Du sollst dir kein Bild machen

8. Juni 2018 in Kommentar


Es ist ungemein froh und glücklich machend zu erfahren, welches Bild sich Gott von mir gemacht hat. Er befreit aus unserer Ichhaftigkeit - BeneDicta am Freitag von Isabella Gräfin Kageneck


Linz (kath.net)
Menschen machen schon manchmal die komischsten Verrenkungen und nehmen die unbequemsten Positionen ein, um es perfekt hinzukriegen: das Selfie. Dabei wird scheinbar keine Mühe gescheut, keine Gefahr gemieden, und auch das gesunde Schamgefühl wurde mittlerweile zum Schweigen gebracht. Keine Frage: Wir leben im Selfie-Zeitalter. Ist der Arm zu kurz, kann man auf den so genannten „Selfie Stick“ verlängernd zurückgreifen. Ich frage mich manchmal, wie wohl die Menschen in 200 Jahren auf uns heute zurückschauen, wenn sie Fotos sehen, die uns beim Anfertigen eines Selfies zeigen. Vermutlich werden sie genauso darüber schmunzeln, wie manche es bereits heute tun.

Nun ist es ja weder neu noch verwerflich, dass wir zum Andenken gerne Fotos von uns z.B. an schönen Orten machen lassen. Früher klebte man diese Fotos aber in das private Familienalbum oder stellte es in einem schönen Rahmen auf den Kaminsims. Heute lassen wir uns aber schon gar nicht mehr von Anderen fotografieren, sondern übernehmen das gerne direkt selbst. Geht ja auch einfacher, schneller und ohne weitere Kommunikation. Das lästige Ansprechen von Passanten entfällt auch gleich. Das Selfie macht laut Medienexperten das Selfie erst dadurch zum Selfie, dass es in der Öffentlichkeit (meist in den Social Media) geteilt wird. Ein nicht-veröffentlichtes Selfie ist laut Definition ein ganz normales Selbstportrait. Hier wird deutlich: Dem Selfie-Macher muss es also noch um etwas Anderes gehen. Er will sein Selbstportrait einer Öffentlichkeit zeigen.

Welche Suche steckt dahinter? Ganz offenkundig die Suche nach Anerkennung, Annahme und Identität. Diese Bedürfnisse sind so alt wie die Menschheit selbst. Interessant ist, welche Wege wir u. a. im 21. Jahrhundert beschreiten, um diese Bedürfnisse zu stillen. Das Problem ist aber heute wie damals: Wer seinen Wert daran festmacht, wie viele Menschen sein Selfie gelikt und/oder positiv kommentiert haben, der hat auf Sand gebaut. Die Zustimmung der Massen ist mindestens wankelmütig. Meinen Selbstwert, meine bedingungslose Annahme und Anerkennung finde ich nur in und bei meinem Schöpfer. Und das ganz losgelöst von zeitgeistorientierten Kriterien.

Es war glaube ich im Jahr 2014, als ich das erste Mal ein Selfie von mir machte, nachdem ich auf diversen Social Media-Plattformen einige gesehen hatte. „Kann ja auch ganz witzig sein. Probier‘ mal aus.“ Doch beim Veröffentlichen meines ersten Selfies überkam mich plötzlich ein sonderbares, mulmiges Gefühl. Innerlich spürte ich, dass ich hier etwas nachgab, was nicht gesund ist: der (übersteigerten) Eigenliebe, des Egos und der Eitelkeit. Mein Gesicht, meinen Körper, mein ganzes Sein der Gleichgültigkeit und/oder der Neugier der Menschen auf diese Art preiszugeben, fühlte sich einfach weder gut noch richtig an. Doch erst vor ein paar Tagen half mir Gott weiter, als ich in den zehn Geboten von Ihm erinnert wurde: Du sollst dir kein Bild machen.

Ebenso wenig wie wir uns von Ihm kein Bild machen sollen, weil wir Ihn damit festlegen und sein Geheimnis nicht achten würden, so achten wir auch nicht das eigene Gott gegebene Geheimnis, wenn wir von uns selbst ein Bild machen. Denn jedes seiner Geschöpfe spiegelt auch sein göttliches Geheimnis wider. Auch dieses uns innewohnende göttliche Geheimnis sollte nicht preiswert durch ein Selfie entzaubert werden. Wer nach Annahme, Anerkennung und Identität sucht, der sollte nicht in die Kamera des eigenen Smartphones sehen. Er sollte sich zuerst eingehend im Gewissensspiegel selbst betrachten; dann schleunigst zur nächsten Eucharistischen Anbetung gehen und sich von Gott in der Monstranz anschauen lassen, um so selbst zur Monstranz zu werden. Gottes Blick macht schön und verzaubert. Es ist ungemein froh und glücklich machend zu erfahren, welches Bild sich Gott von mir gemacht hat. Dagegen stellt jedes Selfie einen jämmerlichen Abglanz dar oder kann sogar zu einem Zerrbild verkommen. Er befreit aus unserer Ichhaftigkeit. Durch Seinen Blick auf mich, werde ich zum ich, indem ich Sein(e) werde.


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