Ad-limina: Ungarns Primas berichtet über Exodus nach Westeuropa

25. November 2017 in Weltkirche


Mitglieder der Bischofskonferenz mit Primas Erdö und Vorsitzendem Veres wurden vom Papst empfangen - Konferenzsekretär Mohos: Zweistündiges Gespräch der Bischöfe mit Franziskus "sehr offen und spontan".


Rom (kath.net/ KAP)
Europa macht aus Sicht des ungarischen Primas Kardinal Peter Erdö zu wenig Fortschritte bei der Angleichung der Lebensbedingungen der Menschen in Ost und West. Auch in Ungarn seien beim Lebensstandard die Unterschiede zu anderen EU-Ländern immer noch gut erkennbar, sagte der Erzbischof von Esztergom-Budapest in einem Interview mit Radio Vatikan aus Anlass des dieswöchigen Ad-limina-Besuchs der Mitglieder der Ungarischen Bischofskonferenz (MKPK). Vielen im Westen sei "nicht bewusst, wie die Ungarn heute leben".

Das Durchschnittsgehalt in Ungarn betrage bis heute im Durchschnitt nur ein Viertel von jenem in Deutschland, so der Kardinal. "Das war vor 25 Jahren genauso." Die junge Generation von Gebildeten, Intellektuellen und Facharbeitern gehe aus diesem Grund in den Westen. "Das führt zu einem Fachkräftemangel in Ungarn. Das ist auch ein Problem im pastoralen Leben der Kirche", sagte Erdö. Der Exodus nach Westeuropa sei natürlich auch in den Gesprächen im Vatikan ein Thema gewesen.

Der Kardinal hält sich noch bis Freitag zusammen mit allen anderen ungarischen Bischöfen zum Ad-limina-Besuch im Vatikan auf. Am Montag wurden die Mitglieder der Bischofskonferenz mit ihrem Vorsitzenden Diözesanbischof Andras Veres vom Papst empfangen. Thema dabei war auch der Umgang mit Menschen auf der Flucht.

"Ungarn ist kein attraktives Land für die Massenmigration. Alle wollen nach Westen, vor allem nach Deutschland", sagte Erdö dazu im Gespräch mit Radio Vatikan. Die Ungarn wollten verfolgten Christen und allen Flüchtlingen, die vor Terrorismus und Krieg fliehen, helfen, betonte der Kardinal. Dabei setze man vor allem auf Hilfe vor Ort.

So habe die katholische Kirche in Ungarn eine große Spendenaktion durchgeführt und konnte im Nordirak eine Schule errichten, schilderte Erdö: "Im Augenblick finanzieren wir den Wiederaufbau eines Dorfes, das der Islamische Staat zuvor eingenommen hatte. Mit dem Rückzug der Terroristen können die Christen dort wieder ihre Heimat aufbauen."

Boom beim Religionsunterricht

Aus kirchlicher Sicht gebe es in seiner Heimat mehrere erfreuliche Entwicklungen, berichtete Erdö: "Es ist vorgesehen, dass in den öffentlichen Schulen die Kinder bzw. deren Eltern entscheiden sollen, ob sie an einem Ethikunterricht oder am Religionsunterricht teilnehmen sollen. Über die Hälfte der Schüler hat den katholischen Religionsunterricht gewählt. Das bedeutet aber, dass wir sehr viele katholische Katecheten und Religionslehrer brauchen."

Ein weiteres positives Arbeitsfeld für die Kirche in Ungarn betrifft die Romapastoral. Da sei die Ungarische Bischofskonferenz derzeit dabei, eine Bibelübersetzung und liturgische Texte in Lovari-Romanes auszuarbeiten, deren Approbierung nun aufgrund der neuen Regelungen des Motu propio "Magnum principium" einfacher werde, so Erdö.

Der Kardinal berichtete weiters, dass die Bischöfe dem Papst für den Abschluss des Seligsprechungsprozesses des Zisterziensers Pater Janos Brenner (1931-1957) gedankt hätten. Er wurde in der Zeit der Kirchenverfolgung bei einem Krankenbesuch ermordet. Bis 1989 durfte Brenners Tod nicht öffentlich erwähnt werden, doch am vergangenen 8. November 2017 hatte Papst Franziskus das Martyrium des Ordensmannes als Voraussetzung für dessen Seligsprechung bestätigt.

Papst machte Mut

Im Interview mit der ungarischen Redaktion von Radio Vatikan äußerte sich auch MKPK-Sekretär Gabor Mohos. Seinen Worten zufolge war das zweistündigen Gespräch der Bischöfe mit Papst Franziskus sehr offen und spontan. "Der Heilige Vater hörte jedem Bischof aufmerksam zu, reagierte auf alle Äußerungen. Einige bestärkte er in ihrer Meinung, und er ergänzte sie mit seiner eigenen Auffassung. Alles in allem war Papst Franziskus den Bischöfen gegenüber ermutigend. Zu Beginn des Treffens versicherte er den ungarischen Oberhirten, dass es kein Tabuthema gebe, über alles könne man offen sprechen", so Mohos.

Im Mittelpunkt seien Fragen zur Kirche in der modernen Welt und die Herausforderungen der Seelsorge gestanden. Mohos betonte im Interview, dass es eine tiefe Übereinstimmung zwischen dem Heiligen Vater und den Bischöfen gegeben habe. Der MKPK-Sekretär zeigte sich überzeugt, dass Katholisch-Sein bedeute, "mit dem Papst und seinem Glauben im Einklang zu stehen".

Messe in der Capella Ungherese

Am Dienstag feierten die Bischöfe eine Messe in der Capella Ungherese in der Krypta des Petersdoms. Hauptzelebrant war Primaskardinal Erdö. In seiner Homilie hob er hervor: "Wir kamen zum Grab der Apostel als ihre Nachfolger. Wenn wir nach unserer Mission suchen, dann finden wir die Antwort in ihrem Beispiel. Auch wir haben die Aufgabe, den Menschen eine breitere Perspektive zu eröffnen, in der ihr Leben Sinn bekommt." Am Ende der Messe sprach der Primaskardinal über das Treffen mit Papst Franziskus: "Auch dieses Treffen bedeutete die Verstärkung und Erneuerung unserer Berufung."

Bei der Audienz am Montag hatte der Papst auch das Missionskreuz des Eucharistischen Weltkongresses 2020 In Budapest gesegnet. Das Kreuz soll ab dem heurigen Advent durch Ungarn getragen werden. "Möge diese Segnung ermöglichen, dass es zu einer geistlichen Erneuerung beiträgt, wofür wir alle beten", sagte Erdö beim Gottesdienst in der Capella Ungherese.

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