Jesus Christus, unsere Hoffnung

23. September 2018 in Aktuelles


Franziskus zu Priestern, Ordensleuten und Seminaristen: die Kirche hat als ihre zentrale Aufgabe die Verkündigung einer erhofften Herrlichkeit. Diese besteht in der Gegenwart Gottes inmitten seines Volkes im auferstandenen Christus


Rom (kath.net) Am Nachmittag des heutigen Sonntags begegnete Papst Franziskus in der Kathedrale von Kaunas den Priestern, Ordensleuten und Seminaristen.

Einen großen Teil der Ansprache hielt der Papst frei auf Italienisch, dies verbunden mit Problemen einer Simultanübersetzung.

„Schließlich bedeutet der Blick auf Jesus Christus als unsere Hoffnung, dass wir uns mit ihm identifizieren und an seinem Schicksal als Gemeinschaft teilhaben. Für den Apostel Paulus beschränkt sich das erwartete Heil nicht auf einen negativen Aspekt – Befreiung von innerer oder äußerer, zeitlicher oder eschatologischer Bedrängnis –, sondern es geht dabei um etwas äußerst Positives: die Anteilnahme am verherrlichten Leben Christi (vgl. 1 Thess 5,9-10), die Teilnahme an seinem himmlischen Reich (vgl. 2 Tim 4,18), die Erlösung des Leibes (vgl. Röm 8,23-24). Es geht also darum, das Geheimnis des einzigartigen und unwiederholbaren Plans zu ergründen, den Gott für einen jeden von uns hegt. Weil es niemanden gibt, der uns so gut kennt und uns so tief erkannt hat wie Gott, hat er uns zu etwas bestimmt, das unmöglich erscheint; er setzt unfehlbar darauf, dass wir Abbilder seines Sohnes werden. Er hat seine Erwartungen an uns und wir hoffen auf ihn.“

„Im Boot der Kirche befinden wir uns alle und versuchen fortwährend zu Gott zu schreien, inmitten der Bedrängnis beständig zu sein und an Jesus Christus als Gegenstand unserer Hoffnung festzuhalten. Und dieses Boot hat als seine zentrale Aufgabe die Verkündigung einer erhofften Herrlichkeit. Diese besteht in der Gegenwart Gottes inmitten seines Volkes im auferstandenen Christus, die eines Tages, von der ganzen Schöpfung ersehnt, an den Kindern Gottes offenbar wird. Das ist die Herausforderung, die uns drängt: der Auftrag, das Evangelium zu verkünden. Das ist der Grund unserer Hoffnung und unserer Freude.“

kath.net veröffentlicht einen Teil der Ansprache von Papst Franziskus bei der Begegnung mit Priestern, Ordensleuten und Seminaristen in der Kathedrale von Kaunas:

Liebe Brüder und Schwestern,

(...)

der gesamte Besuch in eurem Land steht unter einem Motto: „Jesus Christus, unsere Hoffnung“. Nun, gegen Ende dieses Tages, begegnen wir einem Text des Apostels Paulus, der uns zur Beständigkeit in der Hoffnung einlädt. Und er spricht diese Einladung aus, nachdem er uns Gottes Plan für jeden Menschen, ja für die ganze Schöpfung verkündet: „Wir wissen aber, dass denen, die Gott lieben, alles zum Guten gereicht“ (Röm 8,28); Gott „richtet alles gerade“ wäre die wörtliche Übersetzung.

Heute möchte ich mit euch einige charakteristische Aspekte dieser Hoffnung betrachten; Aspekte, die wir – Priester, Seminaristen Ordensleute – leben sollen.

Bevor Paulus uns zur Hoffnung einlädt, wiederholt er dreimal das Wort seufzen: die Schöpfung seufzt, die Menschen seufzen, der Geist seufzt in uns (vgl. Röm 8,22-23,26). Dieses Seufzen hat seinen Ursprung in der Versklavung durch die Sünde und in der Sehnsucht nach Erfüllung. Und so wird es gut sein, wenn wir uns heute einmal fragen, ob es dieses Seufzen in uns gibt oder ob im Gegenteil nichts mehr in uns schreit, sich nichts mehr sehnt nach dem lebendigen Gott. (...) Wie der durstige Hirsch angesichts des knappen Wassers brüllt, so sollten auch wir uns bei der Suche nach der Tiefe, der Wahrheit und der Schönheit Gottes bemerkbar machen. (...)

