Hinein in den Abgrund des Geheimnisses Jesu Christi

24. Oktober 2017 in Aktuelles


Franziskus in Santa Marta: Christus, der Gekreuzigte, Mittelpunkt der Geschichte und meines Lebens. Das Geheimnis Christi kann nicht erklärt werden. Die Begegnung mit dem Herrn, der mich liebt, muss gelebt werden. Von Armin Schwibach


Rom (kath.net/as) Die erste Lesung aus dem Brief an die Römer (Röm 5,12.15b.17-19.20b-21) bildete den Ausgangspunkt der Predigt von Papst Franziskus bei der heiligen Messe in der Kapelle des vatikanischen Gästehauses „Domus Sanctae Marthae“ am Dienstag der 29. Woche im Jahreskreis. Der heilige Paulus benutze in seinem Schreiben Entegegensetzungen – Sünde, Ungehorsam, Gnade, Vergebung –, um uns etwas verstehen zu lassen. Er fühle, dass er nicht imstande sei, zu „erklären“, was sein Anliegen sei. Hinter all diesem stehe die Heilsgeschichte.

Da es also an Worten fehle, die ausreichend seien, um Christus zu erklären, „stoße“ uns Paulus, er „schleudert uns, damit wir in das Geheimnis Christi fallen“. Diese Entgegensetzungen seien also nur Schritte auf dem Weg, um in das Geheimnis Christi einzutauchen, dessen Verständnis nicht leicht sei, das es so „überreich ist“, so großzügig, dass es nicht mit Argumenten zu begreifen sei, denn diese ließen nur bis zu einem gewissen Punkt vorstoßen. Um zu verstehen, „wer Jesus Christus für dich, für mich, für uns ist“, müsse man also in dieses Geheimnis eintauchen.

An einer anderen Stelle sage Paulus mit Blick auf Jesus Christus: „Er liebte mich und gab sich für mich hin“. Und er merke an, dass sich vielleicht jemand finden lasse, der bereit sei, für einen gerechten Menschen zu sterben. Doch allein Jesus Christus wolle „für einen Sünder wie mich“ das Leben geben. Mit diesen Worten versuche der Apostel, uns in das Geheimnis Christi eintreten zu lassen, was nicht leicht, sondern eine Gnade sei.

Sowohl die kanonisierten Heiligen als auch die im alltäglichen Leben verborgenen Heiligen hätten dies gut verstanden, demütige Menschen, die ihre Hoffnung allein auf den Herrn gesetzt hätten. Sie seien in das Geheimnis Jesu Christi, des Gekreuzigten, eingetreten, „das ein Wahnsinn, eine Torheit ist“, wie Paulus sage. Er merke jedoch an: wenn ich mich etwas rühmen sollte, dann „allein meiner Sünden und Jesu Christi, des Gekreuzigten“, nicht des Studiums mit Gamaliel in der Synagoge und nichts anderen. „Das“, so der Papst, „ist ein weiterer Widerspruch, der zum Geheimnis Jesu, des Gekreuzigten, in Dialog mit meinen Sünden führt“.

„In das Geheimnis Jesu Christi eintreten ist mehr, es heißt, sich in jenen Abgrund der Barmherzigkeit hinabgehen zu lassen, wo es keine Worte gibt: nur die Umarmung der Liebe. Die Liebe, die ihn zum Tod für uns führte. Wenn wir zur Beichte gehen, weil wir gesündigt haben – ja, ich muss die Sünden von mir nehmen, sagen wir. Oder: ‚Gott vergebe mir meine Sünden!’ –, dann gehen wir hin, sagen die Sünden dem Beichtvater und sind ruhig und zufrieden. Wenn wir das so tun, dann sind wir nicht in das Geheimnis Jesu Christi eingetreten. Wenn ich zum Beichten gehe, dann gehe ich, um Jesus Christus zu begegnen, um in das Geheimnis Jesu Christi einzutauchen, um in jene Umarmung der Vergebung einzutreten, von der Paulus spricht, der Unentgeltlichkeit der Vergebung“.

Auf die Frage, „wer Jesus für dich ist“, könnte man antworten: „der Sohn Gottes“. Man könnte das ganze Glaubensbekenntnis aufsagen, den ganzen Katechismus, und alles ist wahr, aber man komme dann an einen Punkt, an dem es uns nicht gelänge, das Zentrum des Geheimnisses Jesu Christi zu sagen, jenes „er liebte mich“ und „er schenkte sich selbst für mich“. „Das Geheimnis Jesu Christi zu verstehen ist keine Angelegenheit des Studiums“, so Franziskus, denn „Jesus Christus wird allein durch reine Gnade verstanden“.

Der Papst verwies dann auf eine Frömmigkeitsübung, die hilfreich sei: den Kreuzweg. Dieser bestehe darin, mit Jesus in dem Augenblick zu gehen, in dem er uns „die Umarmung der Vergebung und des Friedens schenkt“:

„Es ist schön, den Kreuzweg zu beten. Es zuhause zu tun und an die Momente der Passion des Herrn zu denken. Auch die großen Heiligen rieten immer dazu, das geistliche Leben mit dieser Begegnung mit dem Geheimnis Jesu, des Gekreuzigten, zu beginnen. Die heilige Theresa riet es ihren Schwestern: um zum Gebet der Kontemplation zu gelangen, besteht da das hohe Gebet, das sie hatte, darin, mit der Betrachtung des Passion des Herrn zu beginnen. Das Kreuz mit Christus. Christus am Kreuz. Anfangen und denken. Und so versuchen, mit dem Herzen zu begreifen, dass ‚er mich liebte und sich selbst hingab für mich’, dass er ‚sich selbst dem Tod überließ für mich’“.

In der ersten Lesung wolle uns Paulus gerade in jenen Abgrund des Geheimnisses Christi hineinführen:

„Ich bin ein guter Christi, ich gehe sonntags zur Messe, ich tue Werke der Barmherzigkeit, ich verrichte die Gebete, ich erziehe meine Kinder gut’: das ist alles sehr gut. Ich frage: ‚Du tust all dies: aber bist du in das Geheimnis Jesu Christi eingetreten?’. Das, was du nicht kontrollieren kannst... Wir wollen den heiligen Paulus bitten, einen wahren Zeugen, einen, der Jesus Christus begegnet ist und der es zugelassen hat, von ihm angetroffen zu werden, und der in das Geheimnis Jesu Christi eingetreten ist: wir wollen zu ihm, Paulus, beten, dass er uns die Gnade schenke, in das Geheimnis Jesu Christ einzutreten, der uns liebte, der sich selbst dem Tod überlassen hat für uns, der uns vor Gott gerecht gemacht hat, der alle Sünden vergeben hat, auch die Wurzeln der Sünde: in das Geheimnis des Herrn einzutreten“.

Abschließend lud der Papst dazu ein, auf den Gekreuzigten zu blicken, „die Ikone des größten Geheimnisses der Schöpfung, von allem: Christus, der Gekreuzigte, Mittelpunkt der Geschichte, Mittelpunkt meines Lebens“.

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