Eucharistischer Hunger? Schnapp dir'n Snickers!

14. Juni 2018 in Kommentar


"100 Gramm Hostien enthalten 433 Kalorien und somit 'fast so viel wie ein Snickers'. Mit dieser höchst relevanten Information beglückte uns unlängst die ZEIT-Beilage "Christ und Welt"..." Kommentar von Tobias Klein


Berlin (kath.net/Blog „Huhn meets Ei“) 100 Gramm Hostien enthalten 433 Kalorien und somit "fast so viel wie ein Snickers". Mit dieser höchst relevanten Information beglückte uns unlängst die ZEIT-Beilage "Christ und Welt"; und das ist ja auch wirklich gut zu wissen, gerade für diejenigen unter uns, die voller Ungeduld darauf warten, dass die "Kommunion für alle" endlich offiziell beschlossen und genehmigt wird. Wenn's mal wieder länger dauert...

Bei dem Christ & Welt-Artikel, dem dieser geschickt mit Product Placement verknüpfte Kalorienhinweis als Bildunterschrift beigefügt war, handelte es sich um einen - nach Meinung der Redaktion - "flammenden Appell" des Ökumene-Beauftragten der Deutschen Bischofskonferenz, Bischof Gerhard Feige (Magdeburg) unter der Überschrift "Lasst die Chance nicht verstreichen!". Welche Chance? Na, die Chance, Fortschritte in der Ökumene zu machen durch eine Öffnung des Kommunionempfangs für Protestanten. Der diesbezügliche Vorstoß der Deutschen Bischofskonferenz ist ja gerade "von Rom aus" vorerst unterbunden worden, und damit ist Bischof Feige, gelinde gesagt, unzufrieden. Unter anderem schreibt er:

"Was von den einzelnen evangelischen Christen bei einem möglichen Kommunionempfang im Ausnahmefall als Voraussetzung erwartet wird – eine Bejahung des katholischen Eucharistieglaubens –, ist inzwischen bei manchen Katholiken gar nicht mehr selbstverständlich anzunehmen."

Nun liegt es mir fern, zu bestreiten, dass diese Feststellung stimmt. Die Frage ist, wofür das nun ein Argument sein soll. Der Bischof von Magdeburg fährt fort:

"Wer eine Banalisierung des 'Allerheiligsten' befürchtet oder verhindern möchte, sollte zunächst einmal selbstkritisch in die eigenen Reihen schauen."

Bin ich der einzige, der es auf etwas beunruhigende Weise bezeichnend findet, dass das "Allerheiligste" hier in Anführungszeichen steht? Man könnte fast auf die Idee kommen, was Bischof Feige hier sagen wolle, sei: Wenn die katholische Eucharistielehre sowieso niemand mehr versteht und sie obendrein ein ärgerliches Ökumenehindernis darstellt, sollte man sie lieber ganz über Bord werfen. Wer einen Hang zu Verschwörungsdenken hat - ich persönlich habe das nicht, da ich glaube, Verschwörungstheorien neigen dazu, die Bedeutung und Tragweite absichts- und planvollen Handelns für den Lauf der Geschichte erheblich zu überschätzen -, der mag sogar argwöhnen, die katholische Kirche in Deutschland habe die Sakramentenkatechese mit Absicht über Jahrzehnte hinweg verkümmern lassen, damit irgendwann niemand mehr da ist, der an einer "Kommunion für alle" Anstoß nehmen könnte.

So weit möchte ich, wie gesagt, nicht gehen, aber jedenfalls zeigen die öffentlichen Reaktionen auf den "Kommunionstreit" der deutschen Bischöfe, dass der Versuch, fest umrissene Kriterien für Ausnahmeregelungen aufzustellen, grandios nach hinten losgegangen ist. Es geht in der Debatte längst nicht mehr um "Ausnahmefälle", sondern um viel weiter reichende Forderungen. Beim Katholikentag erklärt ein prominenter Comedian unter Applaus, er wolle auch so einen Keks, schließlich zahle er (infolge der gemeinsamen steuerlichen Veranlagung mit seiner katholischen Ehefrau) auch Kirchensteuer; womit er gleichzeitig nonchalant zu erkennen gibt, dass die Bedeutung der Eucharistie für den katholischen Glauben ihm herzlich egal ist. Und in den Sozialen Netzwerken mehren sich Bekenntnisse ordentlicher und außerordentlicher katholischer Kommunionspender, selbstverständlich würden sie auch Protestanten die Kommunion reichen, auch (und gerade) wenn sie um deren Konfession wissen. Ich kann mir nicht helfen: Irgendwie erinnern mich diese mit Stolz und Trotz vorgetragenen Selbstbezichtigungen an das berüchtigte stern-Titelbild "Wir haben abgetrieben".

Wer diesen Vergleich nun unpassend, weit hergeholt und/oder geschmacklos findet, der sei auf ein Zitat des vom Calvinismus zum Katholizismus konvertierten Theologen Peter Kreeft hingewiesen:

"Abtreibung ist die dämonische Parodie des Antichrists auf die Eucharistie. Deshalb werden dafür auch dieselben Worte, mit einer auf blasphemische Weise ins Gegenteil verkehrten Bedeutung, verwendet: 'Dies ist mein Leib'."