Vielleicht hat uns die „Wohlstandsgesellschaft“ übersatt gemacht, überhäuft mit Dienstleistungen und Gütern, und wir sind am Ende „vollgestopft“ mit allem, mit allen Nichtigkeiten; vielleicht sind wir betäubt oder zügellos, aber nicht erfüllt. (...) Wir Männer und Frauen mit einer besonderen Weihe dürfen niemals zulassen, dieses Seufzen, diese Unruhe des Herzens zu verlieren, die nur im Herrn zur Ruhe kommt (vgl. Augustinus, Bekenntnisse, I, 1, 1). (...) Keine brandaktuelle Information, keine flüchtige virtuelle Kommunikation kann die konkreten, längeren Zeiten ersetzen, um das tägliche Zwiegespräch mit dem Herrn im Gebet und in der Anbetung zu erkämpfen – denn das ist es, eine kontinuierliche Anstrengung. Es geht darum, unsere Sehnsucht nach Gott zu pflegen, wie der heilige Johannes vom Kreuz einmal schrieb: »Darum bemühe dich, ständig im Gebet zu verweilen; und auch inmitten von körperlichen Betätigungen lass nicht davon ab. Ob du isst oder trinkst, ob du mit Weltleuten oder mit irgendetwas anderem zu tun hast, bewahre in deinem Herzen immer dabei ein Verlangen nach Gott, eine Hinneigung zu ihm in deinem Herzen« (Weisungen an einen Ordensgeistlichen zur Erlangung der Vollkommenheit, 9).

Dieses Seufzen kommt auch aus der Betrachtung der Welt, in der wir leben, es ist ein Hilferuf nach Fülle angesichts der Nöte unserer ärmsten Brüder und Schwestern, angesichts der Sinnlosigkeit im Leben der Jugend, der Einsamkeit der Alten, des Missbrauchs der Schöpfung. Es ist ein Seufzen, das nach einem gemeinsamen Vorgehen verlangt, um die Ereignisse einer Nation, einer Stadt zu beeinflussen; nicht in Form von Druck oder Machtausübung, sondern als Dienst.

Wir müssen vom Schrei unseres Volkes getroffen werden, wie Mose, dem Gott bei der Begegnung am brennenden Dornbusch das Leiden seines Volkes offenbarte (vgl. Ex 3,9). Das Hören auf die Stimme Gottes im Gebet lässt uns den Schmerz der anderen sehen, hören und erkennen, damit wir sie davon befreien können. Aber ebenso muss es uns erschüttern, wenn unser Volk aufgehört hat zu seufzen und jenes Wasser zu suchen, das seinen Durst stillt. Dies ist auch der Moment dafür, zu erkennen, was die Stimme unseres Volkes verstummen lässt.

Der Schrei, der uns Gott im Gebet und in der Anbetung suchen lässt, ist derselbe Schrei, der uns die Klage unserer Brüder und Schwestern hören lässt. Sie „hoffen“ auf uns, und wir müssen uns, ausgehend von einer sorgfältigen Unterscheidung, organisieren, wir müssen planen und in unserem Apostolat mutig und kreativ sein. Unser Wirken darf nicht der Improvisation überlassen bleiben, sondern muss auf die Bedürfnisse des Volkes Gottes eingehen und so den Teig durchsäuern (vgl. Apostolisches Schreiben Evangelii gaudium, 33).

Aber der Apostel spricht auch von Beständigkeit; einer Standhaftigkeit im Leiden, einer Beständigkeit beim Ausharren im Guten. Das bedeutet, auf Gott ausgerichtet zu sein, fest in ihm verwurzelt zu bleiben, seiner Liebe treu zu sein.

Ihr, die Älteren – und wie kann Bischof Sigitas Tamkevicius hier unerwähnt bleiben – werden diese Beständigkeit im Leiden, dieses „Hoffen gegen jede Hoffnung“ (vgl. Röm 4,18) bezeugen können. Weder Gewalt, die gegen euch aufgrund eurer Verteidigung der bürgerlichen und religiösen Freiheit ausgeübt wurde, noch Verletzung durch Verleumdung, weder Gefangenschaft noch Deportation konnten euren Glauben an Jesus Christus, den Herrn der Geschichte, zerstören. Deshalb habt ihr uns viel zu sagen und beizubringen und auch etliche Vorschläge zu machen, ohne dass man dabei die scheinbare Schwäche der Jugend verurteilen muss.

Und ihr Jüngeren, wenn ihr aufgrund von kleinen, entmutigenden Enttäuschungen dazu neigt, euch in euch selbst zurückzuziehen und in Verhaltensweisen und Ablenkungen flüchtet, die nicht eurer Weihe entsprechen, dann sucht nach euren Wurzeln und schaut auf den Weg, den die Älteren gegangen sind. (...) Es sind gerade die Prüfungen, die die Besonderheit der christlichen Hoffnung hervortreten lassen, denn wenn es nur eine menschliche Hoffnung ist, werden wir frustriert und im Scheitern erdrückt werden. Mit der christlichen Hoffnung passiert das nicht, sie kommt klarer, geläuterter aus dem Schmelztiegel der Drangsal hervor.

