warum sie seine Stellungnahme vor der Bundestagsabstimmung über die „Ehe für alle“ begrüßt - "Ich werde morgen mit NEIN stimmen!"


Berlin (kath.net) Die Bremer CDU-Bundestagsabgeordnete Elisabeth Motschmann schreibt einen Tag vor der Bundestagsabstimmung über die sogenannte „Ehe für alle“ einen Brief an den Prälaten Karl Jüsten, Leiter des Katholischen Büros in Berlin.

Lieber Prälat Dr. Jüsten,

für Ihren Brief an alle Abgeordneten des Deutschen Bundestages zum Thema „Ehe für alle“ möchte ich Ihnen ganz ausdrücklich danken. Als überzeugte evangelische Abgeordnete werde ich in dieser Frage Ihrem und dem Rat des Kommissariates der Deutschen Bischöfe folgen und morgen mit NEIN stimmen.

Ich teile Ihre Position, dass ernstzunehmende verfassungsrechtliche Bedenken gegen den Gesetzentwurf von Rot-Rot-Grün bestehen. Die Mütter und Väter des Grundgesetzes haben die Ehe von Mann und Frau unter den besonderen Schutz des Staates gestellt, weil aus dieser Beziehung Kinder hervorgehen. Das Bundesverfassungsgericht hat wiederholt geurteilt, dass die Verschiedengeschlechtlichkeit der Eheleute ein Wesensmerkmal der Ehe ist. Das Abrücken von diesem Wesensmerkmal der Ehe steht mit der Auslegung des Bundesverfassungsgerichtes nicht mehr im Einklang. Bevor diese Frage geklärt ist, dürfte es keine Abstimmung im Bundestag geben - schon gar nicht in einem Ad-hoc Ritt.

Unabhängig vom Gesetzesvorhaben werben Sie in Ihrem Brief, „am bestehenden Ehebegriff festzuhalten“ und damit an der Unterscheidung zur eingetragenen Lebenspartnerschaft. Dem kann ich nur zustimmen. Ich begrüße, dass Sie darauf hinweisen, dass die große Vielfalt familiärer Situationen selbstverständlich anzuerkennen sind, weil sie Menschen Halt geben.

Von meiner Evangelischen Kirche bin ich in dieser Frage sehr enttäuscht. Sie spricht sich für eine vollständige Öffnung der Ehe aus. Damit entfernt sie sich vom biblischen Zeugnis und folgt dem Zeitgeist. Sie entfernt sich auch von der Überzeugung vieler evangelischer Christen in den Gemeinden an der Basis. Sie fügt der Ökumene erneut Schaden zu. Im Übrigen fragt man sich, welchen Zeitwert Grundsatzerklärungen der Evangelischen Kirche überhaupt noch haben. In der Denkschrift „Gottes Gabe und persönliche Verantwortung - Zusammenleben in Ehe und Familie“ von 1997 heißt es, dass der christliche Glaube ermutige und an einem Zusammenleben von Mann und Frau festhalte.

Offenbar muss man davon ausgehen, dass die Evangelische Kirche im Abstand von 10 oder 20 Jahren Grundsatzpositionen verändert. Deshalb sind Verlautbarungen und Denkschriften der EKD nicht geeignet, in ethischen Fragen längerfristige Orientierung zu geben. Ist das vielleicht auch ein Grund dafür, dass wir so viele Kirchenaustritte beklagen müssen? Ich kann das nur bedauern, bleibe trotzdem in meiner Kirche. Morgen bin ich allerdings der Katholischen Kirche näher als meiner eigenen.

Herzliche Grüße Ihre
Elisabeth Motschmann MdB

Pressefoto MdB Elisabeth Motschmann


Der Brief von Prälat Karl Jüsten (Katholisches Büro Berlin) an die Abgeordneten des Deutschen Bundestages zum Gesetzesentwurf "Ehe für alle" im Wortlaut als PDF-Datei:


Foto Motschmann (c) Elisabeth Motschmann


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