„CDU braucht dringend inhaltliche und personelle Neuausrichtung“

19. Februar 2018 in Interview


Merkelkritiker Alexander Mitsch/WerteUnion: „Union muss nach katastrophalem Wahlergebnis die Ursachen analysieren und Konsequenzen ziehen, wenn sie das Vertrauen von Wählern und Mitgliedern zurückgewinnen will.“ kath.net-Interview von Petra Lorleberg


Berlin-Stuttgart (kath.net/pl) „Die Parteispitze hat die Union in den letzten Jahren inhaltlich ausgehöhlt und auf ein Instrument zum Machterhalt degradiert.“ Das vertritt Alexander Mitsch, Bundesvorsitzender der WerteUnion im kath.net-Interview. „Ich bin seit 33 Jahren Mitglied der CDU, aber ich habe noch nie eine solche Unruhe wahrgenommen. Die Union ist die einzige große Partei, die 2017 Mitglieder verloren hat.“ Die WerteUnion (gegründet 2017) ist ein Zusammenschluss konservativer CDU- und CSU-Mitglieder, die sich für eine Kursänderung innerhalb ihrer Partei einsetzen und inzwischen immer stärker auch von den Medien wahrgenommen wird.

kath.net: Herr Mitsch, plädieren Sie für eine grundsätzliche Neuorientierung der CDU?

Mitsch: Die Union muss nach dem katastrophalen Wahlergebnis die Ursachen analysieren und Konsequenzen ziehen, wenn sie das Vertrauen der Wähler und vor allem Mitglieder zurückgewinnen will.

Letztere sehen die Parteiführung gemäß einer Studie der Konrad-Adenauer-Stiftung ja mehrheitlich links der eigenen Position, d.h. es besteht eine inhaltliche Entfremdung zwischen der Basis und der Parteiführung.

Hinzu kommt, dass kaum noch wahrgenommen wird, wofür die Union eigentlich inhaltlich steht. Deshalb brauchen wir dringend eine inhaltliche und personelle Neuausrichtung.

kath.net: Wieviel Unmut an der CDU-Parteibasis nehmen Sie wahr?

Mitsch: Ich bin seit 33 Jahren Mitglied der CDU, aber ich habe noch nie eine solche Unruhe wahrgenommen. Die Union ist die einzige große Partei, die 2017 Mitglieder verloren hat.

Selbst unter Abgeordneten und Funktionären ist die Unzufriedenheit hoch.

In ganz Deutschland melden sich auch Verbände der Jungen Union, der Mittelstandsvereinigung und selbst der Frauen Union öffentlich kritisch zu Wort.

Der Wunsch nach einem klaren Profil und personeller Erneuerung wird entweder zu einem Kurswechsel führen oder zu Massenaustritten und schlechten Wahlergebnissen.

kath.net: Aktuellen Umfragen zufolge sinkt die Zustimmung zur Union unter 30 Prozent. Hat Ihrer Einschätzung nach die CDU in den letzten Jahren ihr Eigenprofil zu stark verloren? Welchen Weg schlagen Sie vor, damit die Union wieder wachsende Wählerzustimmung findet?

Mitsch: Die Parteispitze hat die Union in den letzten Jahren inhaltlich ausgehöhlt und auf ein Instrument zum Machterhalt degradiert.

Eine politische Partei muss Mitglieder und Wähler aber auch mit einem inhaltlichen Programm begeistern.

Die Union war jahrelang erfolgreich mit einem klaren Profil, in dem Freiheit, Sicherheit, Patriotismus, christliche Werte, soziale Marktwirtschaft, finanzielle Solidität und Familie wesentliche Inhalte waren. Diese Themen müssen wir als Union wieder deutlich besetzen.

kath.net: Sollte auch eine personelle Erneuerung der CDU angedacht werden? Stünden dafür entsprechend qualifizierte Personen bereit?

Mitsch: Frau Merkel hat ja gesagt, sie können nicht erkennen, was sie falsch gemacht habe. Damit macht sie sich persönlich zum Teil des Problems der Union. Einer Untersuchung zufolge hat sie die Union netto auch 7% an Stimmen gekostet.

