Russlands Justiz stellt Zeugen Jehovas auf gleiche Stufe wie IS

23. Juli 2017 in Aktuelles


Berichten zufolge ist der Hauptgrund für das Verbot die von den Mitgliedern praktizierte Ablehnung des Wehrdienstes.


Moskau-Washington (kath.net/ KAP)
Das Oberste Gericht Russlands hat die Berufung der Zeugen Jehovas gegen ihr Verbot abgelehnt. Der Einspruch der Glaubensgemeinschaft sei zurückgewiesen worden, teilte das Gericht am Montag mit. Wie das Portal "Newsweek" am Dienstag berichtete, bestätigte das Gericht das "Zeugen"-Verbotsurteil von April, dem zufolge es sich bei der Religionsgesellschaft (in Österreich als solche seit 2009 gesetzlich anerkannt) um eine "extremistische Vereinigung" handle. Die Mitglieder stehen damit auf der gleichen Stufe wie der "Islamische Staat" (IS). Die Zeugen Jehovas kündigten den Gang zum Europäischen Menschenrechtsgerichtshof (EGMR) an. "Wir sind noch nicht am Ende", sagte ihr Anwalt Viktor Jenkow.

Im April hatte das oberste russische Gericht die Zeugen Jehovas verboten und die Beschlagnahmung ihres Besitzes angeordnet. Das Justizministerium hatte das Gericht zuvor aufgefordert, die Zeugen Jehovas als "extremistische Organisation" zu untersagen. Berichten zufolge ist der Hauptgrund für das Verbot die von den Mitgliedern praktizierte Ablehnung des Wehrdienstes. Dies hatte bereits in der Nazizeit zur Massenverhaftungen von "Zeugen" geführt, und viele starben im KZ.

Die Zeugen Jehovas, die 395 Zentren in ganz Russland unterhalten, wurden seit 1996 wiederholt beschuldigt, mit aggressiven Methoden Anhänger anzuwerben. Wegen des Vorgehens der Behörden gegen die Religionsgemeinschaft wurde Russland bereits mehrfach vom Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte in Straßburg zu Schadenersatzzahlungen verurteilt. Dabei wurde unter anderem auf Verstöße gegen Grundrechte wie Religions-, Meinungs- und Versammlungsfreiheit verwiesen.

In Graz hatte vor kurzem der frühere UN-Sonderberichterstatter für Religionsfreiheit, Heiner Bielefeldt, scharfe Kritik am russischen Vorgehen gegen die Zeugen Jehovas geübt. Der Leiter des - regierungsnahen - Außenamtes des Moskauer Patriarchats, Metropolit Hilarion (Alfejev), hatte hingegen das Urteil begrüßt, da es sich bei den Zeugen Jehovas um eine "totalitäre Sekte" handle. Ihre Aktivitäten zielten darauf ab, das Gewissen ihrer Mitglieder zu manipulieren und "die Psyche der Menschen und der Familie auszulöschen". Sie gäben sich als christliche Organisation aus, würden dabei aber die Lehre Christi "verdrehen" und sein Evangelium falsch interpretieren: "Sie glauben nicht, dass Jesus Christus Gott und Retter ist, sie erkennen die Dreifaltigkeit nicht an", so die hauptsächlich theologische Argumentation des hohen orthodoxen Amtsträgers.

Die katholische Kirche in Russland rügte hingegen die Gerichtsentscheidung gegen die Zeugen Jehovas. Alle religiösen Gemeinschaften hätten ein Recht zu existieren, sagte der Generalsekretär der Russischen Bischofskonferenz, Igor Kowalewski. Zugleich äußerte er die Sorge, dass das Urteil auch die Angst vor neuen Einschränkungen für die katholische Kirche im Land schüren könne. Die Regierung müsse den Bürgern versichern, "dass die Gewissensfreiheit bestehen bleibt".

Die katholische Kirche betrachte die Zeugen Jehovas zwar nicht als Christen und führe auch keinen Dialog mit ihnen, aber dabei handle es sich um ein theologisches, nicht aber um ein juristisches Problem, so Kowalewski. Auch Vertreter anderer religiöser Organisationen sowie Religionswissenschaftler und Theologen drückten ihr Bedauern aus und befürchten eine Rückkehr zur Verfolgung von Gläubigen in Russland. Das Urteil sei ein heikler Präzedenzfall, anderen religiösen Gruppen drohe nun dasselbe Schicksal.

Die Zeugen Jehovas wurden in Russland 1991 und erneut 1999 registriert, sind jedoch aufgrund von Zettel-Verteilaktionen und Predigten an den Haustüren häufig Inhaftierungen und Polizeirazzien ausgesetzt. Ihre Mitglieder wurden wiederholt angegriffen und ihr Eigentum zerstört. Nach Angaben von Menschenrechtlern drohen Zeugen Jehovas, die ihren Glauben weiter ausüben, künftig Strafverfolgung, Geldstrafen oder bis zu zehn Jahre Haft.

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