Bulgarien: Wege aus dem Teufelskreis

12. August 2017 in Chronik


„Kirche in Not“ unterstützt Hilfsprojekt für Roma-Kinder - Von Florian Ripka, stellvertretender Geschäftsführer von „Kirche in Not“ Deutschland.


München (kath.net/ KiN)
„Wenn wir nichts tun, ist das Schicksal der Roma-Kinder vorgezeichnet“, erzählt Salesianerpater Martin Jilek aus Stara Zagora in Zentralbulgarien, 230 Kilometer östlich der Hauptstadt Sofia. „Mit vierzehn Jahren werden sie von ihrem Clan verheiratet. Dann werden sie sehr früh Eltern und leben vom Kindergeld, das pro Kind und Monat rund 40 Lev ausmacht.“ Das sind umgerechnet etwa 20 Euro – für viele Roma-Familien die einzige Einnahmequelle.

Rund 28.000 Roma leben in Stara Zagora, die meisten von ihnen Kinder und Jugendliche. Sie hausen in Baracken, heruntergekommenen Häusern oder Rohbauten. In Bulgarien sollen rund eine Million Menschen dem Volk der Roma angehören. Niemand kennt ihre genaue Zahl. Sie leben in einer Parallelgesellschaft. Die Clan-Strukturen sind für Außenstehende nicht zu durchschauen. Die Roma sind verachtet, verhasst und aus dem öffentlichen Leben verbannt.

Die Ressentiments sind so groß, dass selbst Bulgaren, die eine etwas dunklere Hautfarbe haben und deswegen den Roma ähneln, kaum einen Job bekommen. Die Schulbildung bleibt meist rudimentär, wenn es überhaupt eine gibt. Ausbildungsstellen gibt es keine. Deshalb rutschen viele Roma in Arbeitslosigkeit und Kleinkriminalität ab. Das wiederum nährt die Klischees und baut weitere Hürden auf. Da bleibt nur das Kindergeld als Einnahmequelle. Kinder als „Lebensversicherung“ – und ein weiterer Schritt in die Verelendung: es ist ein Teufelskreis.

Pater Martin und seine Mitbrüder geben sich damit nicht zufrieden. Sie haben zwei Niederlassungen mitten unter den Roma aufgebaut und wollen ihnen bessere Möglichkeiten eröffnen. Wie das funktionieren kann, ist für Pater Martin klar: „Es geht nur über die Kinder. Die Erwachsenen sind fast unerreichbar.“

Die Salesianer haben zum Beispiel eine Art Hausaufgabenbetreuung eingerichtet – die weit mehr ist als das. Die Kinder kommen nach der Schule, essen gemeinsam, spielen und lernen. Dabei werden ihnen auch elementare Benimm-Regeln vermittelt. „Sind die Kinder ein paar Wochen bei uns“, sagt Pater Martin, „fangen Sie an ‚Bitte‘ und ‚Danke‘ zu sagen. Sie werden auch ruhiger, sind nicht mehr so überdreht.“ Viele bekämen zu Hause von den Eltern keine Aufmerksamkeit. Sie trieben sich herum, würden von Mitschülern gemieden. „Für viele ist es schon eine überraschende Erfahrung, dass wir sie mit ihrem Namen ansprechen“, sagt Pater Martin. „Wir nehmen uns Zeit für die Kinder. Das spricht sich schnell unter den Eltern herum, die dann auch plötzlich bei uns auftauchen.“

Deshalb gibt es bei den Salesianern von Stara Zagora keinen Feierabend. In ihrem Kloster gehen die Roma rund um die Uhr ein und aus. Sie feiern die heilige Messe mit, übernehmen kleine Alltagsaufgaben, suchen Rat oder statten einfach nur einen Besuch ab.
Und die Salesianer haben noch mehr vor: Sie planen einen neuen Gebäudekomplex, der nach bewährter Tradition des Ordensgründers Don Bosco eine Kirche, eine Schule, einen Sportplatz und einen Wohnbereich für die Patres umfassen soll.

„Wir wollen ein Haus schaffen, das von überall aus dem Roma-Viertel gesehen werden kann“, sagt Pater Martin. Damit wolle man Aufmerksamkeit und Neugier der Bewohner wecken. Außerdem sei eine Essensausgabe geplant. „So haben wir eine Gelegenheit, mit den Menschen zu sprechen. Wir wollen sie davon überzeugen, ihre Kinder zu uns in die Schule zu schicken.“

Denn das sei das Hauptproblem: Viele Eltern ließen nicht zu, dass ihre Kinder Bildung erhielten, die über den Grundschulbesuch hinausgeht. Denn dann können diese nicht sofort verheiratet werden. „Es ist ein hartes Stück Arbeit, die Eltern davon zu überzeugen, dass es besser ist, eine Ausbildung oder gar ein Studium zu haben, als nur Kindergeld zu beziehen“, sagt Pater Martin. Aber es gebe auch schon erste Erfolge. „Viele Roma kennen uns mittlerweile schon und wissen, dass wir es gut mit ihnen meinen.“

Die Päpstliche Stiftung „Kirche in Not“ unterstützt die Roma-Pastoral der Salesianer und den Neubau des Schul- und Betreuungszentrums von Anfang an. 2018 soll es fertig sein. „Vielleicht kommt ja der Papst, um es einzuweihen“, überlegt Pater Martin und lächelt dabei, „wir werden ihn auf alle Fälle einladen“. Die Idee ist nicht abwegig, denn das Projekt ist einzigartig in Bulgarien und hilft den „Menschen an den Rändern“, die dem Papst besonders am Herzen liegen.

Um die Arbeit der Salesianer, das kirchliche Leben und den karitativen Einsatz der katholischen Minderheit Bulgariens weiter unterstützen zu können, bittet „Kirche in Not“ um Spenden – entweder online unter: www.spendenhut.de oder auf folgendes Konto:

Empfänger: KIRCHE IN NOT
LIGA Bank München
IBAN: DE63 7509 0300 0002 1520 02
BIC: GENODEF1M05
Verwendungszweck: Bulgarien

Foto: Pater Martin Jilek mit Romakindern © Kirche in Not


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