Nigeria: Das Leiden geht weiter

6. August 2017 in Weltkirche


„Kirche in Not“ hilft Opfern von Boko Haram. Von Tobias Lehner


München (kath.net/ KiN)
Es war ein schwerer Rückschlag: In der vergangenen Woche überfielen Kämpfer der Terrormiliz Boko Haram im Nordosten Nigerias einen bewachten Konvoi. 45 Menschen wurden in den Tod gerissen, darunter Mitarbeiter der Universität Maiduguri. Dabei hatte die nigerianische Regierung wiederholt betont, dass Boko Haram bereits „militärisch geschlagen“ sei. Die Hoffnung auf ein Ende des Terrors ist brüchig.

„Auch wenn das Morden aufhört – das Leid geht weiter“, sagt Bischof Oliver Dashe Doeme aus dem nordnigerianischen Maiduguri. Was das bedeutet, ist in seiner Bischofsstadt an allen Ecken und Enden sichtbar. Wachleute patrouillieren in den Straßen – echte Sicherheit gibt es nicht. In den Flüchtlingslagern rund um die Metropole sind tausende Menschen untergebracht, die vor dem Terror aus ihren Dörfern geflohen sind. Zurück können sie nicht. Die Angst vor einer Rückkehr des Terrors ist zu groß: Rund 20 000 Menschen hat der Terror in den vergangenen sieben Jahren das Leben gekostet.

Diejenigen, die überlebt haben, sind schwer traumatisiert. So wie Ester, Anfang 30 und schon Witwe. „Eines Morgens drangen Kämpfer von Boko Haram in unser Haus ein“, berichtet sie. „Sie packten meinen Mann und forderten ihn auf, zum Islam zu konvertieren. Als er sich weigerte, wurde er vor meinen Augen auf bestialische Weise ermordet.“ Das Vorgehen entspricht dem perfiden „System“ von Boko Haram – gerade in der Anfangszeit des Terrors wurden vor allem Männer getötet.

Die vierzigjährige Agnes, Mutter von neun Kindern, teilt das gleiche Schicksal. „Mein Mann war Bauarbeiter und gerade auf dem Gerüst, als Boko Haram ihn und seine Kollegen umstellten und ohne Vorwarnung das Feuer eröffneten.“ Doch damit nicht genug: „Die Terroristen erlaubten uns nicht, die Toten zu bergen. Sie verwesten unter freiem Himmel.“ Tränen laufen ihr über die Wangen. Sie trocknet sie mit der Schürze ihrer farbenfrohen Tracht – ein scharfer Kontrast zu der Hölle, durch die sie gegangen ist.

Ebenso wie über 5000 Witwen, die sich rund um Maiduguri aufhalten, dazu über 15 000 Waisenkinder. Der Tod der Angehörigen, oft vor den eigenen Augen, ist schon kaum zu ertragen. Aber viele von ihnen haben auch Vergewaltigungen durchlitten, wurden verschleppt, zwangsverheiratet, die Kinder zum Lernen des Koran gedrillt, geschlagen und missbraucht.

„Die Frauen und Kinder stehen noch immer unter Schock. Die Wunden gehen tief“, sagt der Bischof. Viele hätten mehr als sechs Kinder zu ernähren. Die Diözese muss sich um sie kümmern – vom Staat kommt nahezu keine Hilfe. Der Bischof hat den „Sankt-Judit-Witwenverein“ ins Leben gerufen, um die Hilfen zu koordinieren und auf die verschiedenen Bedürfnisse anzupassen. Das weltweite päpstliche Hilfswerk „Kirche in Not“ unterstützt die Diözese dabei und hat jetzt Soforthilfen für die Boko-Haram-Opfer auf den Weg gebracht.

Ein Teil des Geldes fließt in psychologische Betreuung, damit die Frauen das Geschehene langsam verarbeiten können. Wichtig sind auch Ausbildungskurse, damit die Witwen ihre Familien selbst versorgen können. „Vor dem Terror waren die Männer oft die Alleinverdiener“, erklärt der Bischof. Jetzt lebten die Frauen von den Nothilfen des Bistums. „Aber wir wollen ihnen helfen, wieder auf eigenen Beinen zu stehen.“ Nicht zuletzt gilt die Sorge den Kindern. Viele von ihnen haben noch nie eine richtige Schule besucht. „Kirche in Not“ hilft bei den Schulgebühren und sorgt dafür, dass die Waisen und Halbwaisen wenigstens eine Mahlzeit am Tag bekommen.

Das Leiden in Nigeria geht weiter. Dennoch keimt Zukunftshoffnung. „Ich werde nicht mehr heiraten“, sagt Agnes, „ich fühle mich meinem ermordeten Mann noch so nah. Aber ich habe Hoffnung, dass ich meine Kinder durchbringen kann und sie eine Zukunft haben – ohne Terror.“

Um christlichen Waisen und Witwen in Maiduguri beistehen und die pastorale wie karitative Arbeit der Kirche in Nigeria weiterhin unterstützen zu können, bittet „Kirche in Not“ um Spenden – entweder online unter: www.spendenhut.de oder auf folgendes Konto:

Empfänger: KIRCHE IN NOT
LIGA Bank München
IBAN: DE63 7509 0300 0002 1520 02
BIC: GENODEF1M05
Verwendungszweck: Nigeria

Foto: Witwen, deren Männer von Boko Harm ermordet wurden. Aus Sicherheitsgründen möchten sie ihre Gesichter nicht zeigen. © Kirche in Not


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