Deshalb muss eine inhaltliche Erneuerung mit einer neuen Führungsspitze und einem neuen Spitzenkandidaten einhergehen. In der sogenannten zweiten Reihe der Union stehen genügend qualifizierte Personen bereit, die mit der neuen Aufgabe automatisch auch Bekanntheit und öffentliches Ansehen erwerben würden.

kath.net: Wie stehen Sie zur GroKo? Wie sollte es Ihrer Einschätzung nach konkret mit der Regierungsbildung weitergehen?

Mitsch: Die Koalitionsvereinbarungen sind nicht gut für Deutschland, weil die wesentlichen Probleme nicht gelöst werden.

Das gilt insbesondere für die weiterhin unbegrenzte und ungesteuerte Einwanderung, aber auch für den vorgesehenen Weg zu einer europäischen Schulden- und Haftungsunion sowie für das Fehlen notwendiger Reformen, z.B. bei der Rente.

Die Vereinbarungen sind aber auch nicht gut für die Union, weil unsere Positionen nicht sichtbar werden. Und natürlich schmerzt die Aufgabe des Finanzministeriums. Man hat den Eindruck, dass die Union alles geopfert hat, nur um Frau Merkel an der Macht zu halten.

kath.net: Migration und Asyl – Welche Positionen vertreten Sie in diesem Themenbereich?

Mitsch: Die Menschen in Deutschland machen sich zurecht Sorgen über die unkontrollierte Masseneinwanderung. Die WerteUnion möchte, dass Deutschland auch zukünftig ein Land mit europäisch-westlichen und christlichen Werten ist.

Wir können nicht zulassen, dass jeder unter dem Vorwand Asyl – ob mit oder ohne nachweisbare Identität – nach Deutschland kommt. Die damit verbundenen Probleme, auch für die innere Sicherheit, verkraften weder unser Sozialsystem noch unsere Gesellschaft insgesamt. Deshalb müssen wir Einwanderung nach Deutschland wirksam begrenzen und steuern. Personen, die unser großzügiges Gastrecht missbrauchen, sind konsequent auszuweisen.

kath.net: Der WerteUnion wird manchmal Nähe zur AfD vorgeworfen.

Mitsch: Zunächst ist festzuhalten, dass bei der WerteUnion nur Mitglieder der CDU/CSU oder ihrer Vereinigungen wie z.B. MIT oder CDL Mitglied sein können.

Inhaltlich vertreten wir Positionen, die noch vor wenigen Jahren offizielle Linie der CDU/CSU waren.

Leider hat die Parteiführung die Union zu einer Partei gemacht, die als links der Mitte wahrgenommen wird. Insofern hat die Union leider Positionen kampflos an die AfD aufgegeben, welche dadurch aber nicht grundsätzlich falsch sind.

Eigentlich ist die WerteUnion Hüter des Markenkerns der CDU/CSU. Wenn die Union wieder klare inhaltliche Positionen vertritt, machen wir die AfD auch für den Wähler unnötig.

kath.net: Die SPD geht parteiintern aktuell durch schwere Wasser. Was kann die Union aus der Lage der SPD lernen? Und was wünschen Sie den Sozialdemokraten für die nähere Zukunft?

Mitsch: Ich finde sehr gut, dass bei der SPD nun auch die Mitglieder über so wesentliche Themen wie einen Koalitionsvertrag abstimmen dürfen. Das würde der Union auch gut tun.

Außerdem können wir als Union vom Schicksal der SPD lernen, was passiert, wenn sich eine Partei durch Aufgabe von Positionen selbst überflüssig macht.

Aber zumindest scheint der Absturz ja bei der SPD dazu zu führen, dass eine personelle Erneuerung eintritt. Diesen – erstmal schmerzhaften – Prozess wird auch die Union in den nächsten Monaten durchlaufen. Er ist aber die Voraussetzung für den zukünftigen Erfolg.

Foto WerteUnions-Bundesvorsitzender Alexander Mitsch


Foto (c) WerteUnion/Alexander Mitsch


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