In Zeiten der Finsternis ist das Licht der Wahrheit nötiger denn je

7. September 2018 in Kommentar


„Der Glanz der heiligen Kirche Gottes ist getrübt durch Missbräuche und Lügen derer, die ihr Haupt, Jesus Christus, als Hirten für seine Schafe eingesetzt hat.“ Gastbeitrag von Andreas Kuhlmann


Aachen (kath.net) Als der heilige Papst Johannes Paul II. seine Enzyklika Veritatis splendor im Jahre 1993 veröffentlichte – 25 Jahre sind vergangen –, ging es um „grundlegende Fragen der kirchlichen Morallehre“. Sie beginnt mit den Worten: „Der Glanz der Wahrheit erstrahlt in den Werken des Schöpfers und in besonderer Weise in dem nach dem Abbild und Gleichnis Gottes geschaffenen Menschen (vgl. Gen 1,26): die Wahrheit erleuchtet den Verstand und formt die Freiheit des Menschen…“

Schon immer wurde durch die Sünden der Menschen der Glanz der Schöpfung und damit auch des Menschen als Geschöpf verdunkelt. Die Sünde steht der Heiligkeit – dem Glanz der Reinheit und Vollkommenheit – entgegen. Die schweren und hässlichen Sünden stellen nicht nur einen Mangel an Heiligkeit – an gnadenhafter Teilhabe an der Heiligkeit Gottes als Abbild Gottes – dar, sondern rauben sozusagen das Licht wie ein schwarzes Loch und schaffen in gewisser Weise Dunkelheit innerhalb der Kirche und der Welt. Sie rauben dem Sünder die Freiheit und knechten die Schuldlosen. Die Wahrheit dagegen befreit aus der Dunkelheit (vgl Joh 8,32), und zwar sowohl Täter wie auch Opfer (aber auch Mitwisser). Beide, Täter wie Opfer, haben die Wahrheit nötig. Das Opfer hat durch das Prinzip der Gerechtigkeit ein Anrecht darauf, der Täter kann nur durch die schonungslose Konfrontation mit der Wahrheit zu Umkehr und Besserung bewegt werden. Er braucht die Wahrheit, um seine Seele zu retten und andere Seelen gut zu behandeln. Weil die Schutzbedürftigen und Opfer vor dem Täter verteidigt werden müssen, kann der Weg der Befreiung vor dem Übel (in diesem Fall des Missbrauchs) nur über ehrliche Aufklärung der Taten und wirksame Maßnahmen zur Verhinderung zukünftiger Taten gehen. Sicherlich muss nicht jedes Detail offengelegt und veröffentlicht werden, aber doch soviel, dass keine notwendige Wahrheit geschuldet bleibt, um eine Erneuerung und Belebung des kranken Leibes der Kirche, der an einigen wenigen faulen Gliedmaßen leidet, zu ermöglichen. Dass diese therapeutische Prozedur sehr schmerzlich ist, ist genauso klar wie die Tatsache, dass ein verzögertes Eingreifen heilsame Maßnahmen für alle mehr Schaden bedeutet.

Der Glanz der heiligen Kirche Gottes ist getrübt durch Missbräuche und Lügen derer, die ihr Haupt, Jesus Christus, als Hirten für seine Schafe eingesetzt hat. Die wenigen „schwarzen Hirten“ (Priester und Bischöfe, aber wohl auch manche bestellte Laien im Dienst der Kirche), die zu schwarzen Schafen geworden sind, haben das Angesicht der Kirche sichtbar verunstaltet. Die schweren Sünden des Missbrauches von Kindern und Jugendlichen fesseln die Kirche, so dass sie nicht mehr offen und glaubwürdig die frohe Botschaft des Evangeliums verkünden bzw. nicht mehr als Zeugin der Heiligkeit Gottes wahrgenommen werden kann. Die Wahrheit allein befreit die Kirche aus diesen Fesseln, damit sie innerhalb der Dunkelheit der Sünden der Welt das rettende Licht sein kann, für das sie existiert. Ihr seid das Licht der Welt! (Mt 5,14), bestimmt Jesus für seine Jünger. Leider haben einige seiner engsten Vertrauten ihre Berufung mit Füßen getreten. Gottes Barmherzigkeit kann nicht ohne die zuvor anerkannte Wahrheit wirksam werden. Ohne Bekenntnis und Reue ist keine Vergebung und Heilung möglich. Was für den Einzelnen gilt, gilt auch für die Gemeinschaft. Es muss bekannt gemacht werden, was zersetzend in der Kirche wirkt, es muss bereut werden (dazu tragen Suspendierungen der Täter und maßgeblichen Mitwisser neben dem Schutz der Opfer oder Gefährdeten auch bei), damit Reinigung in den Herzen und in der Gemeinschaft der Kirche passieren kann und die Wunden ausheilen können.

Buße und Gebet sind nur wirksam auf der Grundlage der Wahrheit, die Gott durch Jesus Christus in diese leider oft finstere Welt gebracht hat: Ich bin der Weg, die Wahrheit und das Leben! (Joh 14,6). Der Weg der Umkehr und Erneuerung hin zu einem neuen Leben kann nur im Einklang mit der heilsamen Wahrheit vollzogen werden.

Zum Schluss möchte ich denjenigen, die vorschlugen, die anstehende Synode zum Thema Jugend abzusagen oder zu verschieben, zu bedenken geben, dass dies ein fatales Zeichen an die Jugend wäre, um die es geht und gehen muss. Jetzt Nabelschau zu betreiben und um die Probleme mit sich selbst (als Priester und Bischof) zu kreisen, statt sich auf die Bedürfnisse und Nöte der meisten jungen Menschen zu kümmern, wäre genau der falsche Weg. Statt sich mit dem Fehlverhalten einiger Kleriker zu beschäftigen (das findet ja sowieso statt und dazu könnte tatsächlich eine zusätzliche „Sondersynode“ einberufen werden), sollte sich wirklich damit auseinandergesetzt werden, wie die Kirche Jesus Christus den Jugendlichen auf geeignete und nachhaltige Weise vorschlagen kann. Denn ohne Hilfen für eine Annäherung an Christus ist das Reden über Berufungsförderung und -entscheidung sinnlos. Leider rangiert für die meisten jungen Christen Jesus Christus in ihrer Werteskala sehr weit hinten und kommt in ihrem Leben quasi nicht vor. Das muss die Bischöfe erschüttern und vor allem beschäftigen. Damit würden ihr Kopf und ihr Herz mehr erfüllt werden von der guten Sorge um die Nächsten als um die schlechte Sorge nach persönlicher Befriedigung usw., die für jeden Menschen eine Gefahr ist. Es wäre sehr enttäuschend für die Jugendlichen, ihre Vorarbeitungen zusammen mit ihren Seelsorgern in den Diözesen der Welt ad acta zu legen. Es ist nun erst recht die Zeit, ihre Bedürfnisse und auch Ängste ernst zu nehmen und auf sie zu hören.

(Diese rein privaten Gedanken eines katholischen Priesters wollte ich Ihnen in dieser entscheidenden Zeit mitteilen als Anregung zum Weiterdenken und zum vermehrten Gebet)

Dr. med. Dr. theol. Andreas Kuhlmann ist Priester des Opus Dei und lebt in Aachen.


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