So, und nachdem ich diesen Vergleich nun einmal herangezogen und verteidigt habe, setze ich gleich noch einen drauf. In Debatten über das Thema Abtreibung hört und liest man ja nicht selten die zumeist geradezu vorwurfsvoll an die Adresse von Abtreibungsgegnern gerichtete Einschätzung, "keine Frau" würde sich "leichtfertig für eine Abtreibung entscheiden". Da kann man sich nun einerseits auch wieder fragen, wofür das eigentlich ein Argument sein soll. Wenn eine Entscheidung demjenigen, der sie getroffen hat, nicht leicht gefallen ist, ist diese Entscheidung deshalb automatisch richtig -- oder zumindest unkritisierbar? Das erscheint mir als ethischer Grundsatz doch etwas fragwürdig. Das vielleicht noch größere Problem an dieser Aussage ist jedoch, dass sie nicht stimmt. Im Interesse meiner allgemeinen Menschenliebe will ich gern annehmen, dass sie auf viele, möglicherweise auf die meisten Schwangeren zutrifft, die sich zu einer Abtreibung entschließen. Aber Gegenbeispiele gibt es mehr als genug. Man muss sich - vor allem zu Zeiten, in denen das Thema besonders heiß diskutiert wird, wie jüngst anlässlich des Referendums in Irland - nur mal ein bisschen in den Sozialen Netzwerken umschauen, da wird man schnell genug auf Leute treffen, die erklären, es sei doch gar nichts dabei und Abtreibung sei letztlich nichts anderes als nachträgliche Empfängnisverhütung; schließlich müsse frau das Recht haben, Sex zu haben, ohne dabei riskieren zu müssen, ein Kind zu bekommen. - Worauf will ich hinaus? Nun, ebenso wie es nicht stimmt, dass jede Frau, die sich zu einer Abtreibung entschließt, ein großes, tragisches Motiv dafür hätte, ist es auch nicht wahr, dass bei Protestanten, die in der katholischen Kirche die Kommunion empfangen wollen, ausnahmslos eine "geistliche Notlage" (vgl. Can. 844, § 4 CIC) vorliegt -- wie die Mehrheit der deutschen Bischöfe zu unterstellen scheint. In nicht wenigen Fällen dürfte es vielmehr so sein, dass die betreffenden Protestanten schlichtweg nicht einsehen, wieso sie die Kommunion nicht empfangen sollten; die theologischen Gründe dafür verstehen sie nicht nur nicht, sondern sie sind ihnen sogar ausgesprochen egal. Als Beweisstück A möchte ich auf die oben bereits angesprochene Äußerung Eckart v. Hirschhausens auf dem Katholikentag zurückverweisen; und hier Beweisstück B, von einer pensionierten evangelischen Pfarrerin:

Magdalena Tepelmann: "Seit ich im Ruhestand bin, gehe ich sehr gerne in Kath. Gottesdienste, die ev. Gottesdienste kenne ich ja in und auswendig. Mir wurde nie das Abm. verweigert, aber das mag daran liegen, dass ich den meisten Priestern bekannt bin." (Gefunden auf Twitter)

So leid es mir tut, aber eine zutreffendere Bezeichnung als "dummdreist" fällt mir für diese Äußerung nicht ein.

-- Aber denken wir noch einmal an Bischof Feige und daran, inwieweit ich seiner oben zitierten Einschätzung Recht gegeben habe. Wenn wir feststellen, dass es Protestanten gibt, die den substantiellen Unterschied zwischen ihrem Abendmahl und der katholischen Eucharistie schlichtweg nicht kapieren wollen, dann sollten wir auch gestehen, dass es auch Katholiken gibt, die diesen Unterschied genausowenig kapieren und denen das auch genauso egal ist. Das ist allerdings ein Problem, das weit eher in die Zuständigkeit der katholischen Geistlichkeit fällt als die Ansichten der Protestanten über das Abendmahl. Man könnte/sollte/müsste dieses Problem angehen, indem man die Sakramentenkatechese verbessert. Nicht nur für Erstkommunionkinder, sondern auch für Erwachsene. Die Leseordnung des Kirchenjahres bietet mehrmals im Jahr Gelegenheit, über dieses Thema zu predigen. Freilich müsste man dann wohl auch darüber sprechen, dass die Zulassung zum Kommunionempfang auch für Katholiken nicht bedingungslos ist: dass sie zum Beispiel nicht zur Kommunion gehen sollten, wenn sie sich einer noch nicht gebeichteten schweren Sünde bewusst sind (und dass sie als Katholiken dazu verpflichtet sind, mindestens einmal pro Jahr zur Beichte zu gehen). Das würde einigen Leuten sicherlich nicht gefallen.Vielleicht gäbe es verärgerte Reaktionen, vielleicht kämen einige Leute nicht wieder. Aber sollte man, um derartige Reaktionen zu vermeiden, den Leuten diese Lehre ersparen vorenthalten?

Letztendlich haben wir es hier mit einem Teilaspekt eines umfangreicheren Problems zu tun: Menschen lassen sich nicht gern etwas sagen, was ihren Ansichten nicht sowieso schon entspricht. Und auch wenn in unseren Breiten von vornherein nur eine kleine Minderheit der Kirchenmitglieder regelmäßig den Gottesdienst besucht, kann man selbst bei dieser Minderheit nicht zwingend davon ausgehen, dass sie durchweg "rechtgläubig" ist. In den letzten Jahrzehnten hat die Auffassung mehr und mehr um sich gegriffen, jeder Einzelne habe legitimerweise seinen eigenen Glauben, und im Zweifels- bzw. Konfliktfall sei dieser individuelle Glaube richtiger bzw. entscheidender als die kirchliche Lehre. Diesen Relativismus zurückzudrängen, wäre eine Aufgabe, die der Kirche auf allen Ebenen erhebliche Anstrengung abverlangen würde -- und erheblichen Mut. Ist sie dazu bereit?


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