Getroffene Hunde bellen!

16. August 2017 in Kommentar


Über den Bonner Publizisten Andreas Püttmann und dessen Papst-Benedikt-Schelte nach dem Tod von Joachim Kardinal Meisner: „Mit diesem Beitrag hat sich Püttmann menschlich und journalistisch disqualifiziert.“ Gastkommentar von Michael Hesemann


Bonn (kath.net) Es gibt in einer zweitausendjährigen Stadt wie Köln gewisse Regelmäßigkeiten. Etwa, dass der Rhein immer ganz schnell nach Düsseldorf will. Dass auf jeden Karneval der Aschermittwoch folgt. Oder dass, wenn eigentlich alles gesagt ist, sich dann doch noch ein freier Journalist namens Andreas Püttmann aus Bonn zu Wort meldet, um dem, was längst keiner mehr hören will, noch einmal die Krone aufzusetzen. So jetzt wieder, als besserwisserisches Sechswochenamt für den verstorbenen Joachim Kardinal Meisner, mit dem halt Püttmann nie die gleiche Rheinseite teilte. „Das Erhabene und das Niedrige“ will er (auf katholisch.de vom Montag) im Umfeld von Papst Benedikt XVI. verortet haben, weil der es doch tatsächlich gewagt hatte, einen Nachruf auf seinen Freund und Weggefährten, den verstorbenen Kölner Erzbischof emeritus Joachim Kardinal Meisner, zu verfassen.

Um dieses Grußwort, um das der amtierende Kölner Erzbischof Kardinal Woelki den „Papa emerito“ ausdrücklich gebeten hatte, ist längst in der Kölner Kirche ein heftiger Streit entbrannt. Offenbar war es bei einigen Kräften schlecht angekommen, dass die Worte des „Mozarts der Theologie“ von allen Anwesenden durch spontanen Applaus begrüßt und bestätigt wurden. Das, was ihm bereits im April 2005 in seiner so bewegenden Leichenrede auf Papst Johannes Paul II. gelang, wiederholte sich im Juli 2017 im Kölner Dom. Nähe und Vertrautheit mit dem Verschiedenen waren spürbar, jede Charakterisierung stimmte. Er sprach allen, die versammelt waren, um von einem wahrhaft Großen Abschied zu nehmen, aus dem Herzen und rührte sie zu Tränen.

Nur journalistische Effekthascher sahen darin eine Kritik an seinem Nachfolger. Wer Benedikt XVI. und seinen Stil kennt, der war nicht sonderlich überrascht über seine Metapher vom „Boot“, das manchmal „schon fast zum Kentern angefüllt ist“. Sie galt für alle Pontifikate in dieser sturmumtösten Zeit und bezog sich ganz gewiss nicht nur auf die Gegenwart. Dass die Kirche in unseren Tagen „besonders dringend überzeugender Hirten bedarf“ ist ebenfalls eine Benedikt-Binse; gewiss eine Kritik an profillosen Opportunisten, doch die hat es zu allen Zeiten gegeben, ganz besonders auch in Deutschland. Zudem: Eine Würdigung Kardinal Meisners wäre auch unvollständig, wenn man das Unbequeme in seiner Natur, seine große Sorge um die Zukunft der Kirche, nicht auch thematisiert hätte. So stellte sich dem Kenner nicht die Frage, wer damit gemeint sein könnte, sondern vielmehr, wer sich dadurch ertappt und angesprochen fühlte. Auffallend deutliche Distanzierungen an den folgenden Tagen beantworteten sie schnell. Sie gingen so weit, dass sogar von der Pressestelle des Erzbistums Köln dem WDR gegenüber bestritten wurde, dass die Grußbotschaft Benedikts XVI. auf Wunsch Kardinal Woelkis verfasst und verlesen worden war. So als hätten sich Papst Benedikt und Erzbischof Gänswein das alles nur ausgedacht und Kardinal Woelki genötigt, um eine Verlesung zu bitten. Dieses unwürdige und peinliche Gerangel allein zeigte schon, wie betroffen die Worte des emeritierten Papstes einige Herren gemacht haben müssen. Getroffene Hunde bellen halt laut! Was folgte waren zwei Wochen der Diskussion, weshalb dieser unbequeme Mahner nicht schon längst mundtot gemacht worden sei und was er sich denn erlauben würde, am Tod seines Freundes Anteil zu nehmen. Fast hätte man diese Debatte bereits als katholisches Sommertheater abgehakt, doch dann sprengte Püttmann noch einmal alle Grenzen.

