Nur Kinderglaube?

11. Juli 2017 in Kommentar


Eine Aussage über den „einfachen Kinderglauben“ relativiert auch so manchen Streit über Kirchenpolitik - Diakrisis am Dienstag mit Eva Demmerle


Linz (kath.net)
„Wissen Sie, ich habe nur einen ganz einfachen Kinderglauben.“ sagt mein Gegenüber, fast entschuldigend. Wir sitzen in einem Münchner Lokal zum Mittagessen. Um uns herum viele Geschäftsleute, die in der Innenstadt ihren Jobs nachgehen. Mein Lunchpartner ist selbst Top-Manager einer Investmentfirma, verheiratet, vier Söhne, teilweise schon im Studium. Im Laufe des Gesprächs dann die Frage, ob es denn gelungen sei, den Kindern die Begeisterung für Glauben und Kirche mitzugeben. Ja, das sei gelungen, es habe nie eine Diskussion über den sonntäglichen Kirchgang gegeben, die vier Jungs seien alle gläubig, „auch dank meiner Frau“.

Chapeau! Das schafft nicht jeder. Auch in katholischem Umfeld kenne ich reichlich Familien, in denen die Kinder nach dem Auszug aus dem Elternhaus auch gleich die Kirche hinter sich gelassen haben.

Noch Tage später denke ich über diese Aussage über den „einfachen Kinderglauben“ nach. Gemeint war damit mit Sicherheit nicht ein naives Verständnis auf dem Level eines Kindergartenkindes. Vielmehr die wunderbare Einfachheit, den Glauben, die Existenz Gottes als gegeben anzusehen und nicht zu verkomplizieren.

Diese Einfachheit droht nämlich manchmal, auch verlorenzugehen. Natürlich sind wir immer gehalten, uns auch im Glauben weiterzubilden, die Heilige Schrift und den Katechismus zu studieren, unser Gewissen zu bilden. Es gibt Fragen, auf die es einfache Antworten gibt, aber es gibt noch mehr Fragen, deren Beantwortung nicht sehr einfach ist. Die Heilige Dreifaltigkeit zum Beispiel lässt sich nur schwer in wenigen Sätzen erklären und intellektuell durchdringen. Da kommt man schnell auf’s Glatteis. Und kann sich mitunter auch im intellektuellen Bemühen verlieren.

Eine Aussage über den „einfachen Kinderglauben“ relativiert auch so manchen Streit über Kirchenpolitik. Der Gläubige schaut verständnislos auf die Auseinandersetzungen der verschiedenen Lager und stellt die berechtigte Frage, wo denn da das Wesentliche bleibt. Und das Wesentliche ist doch Jesus Christus und die Richtschnur, die Er mir für mein tägliches Handeln und Bewältigung des Lebens gibt, im Hinblick auf das Himmelreich. Es geht einfach darum, welche Konsequenz die Existenz Gottes auf das Leben hat, egal, an welchem Platz man steht. Zwischen all den verschiedenen Berufungen, von charismatisch bis zur intellektuellen Theologie steht doch auch ganz einfach der Glaube des Herzens. Viel zu oft wird darüber arrogant die Nase gerümpft und zwar aus allen Richtungen. Für die einen zu wenig hinterfragend. Aber wissen wir das wirklich, ob da zu wenig hinterfragt wird? Auch der „einfach“ Glaubende hat Zweifel. Muss man überhaupt Zweifel haben, um als „seriös“ Glaubender zu gelten?

Dabei geht es doch im Grunde nur um ein banales Verständnis von richtig und falsch; und dass richtig richtig bleibt, auch wenn man nicht gelobt wird, und falsch falsch bleibt, auch wenn man nicht erwischt wird. Diese Grenze wird von religionsferner Seite gerne relativiert, wohlgemerkt auf sehr intellektuelle Weise. Was früher Sünde war, ist heute der Vorrang der Gefühle vor dem Verstand, oder gerne auch ein Produkt widriger sozialer Umstände. Doch diese Grenze ist dem Menschen ins Herz eingeschrieben, wie der Kirchenvater Origenes es formulierte. Jeder Mensch ist sich ihrer bewusst, egal ob er Christ ist oder nicht, egal ob er weiß, wer Origenes war oder nicht.
Man kann nun zehn Semester Theologie studieren, um diese Tatsache näher zu ergründen und mit altgriechischen Fachtermini zu benennen, oder acht Semester Politikwissenschaft, um sie mit ebenso vielen Fremdworten als soziales Konstrukt des eurozentristischen, heteronormativen Patriarchats zu begreifen. Oder man nimmt sie einfach hin wie ein Naturgesetz, wie die Schwerkraft, oder das Bayern München deutscher Meister wird. Vor einigen Jahren haben englische Atheisten auf den Werbeflächen der Londoner Doppeldeckerbusse groß plakatiert: „There is probably no God.“ Die Antwort aus christlichen Kreisen kam postwendend: „There is probably no bus“. Wer ist nun klüger? Die, die sich über Existenz oder Beschaffenheit der Busse den Kopf zerbrechen, oder die, die schlicht wissen, dass der Bus da ist. Wenn wir dereinst vor unseren Schöpfer treten, wird Er uns vermutlich nicht abprüfen, war Transsubstantiation oder Semipelagianismus ist. Er wird uns fragen, wann wir Gutes unterlassen und Böses getan haben, auch wenn nur Er es gesehen hat. Und ob wir uns um Reue und Vergebung bemüht haben. Der eine wird dazu motiviert durch intellektuelle Auseinandersetzung, die die christliche Religion in allen Spielarten bietet. Für den anderen ist es der „einfache Kinderglaube“.

Wie viele Wege gibt es zu Gott? – So viele, wie es Menschen gibt! Benedikt XVI.


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