Linke sind die besseren Volkserzieher

28. November 2017 in Kommentar


Seit Jahren erklären uns linke Journalisten die Welt nicht nur völlig neutral, sondern sie verstehen dabei auch noch viel mehr von Machtkritik als die Kollegen vom rechten Rand. Diakrisis am Dienstag - Von Giuseppe Gracia


Chur (kath.net)
Was in Deutschland schon länger bekannt ist, wurde nun auch für die Schweiz zur Gewissheit. Die Zürcher Hochschule für angewandte Wissenschaften hat nach der Auswertung einer Journalismusstudie festgehalten: 70% der Journalisten beim Schweizer Radio und Fernsehen (SRF) sehen sich politisch links. Nur 16% bezeichnen sich als mitte-rechts oder rechts. Diese Linksdominanz gibt es auch in deutschen Medien, nicht nur beim öffentlich-rechtlichen Rundfunk, aber sie überrascht oder beunruhigt trotzdem niemanden. Denn Journalisten sind, wie wir wissen, sehr souveräne Wesen, die ihre persönlichen Überzeugungen an der Eingangstür zum Redaktionsalltag abgeben. Sie besitzen die Fähigkeit, das eigene Weltbild zu transzendieren. Sie wirken jenseits eigner Prägungen und Abneigungen auf der Hochebene professioneller Unvoreingenommenheit. Das bedeutet: linke Journalisten in Deutschland oder in der Schweiz hegen ausschliesslich in ihrer Freizeit Sympathien für Sozialismus und Angela Merkel, für geschlechtsneutrale Toiletten oder emanzipierte islamische Kopftücher. Ausserdem sind sie, im Vergleich zu den 16% der Kollegen aus dem rechten Lager, viel besser in der Lage, Machtverhältnisse kritisch zu hinterfragen. Weil nämlich, so ein Schweizer Medienprofessor anlässlich der Studie, die journalistische Kontrollfunktion viel stärker „mit einem linken gesellschaftspolitischen Gedankengut“ korreliert.

Nun wissen wir es also: seit Jahren erklären uns linke Journalisten die Welt nicht nur völlig neutral, sondern sie verstehen dabei auch noch viel mehr von Machtkritik als die Kollegen vom rechten Rand. Das ist logisch, wohnen doch die Mächtigen und Reichen in der Regel ebenfalls am rechten Rand, und die können ja nicht selber etwas von Machtkritik verstehen. Angesichts dieser Logik bleibt nur noch die Frage, was in Deutschland oder in der Schweiz geschehen würde, wenn sich umgekehrt rund 80% der Journalisten als mitte-rechts oder rechts bezeichneten. Würde man uns warnen vor einem landesweiten medialen „Rechtsrutsch“, vor einer diabolischen „Trumpisierung“ des Qualitätsjournalismus und also der Demokratie?

Fest steht jedenfalls, dass in unseren Breitengraden so etwas wie ein Linksrutsch niemals drohen kann, so wenig wie Rassismus, Faschismus oder Gewalt von links. Solche Dinge werden durch eine neutrale politische Korrekheit verhindert. Das ist ein Instrument, um bei typischen Links-Rechts-Kontroversen wie Migration, Globalisierung, Islam oder Gender Mainstreaming strapazierende argumentative Auseinandersetzungen zu vermeiden: man unterteilt die Diskursteilnehmer einfach in Gute, Fortschrittliche und in Reaktionäre, Faschistoide. Und dann wartet man, bis sich nur noch die Guten und Fortschrittlichen ans Licht der Öffentlichkeit getrauen.

Die Linken waren schon immer die besseren Erzieher und Volkspädagogen. Wenn sie ab und zu die Hochebene professioneller Unvoreingenommenheit verlassen und bürgerlich-konservative Mitmenschen als Klimaleugner anprangern, als Rassisten, Homophobe, Islamophobe oder Abtreibungshasser, dann geschieht das nur im Dienst der Machtkritik und einer gerechten Gesellschaft. Deswegen ist es auch unnötig, die mediale Linksdominanz zu problematisieren. Das Problem sind vielmehr wir, die Schüler, die noch nicht begriffen haben, wie heilsam unsere Lehrer wirken.

Giuseppe Gracia (50) ist Schriftsteller und Medienbeauftragter des Bistums Chur.


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