Während viele Kölner Katholiken schon die Tage zählen, bis für ihn das Seligsprechungsverfahren eröffnet wird, weil er immer ein Vorbild in gelebter Frömmigkeit, Mut wider den gottlosen Zeitgeist und menschlicher Integrität war, sieht Püttmann in Meisner nur „den Dubia-Kardinal“. Einen, der es gewagt hatte, Fragen zu stellen und Klarheit einzufordern, wo doch Männern wie Püttmann ein möglichst breiter Interpretationsspielraum in Fragen der Moral gerade recht ist. So hätte er den unbequemen Kardinal wohl am liebsten ganz still und heimlich bestattet, ohne die breite Anteilnahme der Kölner Diözesanen wie der ganzen Weltkirche, die an jenem Julitag von einem „Giganten“ (so Erzbischof Dr. Gänswein über Kardinal Meisner) Abschied und damit auch dessen Nachfolger in die Pflicht nahm. Kardinal Woelki schien in diesen Kölner Tagen des Katholizismus fast über sich selbst hinauszuwachsen. Zumindest nach außen hin schloss die gemeinsame Trauer alle Gräben, die Püttmann selbst noch vor wenigen Monaten zwecks Abgrenzung zu den sogenannten „Dunkelkatholiken“ ausgehoben hatte, also allen, die sich ein starkes Lehramt wünschen statt zeitgeistkonformem laissez faire. So wetterte er ausgerechnet am Todestag von Kardinal Meisner, dem 5. Juli 2017, auf der von der Deutschen Bischofskonferenz (DBK) finanzierten website „katholisch.de“ ganz pauschal gegen alle Katholiken, die es sich auch nur andeutungsweise erlaubten, an der einen oder anderen Entscheidung von Papst Franziskus Kritik zu üben. Denen sprach er nicht nur ab, katholisch zu sein, er verortete sie gleich bei den „Rechtspopulisten“, die sein allerliebstes Feindbild sind, also bei jenen, die es wagen, an der Politik von Frau Merkel Kritik zu üben. Dass sich Püttmann dabei selbst als „Linkspopulist“, zumindest aber als politischer wie kirchlicher Opportunist outet, gleichzeitig aber einen ziemlich altmodischen Kadavergehorsam propagiert, mag ihm selbst noch nicht aufgegangen sein. So jedenfalls trägt er nach Kräften zur inneren Spaltung der Kirche bei und genießt das auch noch. „Für die aktuelle Scheidung der Geister darf man dankbar sein“, heißt es bei ihm wörtlich.

Diesen Spaltkurs führt Püttmann konsequent in seinem neuesten Machwerk weiter. Schon den „Dubia-Kardinal“ zu preisen und auf sein Gottvertrauen hinzuweisen will der Publizist als „Verstoß gegen eine unzweifelhafte Loyalität (Benedikts XVI.) zum Nachfolger verstanden“ wissen. Dass der Ratzinger-Papst dann noch die Veröffentlichung seines wissenschaftlichen Lebenswerkes zuließ, ja sogar auf die unsäglichen Spekulationen um seinen Rücktritt mit einem Interviewbuch (mit Peter Seewald) antwortete, ist für den „katholisch.de“-Autor ein Skandal. Dass der „Papa emerito“ zu jedem seiner seltenen öffentlichen Auftritte von seinem Nachfolger eingeladen wurde und sich jede Veröffentlichung von diesem „absegnen“ lässt, davon will Püttmann nichts wissen. Auch davon nicht, dass Benedikt XVI. bei jeder sich nur bietenden Gelegenheit seine Loyalität zum amtierenden Papst bekundet – sei es in erwähntem Interviewband, sei es durch demonstrative Abnahme seines weißen Pileolus in Gegenwart von Franziskus. Da folgt Püttmann lieber einem anderen liberalkatholischen und ziemlich phantasiebegabten Publizisten, der uns schon vor Monaten weißmachen wollte, Benedikt und Franziskus seien jetzt heillos zerstritten. Nur gut, dass keiner von den beiden bislang etwas davon mitbekommen hat!