Es stimmt, dass dies heute andere Zeiten sind und wir in anderen Strukturen leben; aber es ist auch wahr, dass solche Ratschläge besser aufgenommen werden, wenn diejenigen, die diese harten Erfahrungen gemacht haben, sich nicht verschließen, sondern anlässlich gemeinsamer Treffen davon erzählen. Ihre Geschichten sind nicht voller Nostalgie für vergangene Zeiten, die als besser dargestellt werden, noch gespickt mit verdeckten Vorwürfen gegen diejenigen, die zerbrechlichere emotionale Strukturen haben. Die Beständigkeit einer Jüngergemeinschaft schöpft aus einem sicheren Vorrat, wenn sie – wie jener Schriftgelehrte – Neues und Altes zu verbinden weiß (vgl. Mt 13,52), wenn sie sich bewusst ist, dass die gelebte Geschichte die Wurzel des Baumes ist, die er zum Gedeihen braucht.

Schließlich bedeutet der Blick auf Jesus Christus als unsere Hoffnung, dass wir uns mit ihm identifizieren und an seinem Schicksal als Gemeinschaft teilhaben. Für den Apostel Paulus beschränkt sich das erwartete Heil nicht auf einen negativen Aspekt – Befreiung von innerer oder äußerer, zeitlicher oder eschatologischer Bedrängnis –, sondern es geht dabei um etwas äußerst Positives: die Anteilnahme am verherrlichten Leben Christi (vgl. 1 Thess 5,9-10), die Teilnahme an seinem himmlischen Reich (vgl. 2 Tim 4,18), die Erlösung des Leibes (vgl. Röm 8,23-24). Es geht also darum, das Geheimnis des einzigartigen und unwiederholbaren Plans zu ergründen, den Gott für einen jeden von uns hegt. Weil es niemanden gibt, der uns so gut kennt und uns so tief erkannt hat wie Gott, hat er uns zu etwas bestimmt, das unmöglich erscheint; er setzt unfehlbar darauf, dass wir Abbilder seines Sohnes werden. Er hat seine Erwartungen an uns und wir hoffen auf ihn.

Ein „Wir“, das das „Ich“ integriert und es zugleich aber auch übersteigt und über es hinausgeht; der Herr ruft, rechtfertigt und verherrlicht uns gemeinsam, und das geht so weit, dass er die ganze Schöpfung miteinschließt.

Oft haben wir unsere Aufmerksamkeit so auf die persönliche Verantwortung gelenkt, dass die Gemeinschaft schließlich nur noch zur Hintergrundkulisse, zu einer Dekoration geworden ist. Aber der Heilige Geist versammelt uns, versöhnt unsere Unterschiede und erzeugt neue Dynamiken, um die Sendung der Kirche zu beleben (vgl. Apostolisches Schreiben Evangelii gaudium, 131; 235).

Dieses Gotteshaus, in dem wir versammelt sind, ist den heiligen Petrus und Paulus geweiht. Beide Apostel waren sich des ihnen geschenkten Schatzes bewusst; beide waren eingeladen – zu verschiedenen Momenten und auf unterschiedliche Weise –, „auf den See hinauszufahren“ (vgl. Lk 5,4).

Im Boot der Kirche befinden wir uns alle und versuchen fortwährend zu Gott zu schreien, inmitten der Bedrängnis beständig zu sein und an Jesus Christus als Gegenstand unserer Hoffnung festzuhalten. Und dieses Boot hat als seine zentrale Aufgabe die Verkündigung einer erhofften Herrlichkeit. Diese besteht in der Gegenwart Gottes inmitten seines Volkes im auferstandenen Christus, die eines Tages, von der ganzen Schöpfung ersehnt, an den Kindern Gottes offenbar wird. Das ist die Herausforderung, die uns drängt: der Auftrag, das Evangelium zu verkünden. Das ist der Grund unserer Hoffnung und unserer Freude.

(...)

Die See auf die wir heute hinausfahren sollen, sind „die immer neuen Situationen und Herausforderungen“ dieser Kirche im Aufbruch. Wir müssen uns erneut fragen: Was verlangt der Herr von uns, und welche sind die Randgebiete, die unsere Präsenz am meisten brauchen, damit wir ihnen das Licht des Evangeliums bringen? (vgl. Apostolisches Schreiben Evangelii gaudium, 20).

Wenn wir das nicht tun, wer kann uns dann glauben, dass Jesus Christus unsere Hoffnung ist? Nur an unserem gelebten Beispiel wird der Grund unserer Hoffnung auf ihn sichtbar.

(...)


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