Papst Franziskus würdigt Benedikt XVI. als "Meister"

18. November 2017 in Aktuelles


Papst Franziskus: Der emeritierte Papst Benedikt XVI. sei nach wie vor ein Lehrmeister für alle, "die das Geschenk der Vernunft nutzen, um auf den Ruf der Menschen zur Suche nach der Wahrheit zu antworten" - Die Ansprache im Wortlaut - VIDEO


Vatikanstadt (kath.net/KAP) Papst Franziskus hat seinen Vorgänger im Amt, den emeritierten Papst Benedikt XVI. (2005-2013/ Archivfoto) als "Meister und freundlichen Gesprächspartner" aller, die auf der Suche nach der Wahrheit sind, gewürdigt. Der 90-jährige Joseph Ratzinger sei nach wie vor ein Lehrmeister für alle, "die das Geschenk der Vernunft nutzen, um auf den Ruf der Menschen zur Suche nach der Wahrheit zu antworten", sagte Franziskus am Samstag im Vatikan. Er würdigte Benedikt XVI. anlässlich der Verleihung des diesjährigen Ratzinger-Preises.

Gemeinsam mit den Teilnehmern der Zeremonie wolle er dem Namensgeber des Preises herzlich und intensiv gedenken, der durch sein "Gebet und seine diskrete und ermutigende Präsenz" alle auf dem gemeinsamen Weg unterstütze, so Franziskus. Benedikt selbst nahm nicht an der Zeremonie teil, hatte die Preisträger jedoch am Vortag privat im Vatikan empfangen.

Der Bonner Theologe Karl-Heinz Menke sagte im Interview mit "Kathpress" am Samstag, das Treffen sei "sehr bewegend" gewesen. Benedikt habe mit ihm und den weiteren Preisträgern über die Ökumene diskutiert, eine kleine Ansprache gehalten und seinen Segen erteilt. Er habe "sehr gelöst und heiter" gewirkt und sei geistig extrem fit gewesen: "Er hatte alle Namen und Daten präsent". Natürlich sei Benedikt als 90-jähriger etwas gebrechlicher als früher, aber er habe ihn als "ungeheuer lebendig und frisch" erlebt. Ähnlich äußerte sich Papst Franziskus in seiner Ansprache bei der Preisverleihung über Benedikts Wirken: "Sein Werk und sein Lehramt sind weiterhin ein lebhaftes und wertvolles Erbe für die Kirche und unseren Dienst."

Preisträger aus drei unterschiedlichen Konfessionen

Mit Blick auf die diesjährigen Preisträger unterstrich Franziskus, dass sie drei unterschiedlichen christlichen Konfessionen angehören: Der Bonner Theologe Karl-Heinz Menke ist Katholik, der in Straßburg lehrende Theologe Theodor Dieter Protestant und der estnische Komponist Arvo Pärt orthodoxer Christ. Im Reformationsgedenkjahr habe die katholische Kirche 2017 "besonders bedeutende Momente der Begegnung und des gemeinsamen Wegs" mit den Lutheranern erlebt.

Alle drei Gewinner des auch als "Nobelpreis der Theologie" bezeichneten Preises würdigte Franziskus für ihren Einsatz zur "Förderung der theologischen Forschung und ihren kulturellen Einsatz, genährt vom Glauben und einem auf Gott ausgerichten Geist".

Die "Vatikanische Stiftung Joseph Ratzinger - Benedikt XVI." verlieh den Ratzinger-Preis am Samstag zum siebten Mal. Die Laudatio in der Sala Clementina des Apostolischen Palasts hielt der Präfekt des Päpstlichen Einheitsrates, der Schweizer Kurienkardinal Kurt Koch.


Die Ansprache im Wortlaut:

Liebe Brüder und Schwestern,

ich freue mich über diese Begegnung mit Ihnen im Rahmen der alljährlichen Verleihung der Preise an die herausragenden Persönlichkeiten, die mir von der Vatikanischen Stiftung Joseph Ratzinger – Benedikt XVI. und ihrem Wissenschaftskomitee vorgestellt wurden. Mein besonderer Gruß geht an die Preisträger sowie an die Mitglieder und Freunde der Stiftung. Ich danke Kardinal Kurt Koch und Pater Lombardi, die uns die Bedeutung dieses Moments nahe gebracht haben, der den Höhepunkt unter Ihren Aktivitäten darstellt. Diese haben ja die Förderung der theologischen Forschung und des kulturellen Engagements, das vom Glauben und dem Streben der Seele zu Gott getragenen ist, zum Ziel.

