Jesus ist der Sohn

13. Mai 2018 in Aktuelles


Wer bin ich, frage ich, dass der unendliche Schöpfer allen Seins sich mir in so unfassbarer Weise liebend zugeneigt, als wäre ich der einzige Mensch auf Erden. Von Walter Kardinal Brandmüller


(kath.net/as) „Wer bekennt, dass Jesus der Sohn Gottes ist, in dem bleibt Gott und er bleibt in Gott.“ Diese Aussage ist eindeutig und klar: Mein Verhältnis zu Gott, meinem Schöpfer, und darum mein ewiges Schicksal hängt davon ab, dass ich bekenne: „Jesus ist der Sohn Gottes.“ Das erscheint einem als Katholik aufgewachsenen Menschen einigermaßen klar, eher selbstverständlich. Aber: Ist es das? Ist es selbstverständlich, dass ich das bekenne?“: Predigt von Walter Kardinal Brandmüller zum siebten Sonntag der Osterzeit (Lesejahr B).

I

Milliarden von Menschen tun das nicht, halten dieses „Jesus ist Gottes Sohn“ für völlig uninteressant. Die Zeitgenossen Jesu – die Hohenpriester und Ältesten zu Jerusalem haben Jesus als Gotteslästerer verurteilt, als er den Anspruch erhob, Gott zum Vater zu haben.

Noch heute schätzen Juden ihren Landsmann aus Nazareth als einen gewiss tiefgründigen Lehrer, ein religiöses Genie gar, möglicherweise einen Wunderheiler – ja, aber Gottes Sohn? Das ist für den frommen Juden von heute nach wie vor Gotteslästerung, für den modernen aufgeklärten Juden allenfalls eine poetische Übertreibung – oder einfach lächerlich.

Natürlich kennen auch die Muslime Jesus, wird er doch selbst im Koran genannt und als Prophet Allahs bezeichnet. Aber – so bezeugen etwa mehrere Mosaikinschriften im Felsendom zu Jerusalem: Jesus ist Gesandter Gottes – es steht Gott nicht an, irgendein Kind zu haben. Er steht allenfalls auf einer Stufe mit dem Propheten Mohammed. Es gibt nur einen Gott, und der teilt mit Niemandem seine Herrschaft. So der Islam.

Wenden wir nun aber unseren Blick auf das Europa der aufgeklärten Jahrhunderte, so stoßen wir mit unserem Bekenntnis zu Jesus, dem eingeborenen Sohn Gottes, auch hier bestenfalls auf mitleidiges Lächeln.

Ja! Jesus! Eine faszinierende Gestalt – ein begeisternder Lehrer der Nächstenliebe – ein am Ende tragisch gescheiterter Idealist! Das Neue Testament, sagen unsere aufgeklärten Gesprächspartner, ist ja ein wunderbares Beispiel religiöser Literatur! Aber die dort berichteten Wundergeschichten sind nur poetisches Rankenwerk um die anziehende Gestalt des Jesus von Nazareth. Und nun, meine Lieben, stellen Sie doch einmal in Ihrem Umkreis die Frage, mit der Jesus bei Caesarea Philippi seine Jünger konfrontiert hat: Für wen halten die Leute den Menschensohn?

Im Jahr 2016 ergab eine Umfrage, dass nur 56% der Katholiken glauben, Jesus sei wahrer Gott – im Osten Deutschlands sind 34% der Befragten der Meinung, Jesus habe nie gelebt.
In der Tat: Jesus von Nazareth : Gott von Gott, Licht vom Licht… et incarnatus est… Das sind doch Aussagen, die kein Mensch begreifen kann. Gott und Mensch zugleich? „Seien wir ehrlich“ – mag mancher sagen – „das ist religiöse Dichtung, wunderbare Poesie“. Aber wirklich, Tatsache? Nein!

Vernehmen wir nicht in der Lehre der Juden und Muslime, in den Überzeugungen moderner aufgeklärter Theologen die genuine Stimme der Vernunft? In der Tat, so ist es – und es ist sogar irgendwie begreiflich. Denn: Jesus von Nazareth Gottes Sohn – das sprengt all unsere menschlichen Begriffe, unser Vorstellungsvermögen, das widerspricht aller Logik und Erfahrung!

II

Widerspruch zur Alltagslogik – ja. Aber Erfahrung? Unserer Erfahrung vielleicht. Aber doch nicht der Erfahrung derer, die diesen Jesus persönlich erlebt, seinen Alltag geteilt, ihn als Meister und Freund gekannt haben. Sie berichten uns in der Tat Anderes – und ihre Berichte, die Evangelien und Apostelbriefe, bestehen jede Prüfung durch die historisch-kritische Wissenschaft.

Was sie von Jesus berichten – zum Schluss sogar seine Auferstehung drei Tage nach seiner Hinrichtung – entzieht sich gewiss dem Zugriff der menschlichen Vernunft, es kann aber ebenso in seiner Tatsächlichkeit nicht bestritten werden, ohne eben dieser Vernunft Gewalt anzutun.

