Radikale Muslime erzwingen Rücktritt von Pakistans Justizminister

27. November 2017 in Chronik


Gesellschaft für bedrohte Völker: "Schwarzer Tag" für Pakistans religiöse Minderheiten


Islamabad (kath.net/KAP) Der pakistanische Justizminister Zahid Hamid, dem radikale Muslime Gotteslästerung vorwerfen, ist nach schweren Zusammenstöße zwischen Sicherheitskräften und Demonstranten in mehreren Städten des Landes zurückgetreten. Hamid habe seinen Rücktritt eingereicht, um das Land aus der Krise zu führen, berichtete die staatliche Nachrichtenagentur APP am Montag.

In der Hauptstadt Islamabad blockierten Tausende Anhänger islamistischer Parteien zuvor seit zweieinhalb Wochen eine wichtige Straßenkreuzung. Mit der Blockade protestierten sie gegen eine von Hamid verfügte und inzwischen zurückgenommene Änderung des Amtseids der Parlamentarier, die sie als "blasphemisch" ansehen. Der Zorn hatte sich an dem Ersatz des Wortes "Eid" durch "Erklärung" entzündet. Darin sahen die Aktivisten eine Unterminierung der Rolle des Islam in Pakistan. Der Versuch der Änderung der Eidesformel ist aus ihrer Sicht nur der Anfang eines größeren Vorhabens der Regierung, die Stellung des Islam durch Maßnahmen wie eine Reform des Blasphemiegesetzes zu schwächen.

"Wenn schon der Justizminister vor willkürlichen Blasphemie-Vorwürfen nicht sicher ist, dann müssen sich Andersgläubige noch viel mehr um ihre Glaubensfreiheit und Sicherheit sorgen", kommentierte der Direktor der deutschen Gesellschaft für bedrohte Völker (GfbV), Ulrich Delius, am Montag in Göttingen die Ereignisse und befürchtete weitere Einschränkungen der Religionsfreiheit in Pakistan. Die umstrittenen Blasphemie-Vorschriften des Landes würden "systematisch auf allen Ebenen der Gesellschaft und Politik missbraucht, um Andersgläubige, politische Konkurrenten oder missliebige Nachbarn auszuschalten".

Delius sprach wörtlich von einem "Schwarzen Tag" für Pakistans religiöse Minderheiten. Der Rücktritt zeige die Macht des Militärs, dass sich geweigert habe, gegen religiöse Extremisten vorzugehen. Die Armee bedeute den Minderheiten damit auch, "dass sie nicht schützenswert sind", sagte der GfbV-Direktor. Es werde zudem deutlich, wie groß die Staatskrise sei und wie wenig das Militär die zivile Regierung im Streit mit religiösen Extremisten unterstütze.

Am Wochenende waren in Islamabad 8.500 Sicherheitskräfte mit Schlagstöcken und Tränengas gegen die Islamisten und ihre Blockadecamps vorgegangen und hatten einige von ihnen verhaftet. Die Demonstranten wehrten sich mit Knüppeln, Steinen und der Niederbrennung ihres Protestcamps gegen die Räumung, wie Fotos und Videoaufnahmen im Internet zeigen.

Bei den Zusammenstößen kamen mehrere Menschen ums Leben. Die Polizei brach schließlich ihr Eingreifen ab. Die pakistanische Armee erklärte sich zunächst bereit, die Sicherheitskräfte gegen die protestierenden Islamisten zu unterstützen und die Krawalle aufzulösen, zögerte aber, aktiv zu werden.

Die Regierung stimmte danach einer Sechs-Punkte-Vereinbarung mit den Islamisten zu, die auch den Rücktritt des Justizministers umfasst. "Wir haben eine Vereinbarung mit der Regierung getroffen, und wir werden das Sit-in heute beenden", sagte der Sprecher der religiösen Partei Tehreek-i-Labaik Ya Rasool Allah, Pir Zubair Kasrui, der Deutschen Presse-Agentur (dpa).

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