In Ihrer aller Namen richte ich einen ganz herzlichen Gruß an den emeritierten Papst Benedikt. Sein Gebet und seine diskrete, Mut machende Präsenz begleiten uns auf unserem gemeinsamen Weg. Sein Lehramt und sein Werk sind der Kirche und unserem Dienst auch weiter ein lebendiges und wertvolles Erbe. Gerade deshalb lade ich Ihre Stiftung ein, nicht nachzulassen in ihrer Aufgabe, dieses Erbe zu studieren und zu vertiefen und gleichzeitig nach vorn zu blicken. So nämlich kann sie die Fruchtbarkeit dieses Erbes mit der Exegese der Schriften Joseph Ratzingers zur Geltung bringen als auch das Studium und die theologische und kulturelle Forschung in seinem Geist fortführen und dabei auch in neue Bereiche vordringen, in denen die heutige Kultur den Glauben zum Dialog auffordert. Das Bedürfnis nach diesem Dialog ist für den menschlichen Geist stets dringend und vital: der Glaube braucht ihn, denn er sondert sich ab, wenn er nicht Fleisch annimmt in der Zeit. Die Vernunft braucht ihn, denn sie verliert die Menschlichkeit, wenn sie sich nicht zum Transzendenten erhebt. Denn, so sagte der heilige Johannes Paul II., »Glaube und Vernunft sind wie die beiden Flügel, mit denen sich der menschliche Geist zur Betrachtung der Wahrheit erhebt« (Enzyklika Fides et ratio, Proömium).

Joseph Ratzinger ist nach wie vor ein Lehrmeister, Freund und Bezugspunkt für all jene, die sich das Geschenk der Vernunft zunutze machen, um der menschlichen Berufung der Wahrheitssuche entsprechen zu können. Als ihm der selige Paul VI. das verantwortungsvolle Amt des Erzbischofs von München und Freising übertragen hat, machte er „Cooperatores veritatis“ – „Mitarbeiter der Wahrheit“ zu seinem Wahlspruch. Dieses Wort aus dem Dritten Johannesbrief (Vers 8) bringt den inneren Sinn seines Wirkens und seines Dienstes ganz zum Ausdruck. Das Motto steht auch auf den Preisurkunden, die ich soeben verliehen habe, zum Zeichen dafür, dass auch die Preisträger ihr Leben der hohen Sendung gewidmet haben, der Wahrheit zu dienen, in den Dienst an der Wahrheit gestellt haben: veritatis diaconia.

Ich freue mich, dass die bedeutenden Persönlichkeiten, die heute ausgezeichnet wurden, aus drei christlichen Konfessionen kommen, darunter auch die lutherische, mit der wir dieses Jahr bedeutende Begegnungen und Momente des gemeinsamen Weges erlebt haben. Die Wahrheit Christi ist nichts für Solisten – sie ist symphonisch: was sie braucht, ist lernbereite Zusammenarbeit und einmütiger Austausch. Sie zu suchen, zu studieren, zu betrachten und – in der Liebe – gemeinsam in die Tat umzusetzen, lässt uns unweigerlich nach voller Gemeinschaft streben: so wird die Wahrheit zu einer lebendigen Quelle immer inniger werdender Bande der Liebe.

Mit Freude habe ich die Idee begrüßt, den Horizont der Preisverleihung zu erweitern und neben der Theologie und der mit ihr verwandten Wissenschaften auch die Künste zu prämieren. Diese „Horizonterweiterung“ ist ganz im Sinne Benedikts XVI., der so oft und auf so berührende Weise von der Schönheit als dem privilegiertem Weg gesprochen hat, der uns für die Transzendenz öffnet und zur Begegnung mit Gott führt. Besonders bewundert haben wir seine Sensibilität für die Musik – eine Kunst, die er auch selbst praktiziert hat als einen Weg der Unbeschwertheit und Erhebung des Geistes.

Mir bleibt nur noch, den verehrten Preisträgern meine Gratulation auszusprechen: Professor Theodor Dieter, Professor Karl-Heinz Menke und Maestro Arvo Pärt. Ihrer Stiftung und allen ihren Freunden wünsche ich, dass sie auch in Zukunft neue und immer weitere Wege beschreiten mögen, um zur Forschung, zum Dialog und zur Erkenntnis der Wahrheit beizutragen. Einer Wahrheit, die – wie uns Papst Benedikt XVI. immer wieder ins Gedächtnis gerufen hat – in Gott logos und agape, Vernunft und Liebe zugleich ist, Fleisch geworden in der Person Jesu.

Papst Franziskus - Audienz für die ´Joseph Ratzinger - Papst Benedikt XVI.-Stiftung´ am 18.11.2017


Archivfoto: Papst Benedikt XVI.


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