Zweifelsfrei bezeugte Tatsachen und schlagende Beweise – Beweise auch dafür, dass Jesu Worte, mit denen er „Kunde von Gott“ bringt, Wahrheit sind. So kann denn Johannes schreiben – eben haben wir es gehört – „Wir haben gesehen und bezeugen, dass der Vater den Sohn gesandt hat als Retter der Welt.“

Und noch deutlicher: „…Was wir gehört, was wir mit unseren Augen gesehen, was wir geschaut und was unsere Hände angefasst haben – was wir gesehen und gehört haben, das verkünden wir auch euch, damit auch ihr Gemeinschaft mit uns habt“ (1 Joh 1-3). Ebenso sagt der Apostel Petrus: „denn wir sind nicht klug ausgedachten Geschichten gefolgt, als wir euch die machtvolle Ankunft unseres Herrn Jesus Christus kundtaten, sondern wir waren Augenzeugen seiner Macht und Größe“ (2 Pet 1,16). Damit meint der Apostel das Erlebnis der Verklärung auf dem Tabor. Diesem Zeugnis, meine Lieben, können auch wir vertrauen und dann das Credo mitsprechen: „…aus dem Vater geboren vor aller Zeit… und ist Mensch geworden.“

III

Eben dieses Bekenntnis, das den innersten Kern des christlichen Glaubens ausdrückt, und das uns grundsätzlich vom Judentum und vom Islam trennt, ist notwendig, um das ewige Heil zu erlangen.

Sosehr es nun wahr ist – und die Kirche lehrt dies ausdrücklich –, dass kein Mensch, Christ oder Heide, ohne seine Schuld am Ende verloren geht, so wahr ist es auch, dass das gläubige Bekenntnis zu Jesus, dem menschgewordenen Gottessohn heilsnotwendig ist. Kein Mensch, der zu diesem Glauben Nein sagt, kann das ewige Heil erlangen.

Umso beglückender ist darum, was folgt: „Wer bekennt, dass Jesus der Sohn Gottes ist, in dem bleibt Gott und er bleibt in Gott.“ Das ist keine Verheißung für eine ferne, womöglich ungewisse Zukunft, sondern klare Ansage für unser Hier und Jetzt. Indes kann das bloße Bekenntnis des Glaubens nicht genügen, diese Gemeinschaft zwischen Gott und Mensch zu begründen. Unser Text sagt, was dazu noch fehlt: „Gott ist die Liebe, und wer in der Liebe bleibt, bleibt in Gott und Gott bleibt in ihm.“

Dem Gott, dessen Wesen die Liebe ist, muss auch auf Seiten des Menschen die Liebe entsprechen – Liebe zu Gott und Liebe zum Nächsten. Aber was ist diese Liebe? Gefühl, gemüthafte Zuneigung, Hingabe? Gewiss – das mag sein. Wesentlich aber ist Anderes: „Wer meine Gebote hat und sie hält – der ist es, der mich liebt.“ Es geht für den Glaubenden also nicht um Gefühle, sondern darum, unserem gelebten Leben eine grundsätzlich neue Richtung zu geben: Weg vom Ich – hin zum Du, zum menschlichen und zum göttlichen Du. Wobei keines vom anderen zu trennen ist.

Und nun kommt ein weiteres Wort ins Spiel, das im Evangelium und dem Briefen des Johannes eine besondere Rolle spielt. Allein in unserem Text kommt es sechs Mal vor, es heißt „bleiben“. Da heißt es „Gott bleibt in uns“ und wir bleiben in Gott – und die Voraussetzung für Beides ist unser Bekenntnis, „dass Jesus der Sohn Gottes ist“. Ein Anderes kommt hinzu: „Wer in der Liebe bleibt, bleibt in Gott“. Gemeint ist damit die innige Personengemeinschaft, die den Schöpfergott mit seinem erlösten Geschöpf und geliebten Kind verbindet.

IV

Das ist eine Botschaft, die uns ebenso beglücken kann wie sie erschüttert:
Wer bin ich, frage ich, dass der unendliche Schöpfer allen Seins sich mir in so unfassbarer Weise liebend zugeneigt, als wäre ich der einzige Mensch auf Erden!

Dass ich auf diese Tatsache meine gesamte Existenz, mein Selbstverständnis, meine Hoffnung gründen darf, ist der Grund dafür, dass ich allen Stürmen des Lebens standhalten kann, da mich die Hoffnung auf die ewige Vollendung dieser Gemeinschaft mit Gott trägt. Zugleich aber ist es auch wahr, dass diese Hoffnung sich nur erfüllt, wenn ich in Gott bleibe. Dass dies nicht von Gott, sondern von mir abhängt, sollte uns mit Sorge erfüllen, wissen wir doch um die Schwäche und den Wankelmut des Menschenherzens. Eben dieses Wissen soll uns Ansporn zum Guten, zum Bleiben im Herrn sein.

Ein wunderbares Vorbild mögen uns jene 21 koptischen Christen sein, deren letztes Wort ihr Bekenntnis zu „Jesus“ war. Dann schnitten ihnen ihre islamistischen Mörder vor laufender Kamera die Kehle durch. Sie bleiben nun in Ewigkeit beim Herrn.



© 2018 www.kath.net