Bioethik-Expertin: Palliativbetreuung darf kein Luxus sein

21. November 2017 in Aktuelles


IMABE-Geschäftsführerin Susanne nahm im Auftrag der Österreichischen Bischofskonferenz an Vatikan-Tagung zu medizinischen und ethischen Fragen am Lebensende teil


Vatikanstadt (kath.net/KAP) Palliativbetreuung am Lebensende darf kein Luxus sein: Diese Forderung kommt von den Teilnehmern an der Vatikantagung zu medizinischen und ethischen Fragen am Lebensende, die am Freitag zu Ende gegangen ist. Im Gegenzug dürften "weder Tötung auf Verlangen noch der assistierte Suizid zu einer medizinischen Dienstleistung" verkommen. Das betonte Susanne Kummer nach der Tagung im Interview mit "Radio Vatikan" am Samstag. Kummer ist Geschäftsführerin des Wiener IMABE-Instituts für medizinische Anthropologie und Bioethik und hat im Auftrag der Österreichischen Bischofskonferenz an der Tagung teilgenommen.

"Interessant und neu" für eine Vatikankonferenz sei gewesen, dass auf dem Panel beispielsweise von den Kollegen aus Holland, aus Belgien, teilweise auch von den Kollegen aus Deutschland Positionen vertreten wurden, die für die Legalisierung der Tötung auf Verlangen, der Euthanasie bzw. des assistierten Suizids eingetreten seien. "Die Debatte ist da durchaus heiß gelaufen." Insgesamt gebe es aber einen großen Widerstand von Seiten der Ärzte, sich als Helfershelfer zum Wunsch auf Tötung auf Verlangen oder assistierten Suizid instrumentalisieren zu lassen, betonte Kummer.

"Keine medizinische Indikation für die Tötung von Patienten"

Ärzte sehen sich "auf der Seite des Lebens" und als Begleiter ihrer Patienten, das sei der Konsens unter den meisten Tagungsteilnehmern gewesen. "Sie haben therapeutische Ziele im Auge und wenn Therapie nicht mehr möglich ist, dann Symptomlinderung," führte Kummer weiter aus. "Es war eine ganz klare Ansage dieser Konferenz: Weder Tötung auf Verlangen noch der assistierte Suizid dürfen eine medizinische Dienstleistung werden. Denn sie sind genuin keine Aufgabe des Mediziners und Tötung ist keine medizinische Therapie. Es gibt keine Indikation dafür."

Gleichzeitig sei jedoch mit der Legalisierung von assistiertem Suizid eine "normative Verschiebung" zu beobachten, gab die Bioethikerin im Blick auf die Entwicklungen in den Niederlande zu bedenken, wo es jährlich über sechstausend Todesfälle durch Euthanasie gebe. Dabei könne man eine Ausweitung des Spektrums auf depressive, demente Personen erkennen, die möglicherweise vom zuständigen Hausarzt wegen ihres Ansuchens auf Tötung auf Verlangen abgewiesen worden sind, die dann aber in sogenannten Lebensende-Kliniken landen, wo andere Ärzte diesem Gesuch sehr wohl nachkämen. "Erschreckenderweise bekommen 33 Prozent derjenigen, die Demenz-Patienten sind, dort dann letztlich ihren Wunsch erfüllt", so Kummer.

Gewissensvorbehalt verstärkt unter Druck

Eine derartige Legalisierung bringe Ärzte in starke Schwierigkeiten. Denn der "Gewissensvorbehalt", der in der Theorie einem Arzt die Möglichkeit gebe, aktive Sterbehilfe abzulehnen, sei in der Praxis kaum aufrecht zu erhalten. Anhand konkreter Beispiele eines Kongressteilnehmers aus Belgien, sei deutlich geworden, dass die ärztliche Gewissensklausel in diesen Ländern nicht immer respektiert werde. In jenen Ländern, wo Sterbehilfe rechtlich möglich sei, gebe es inzwischen eine "schiefe Ebene", so Kummer. "Wir sehen inzwischen, dass von den Ausnahmen Ausnahmen und wieder Ausnahmen gemacht wurden, so dass wir jetzt eine Ausweitung der Regel haben, die quasi schon ins Uferlose geht."

Diese drängenden Fragen müssten auch in der Ausbildung der Ärzte verstärkt einbezogen werden, befand Kummer. Es sei daher wichtig, dass Papst Franziskus in seiner Botschaft für die Konferenzteilnehmer vor einem therapeutischen Übereifer gewarnt hatte. Denn: "Es herrscht tendenziell der Trend, wenn ich etwas tue, wenn ich auf der Seite des Machens bin, dann bin ich auf der sicheren Seite; wenn ich auf der Seite des Lassens oder des Unterlassens bin, dann bewege ich mich im Graubereich. Das stimmt so nicht."

Durch die verbesserte Ausbildung sei bei vielen Ärzten die Sicherheit gewachsen, dass man am Lebensende des Patienten zwar nicht mehr "alles machen", aber trotzdem "noch viel zu tun" sei. "Man spricht in der Palliativmedizin von der Therapiezieländerung. Auch wenn ich dem Patienten therapeutisch nichts mehr anbieten kann, kann ich in Form der Symptomkontrolle, der Schmerzlinderung, aber auch des psychischen und seelischen Beistands noch sehr viel für ihn machen. Das war ein wichtiger Aspekt dieser Konferenz: Der Arzt muss anerkennen, dass er in seiner Profession an Grenzen stößt", sagte die Bioethik-Expertin.

In der Palliativmedizin sei zudem allgemein anerkannt, dass der seelische Beistand einen positiven Effekt auf das Schmerzempfinden habe. Ein "ganzheitliches Bild des Menschen" müsse daher in der Ausbildung der Ärzte Thema sein, die sich zudem mit ihrer eigenen Endlichkeit auseinander setzen sollten. Palliativversorgung brauche professionelle Kompetenz. Man könne noch viel für einen Menschen tun, auch wenn keine Aussicht auf Heilung besteht. Dazu gehörten Maßnahmen zur Schmerzlinderung und zur angemessenen Pflege. "Hier braucht man ein sehr professionelles Management, um den Sterbenden die Symptome zu erleichtern, um eine friedvolles und ein würdevolles Sterben zu ermöglichen", so Kummer.

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