Allerdings gilt auch, dass wir nicht mehr im Mittelalter leben, als ein Bonifaz VIII. seinen Vorgänger, Coelestin V., kurzerhand auf der Flucht festnehmen und auf einer Burg unter Hausarrest stellen ließ. Es gibt eigentlich keinen Grund, weshalb ein emeritierter Papst anders behandelt werden sollte als ein emeritierter Bischof: Der trägt auch bis zu seinem Tod die Symbole seiner Bischofswürde und ist mitnichten zum Schweigen verurteilt. Als Papst Benedikt zurücktrat, hat er seinem Nachfolger Gehorsam geschworen und sich bis heute strikt daran gehalten. Jeder Versuch, ihn für eine kirchenpolitische Opposition zu gewinnen, scheiterte an seiner Konsequenz. Er meint, es stünde ihm nicht zu, sich zu seinem Nachfolger zu äußern, gleich, was selbsternannte Auguren in seine Worte hineinzudeuteln versuchen. Er lebt als Einsiedler, betend und von der Welt abgewandt. Nur den Gefallen, diese Welt ganz zu verlassen, tut er, Gott sei Dank, einem Püttmann und Seinesgleichen noch lange nicht.

Ein Kondolenzschreiben für einen verstorbenen Freund ist jedenfalls kein Indiz, dass Benedikt XVI. „wieder die Öffentlichkeit sucht“, als müssten da sofort alle Alarmglocken läuten. Verantwortlich sei, so Püttmann, „seine Entourage, deren Einfluss und Geltung an seiner bleibenden Präsenz hängt.“ So als würde sich der emeritierte Papst so einfach – und zu welchem Zweck? – instrumentalisieren lassen.

Mit diesem Beitrag hat sich Püttmann menschlich und journalistisch disqualifiziert. Er stellt sich über den emeritierten Papst und will ihm Nachhilfe in Stilfragen geben, übersieht aber, dass er dabei seinem Nachfolger einen Bärendienst erweist. Während Franziskus demonstrativ auf Kontinuität setzt, will Püttmann verkrampft den Lagerkampf. Dabei wird er gerne zum willigen Lohnschreiber jener Kräfte, denen Benedikt XVI. stets ein Dorn im Auge war, weil er ihren Bemühungen um eine protestantisierte deutsch-katholische Kirche im Wege stand, die sich gemütlich an den Fleischtöpfen der Kirchensteuer labt und dabei gerne zu Dienern der Mächtigen wird. Eine verweltlichte Kirche, wie sie Benedikt XVI. schon 2011 in Freiburg kritisiert hat und der auch Franziskus den Kampf ansagte. Das Niedrige schafft und will also Püttmann mit seiner Vision einer bequemen da relativistischen Reform-Kirche. Dass er den großen Benedikt XVI. nie verstanden hat und nie verstehen wird, weil er ihn intellektuell und moralisch überfordert, hat er mit diesem Machwerk noch einmal bewiesen.

P.S. Ein kritischer Leserkommentar von mir wurde nach nur wenigen Stunden von katholisch.de gelöscht. Dort glaubt man wohl, seinen Autor vor Kritik schützen zu müssen. Man täte gut daran, ihn zunächst einmal vor sich selber zu schützen.

Papst em. Benedikt XVI. – Gedenkwort für Kardinal Meisner


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