„Eine Minderheitsregierung – für fast vier Jahre?“

29. November 2017 in Interview


Der prominente CDU-Politiker Wolfgang Bosbach zu GroKo, Minderheitsregierung und Option zu Neuwahlen, aber auch zum FDP-Nein zu Jamaika. KATH.NET-Interview von Petra Lorleberg


Berlin (kath.net) „Wir brauchen eine stabile Regierung und eine lebendige Opposition“, eine Minderheitenregierung wäre „namentlich für Verhandlungen und Entscheidungen auf internationaler Ebene“ wenig „praktikabel“. Dies stellt CDU-Innenexperte Wolfgang Bosbach im kath.net-Interview fest. Der bekannte Politiker hat sich aus gesundheitlichen Gründen zur neuen Legislaturperiode aus dem Bundestag zurückgezogen.

kath.net: Herr Bosbach: Nach dem Jamaika-Aus gibt es nun drei Möglichkeiten: GroKo, Minderheitenregierung oder Neuwahlen. Was sehen Sie als die beste, was als die schlechteste Möglichkeit – und warum?

Bosbach: Die beste Alternative wäre die rasche Bildung einer stabilen Regierung, die vier Jahre hält und unser Land in eine gute Zukunft führt.

Eine Minderheitsregierung kann ich mir für eine begrenzte Zeit vorstellen, aber für fast vier Jahre?

Und was machen wir denn nach Neuwahlen, wenn das Ergebnis dem vom 24. September sehr ähnlich ist? Dann hätten wir die gleiche Lage wie heute.

kath.net: Gibt es Themen, die Sie persönlich in den Sondierungsgesprächen mit der SPD für CDU/CSU als unaufgebbar einstufen würden?

Bosbach: Ich halte nichts von öffentlichen Vor-Festlegungen, zumal die Parteien die Kernforderungen und wichtigsten politischen Anliegen der jeweils anderen Seite genau kennen.

In solchen Verhandlungen muss jede Seite wissen, was man der anderen Seite zumuten kann – und was nicht.

kath.net: Sie könnten sich also eine funktionierende Minderheitenregierung vorstellen? Wie dürfen wir uns das konkret denken?

Bosbach: Wenn überhaupt, dann nur mit größter Mühe. Jedenfalls wäre eine solche Konstruktion theoretisch interessanter als im politischen Alltag praktikabel. Dies gilt namentlich für Verhandlungen und Entscheidungen auf internationaler Ebene.

Wir brauchen eine stabile Regierung und eine lebendige Opposition.

kath.net: Es gibt öffentliche Kritik aus der CDU an Merkel, ihren engsten Vertrauten und der derzeitigen politischen CDU-Linie, etwa aus den Reihen der Jungen Union. Was ist davon zu halten?

Bosbach: Frage: wieso soll es der CDU helfen, wenn wir jetzt eine Personaldebatte führen, obwohl die Kanzlerin – nach wie vor – in der Partei und in der Fraktion großen Rückhalt spürt und sich bis zur Stunde niemand gemeldet hat, um sich als Nachfolger(in) in Stellung zu bringen?

kath.net: Herr Bosbach, kommt die CDU-interne Diskussionskultur zu kurz, so dass diese parteiinterne Kritik über die Öffentlichkeit laufen muss?

Bosbach: Ja, etwas mehr innerparteiliche Diskussion würde der CDU nicht schaden, sondern eher nutzen.

Wir wollen doch immer eine lebendig diskutierende Volkspartei sein. Dann mal los.

kath.net: CDU/CSU haben in der letzten Wahl viele Wähler direkt an die AfD verloren. Wurde dieser „Warnschuss“ in der Union gehört und ist eine konstruktive Antwort darauf bereits erkennbar – gerade auch unter dem Wissen, dass Neuwahlen ja nicht völlig ausschließbar sind?

Bosbach: Von einigen ja, von anderen nicht und eine dritte Gruppe glaubt vielleicht, dass es schlau wäre, ihn zu überhören.

kath.net: Falls es zu Neuwahlen käme, wäre eine wichtige Frage, wie sich die Zustimmung zur AfD entwickeln würde. Doch ist nicht auch die AfD nun nach dem Austritt einiger bekannter Mitglieder – ich nenne Frauke Petry – durchaus gerupft aus dem letzten Wahlkampf hervorgegangen?

Bosbach: Frau Petry hat sich selber und ihre politische Bedeutung für die AfD dramatisch überschätzt.

Die allermeisten AfD-Wähler kreuzen diese Partei aus Protest an und zwar völlig unabhängig davon, ob Frau Petry dabei ist oder nicht.

kath.net: Ein Rückblick auf die Jamaika-Sondierungsgespräche: Die FDP wird nicht selten als der Buhmann für das Platzen der Sondierungsverhandlungen gesehen. Zuvor arbeiteten sich die Medien an der CSU als angeblicher „Dauerbremse“ ab. Und die Grünen waren ganz selbstlos und kompromissbereit? Herr Bosbach: Woran scheiterte Jamaika nun wirklich?

Bosbach: Gute Frage. Vordergründig am Schlusspfiff der F.D.P. Aber vielleicht auch daran, dass Schwarz-Grün die Hartnäckigkeit der Liberalen bei der Verfolgung ihrer politischen Ziele unterschätzt hat.

Christian Lindner hat eine Abwägungsentscheidung getroffen. Er glaubt, dass für die Liberalen ein Ausstieg parteipolitisch mehr hilft als die Übernahme von Regierungsverantwortung. Kurzfristig mag das so sein. Aber auf Dauer? Nicht, dass er sich da mal irrt.

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Pressefoto Wolfgang Bosbach


Foto Wolfgang Bosbach Foto (c) Wolfgang Bosbach/Manfred Esser/CDU Rheinisch-Bergischer Kreis


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