Keine Spur von einem Kumbaya-My-Lord-Jesus

4. April 2018 in Kommentar


Die Jugendkolumne von kath.net - Diese Woche ein Beitrag von Alexandra Hartlieb


Salzburg (kath.net)
Wenn ich in der Heiligen Schrift lese, ergreifen mich immer wieder die selben Stellen. Ich kann manche Perikopen immer und immer wieder lesen und trotzdem erfüllen sie mich jedes Mal aufs Neue mit Freude und Leidenschaft.

Ein Vers, der mich stets zum Nachdenken anregt, ist im 15. Kapitel des Johannes Evangeliums. Da sagt Jesus zu seinen Jüngern: "Vielmehr habe ich euch Freunde genannt;" (Joh 15,15) Was mich dabei berührt ist die Tatsache, dass Gott, der über allem steht, uns Menschen nicht knechten will, sondern sich nach echter Beziehung sehnt. Der Gott, an den wir Christen glauben, möchte uns zu Freunden machen, aber auch selbst unser Freund sein.

In der Vergangenheit hatte ich mit der Vorstellung Jesu als Freund ein Problem, denn ich hatte dabei eine Art christliches Gutmenschentum vor Augen. Jesus, der Kumbaya my Lord trällert, bei dem es eh egal ist, was man tut, weil er sowieso alles vergibt. Mit so einem Denken kann ich bis heute nichts anfangen. Wenn ich aber Jesus als den Freund denke, der Bräutigam ist, der leidenschaftlich ist, der mich ernst nimmt, den ich aber genau so ernst nehmen muss, dann schlägt mein Herz höher.

Als ich letztes Jahr im Rahmen einer Befragung eines Studenten für sein Religionswissenschaftsstudium darüber reflektiert habe, wie ich meine Beziehung zu Christus beschreiben würde, wie ich ihn mir persönlich vorstelle, war meine erste Antwort: Jesus ist für mich wie ein Liebhaber, er ist der, den ich liebe. Und das nicht in einem kitschigen Sinn, sondern so, wie ich Liebe erfahren habe.

Wenn ich mir darüber Gedanken mache, was die Beziehung zu meinem Freund Charles ausmacht, was unsere Liebe für mich so besonders macht, dann sind das viele verschiedene Aspekte. Wir bewundern einander, wir preisen einander, können aber auch heftig diskutieren, voreinander negative Gefühle zeigen. Wir müssen vor dem Anderen keine Maske tragen, müssen nichts beschönigen. Wir sehen einander in guten und schlechten Zeiten, teilen unsere Freuden, aber tragen auch Kreuze miteinander.

Jesus ist genau so ein Freund und Liebhaber. Er ist keiner, der nur mild lächelt, sondern einer, der voller Emotion ist. Eine meiner absoluten Lieblingserzählungen in der Heiligen Schrift ist jene, von der Auferweckung des Lazarus. Darin heißt es: "Als Jesus sah, wie sie weinte und wie auch die Juden weinten, die mit ihr gekommen waren, war er im Innersten erregt und erschüttert. Er sagte: Wo habt ihr ihn bestattet? Sie antworteten ihm: Herr, komm und sieh! Da weinte Jesus. Die Juden sagten: Seht, wie lieb er ihn hatte!" (Joh 11,33-36) Da ist keine Spur von einem Kumbaya My Lord-Jesus, sondern er zeigt sich als wahrer Freund, als einer, der mit den Menschen, die er liebt mitleidet.

Gerade jetzt zu Ostern erahne ich bruchstückhaft, wie groß die Liebe und Leidenschaft Gottes zu uns Menschen sein muss. Er selbst hat gesagt: "Es gibt keine größere Liebe, als wenn einer sein Leben für seine Freunde hingibt." (Joh 15,13) Wenig später nahm er das Kreuz auf sich, um für uns zu sterben. Weil er uns liebt, weil er Leidenschaft für uns hat, weil er unser Freund und Liebhaber sein will.


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