Wer nimmt die Babies, wer gibt ihnen ein Zuhause?

3. November 2017 in Kommentar


Wenn man adoptiert, dann rettet man nicht nur ein Menschenleben, man demonstriert dieser dunklen Welt das Vaterherz Gottes - BeneDicta am Freitag von Inka Hammond


Linz (kath.net)
In den letzten Jahren wurde ich vermehrt mit dem Thema Adoption konfrontiert. Mein Schwager und seine Frau leben in den USA, haben bereits vier leibliche Kinder und haben trotzdem drei weitere adoptiert. Freunde von uns haben ebenfalls eigene Kinder und sind gerade im Prozess ein Kind aus Haiti zu adoptieren. Vor einigen Tagen sah ich einen Beitrag im Internet, wo von einer Familie berichtet wurde, die als drittes Kind ein Baby mit Down Syndrom adoptierten.

Lange Zeit war für mich Adoption ein Thema, das mich nicht persönlich angeht. In unseren Breitengraden ist es erstens kaum bezahlbar und zweitens scheint es auch nur ‚Sinn‘ zu machen, wenn man keine eigenen Kinder bekommen kann.
Aber meine Meinung ändert sich. In Washington DC, USA fand vor kurzem eine große Demonstration statt. Es war eine Gegenveranstaltung zu jenen Anti-Trump Märschen, die von Frauenorganisationen kurz nach der Wahl des US Präsidenten weltweit veranstaltet wurden. Ich hatte damals dazu einen Kommentar im Rahmen von Benedicta geschrieben. Den Frauen ging es lediglich um die eigenen Rechte, das Recht abtreiben zu dürfen stand da scheinbar über allem. Diese Veranstaltung nun konnte gegensätzlicher nicht sein.

Frauen standen zu tausenden für das Leben von den Ungeborenen auf. Es gibt kaum etwas urweiblicheres, als für das Leben zu kämpfen. Vieles wurde live im Internet übertragen und ich schaltete zufällig ein, als über Adoption geredet wurde. Mir liefen die Tränen über die Wangen, als ich Frauen darüber berichten hörte, wie Gott ihre Familie rief ein Kind zu adoptieren. Bei manchen waren es sogar mehrere Kinder. Ich hörte ihnen zu, wie sie von finanziellen Opfern redeten, von Schwierigkeiten, aber auch von dem übergroßen Segen, der über ihre Familie gekommen ist, als sie diesen heimatlosen Kindern ein Zuhause schenkten. Als die Frauen vor dem Supreme Court gegen Abtreibung demonstrierten, kam eine Gegendemonstrantin und spuckte einer der Leiterinnen diesen Satz förmlich ins Gesicht: ‚Was wollt ihr denn mit all den Babies?‘ Und diese Frau sagte später auf der Bühne: ‚Die Antwort der Kirche ist Adoption. Wir nehmen die Babies. Wir geben ihnen ein Zuhause.‘

Ist das amerikanisches Wohlfühlevangelium? Klingt das nur gut, ist aber nicht umsetzbar? Mich lassen diese Gedanken nicht los. Was wäre, wenn das genau die richtige Antwort ist…
Ich liebe es zu träumen und unkonventionelle Gedanken zu denken. ‚Out oft he box‘ sozusagen. Deswegen bitte ich Sie hier, mit mir mitzugehen, auch wenn es vielleicht erstmal unrealistisch erscheinen mag: was wäre, wenn christliche Familien hierzulande sich zu hunderten, zu tausenden dazu entschließen würden, ein Kind zu adoptieren? Oder zwei? Und nicht nur die gesunden Kinder, auch die behinderten? (Was übrigens auch mein Schwager und seine Frau gemacht haben: sie adoptierten einen Jungen mit Herzproblemen. Wäre er nicht adoptiert worden, wäre er mit großer Sicherheit nicht mehr am Leben. Das nur am Rande…).

Was wäre, wenn die, die kein Kind adoptieren können oder wollen, großzügig die Familien finanziell unterstützen, die ein Kind bei sich aufnehmen möchten? Was wäre, wenn die Jugendämter und die Adoptionsvermittlungsstellen überrannt werden würden von adoptionswilligen Familien? Was wäre, wenn christliche Vermittlungsstellen wie Pilze aus dem Boden schießen würden? Was wäre wenn Organisationen, wie 1000plus, die Frauen helfen, sich gegen eine Abtreibung zu entscheiden, eben diesen Frauen Fotos von Familien zeigen könnten, die mehr als bereit wären, einem Kind ein intaktes, liebevolles Zuhause zu geben? Kann es sein, dass wir zu lange über das schreckliche Unrecht Abtreibung lamentiert haben, dass wir verpasst haben, die Antwort zu sein?

Wir dürfen uns ein Vorbild an den USA nehmen. Dort ist Adoption weit verbreitet und wird von vielen Christen selbstverständlich unterstützt. Wenn eine Familie ein Kind adoptieren möchte, dann werden z.B. Flohmärkte veranstaltet und Kuchen gebacken und der Erlös der Familie gespendet. Onlineforen, wo man bequem und unkompliziert spenden kann, werden eingerichtet.

Da wird gemeinsam gefeiert, wenn die Familie mit dem Kind am Flughafen ankommt. Adoption scheint dort vielmehr im Zentrum des christlichen Werteverständnisses zu stehen, als bei uns. Ich wünsche mir sehr, dass sich das ändert.
Wir als Familie denken intensiv darüber nach, ob wir ein Kind adoptieren sollen. Wir beten, ob das unser Ruf ist. Mittlerweile denke ich, dass das jede christliche Familie tun sollte - sich ehrlich fragen, ob Adoption ein Teil der Familienberufung ist.

Und wenn wir an den Punkt kommen, wo wir sagen, dass wir nicht dazu berufen sind, dann weiß ich jetzt schon, dass wir mit Sicherheit dazu gerufen sind, finanziell andere Familien freizusetzen, dass sie adoptieren können. Adoption kann für viele möglich werden, wenn wir alle unseren Platz einnehmen!
Ich glaube, dass Adoption Gottes Herzschlag ist. Er ist der Vater aller Vaterschaft, der uns Waisenkinder in seiner großen Barmherzigkeit aufgenommen hat.

Wenn man adoptiert, dann rettet man nicht nur ein Menschenleben, man demonstriert dieser dunklen Welt das Vaterherz Gottes. Wir haben bisher vielleicht gedacht, Adoption dreht sich um die Eltern, die sich einen langgehegten Kinderwunsch erfüllen. Ein Vorrecht der Doppeltverdiener. Aber Adoption ist am Ende des Tages ein Opfer, ein sich-hingeben für ein Kind, ein Aufgeben von idealen Vorstellungen. Genau wie bei jedem leiblichen Kind.

Ich habe meinen Schwager einmal gefragt, ob er seinen adoptierten Sohn genau so lieben kann, wie seine eigenen Kinder. Seine Antwort hat mein Herz getroffen: ‚Es fällt mir sogar viel leichter ihn zu lieben. Weil ich weiß, wo er wäre, wenn wir ihn nicht aufgenommen hätten.‘


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