Gott geht nicht an dir vorüber

10. Oktober 2018 in Jugend


Er sieht dich. Wendet sich dir zu. Und erschüttert die Welt mit einem Wunder - Die Jugendkolumne von kath.net - Diese Woche ein Beitrag von Lucia Kirchgasser


Salzburg (kath.net)
Ich arbeite in einem Kloster. Gestern kurz vor meiner Mittagspause kommt eine sehr liebe Schwester zu mir in die Küche und bittet mich mitzukommen. Sie ist ernsthaft besorgt und ich frag mich schon, was wohl los ist. Draußen im Hof zeigt sie mir einen Schmetterling, ein wirklich ausgesprochen schöner Schmetterling. Aber irgendetwas ist mit ihm nicht mehr in Ordnung, denn er kann nicht mehr fliegen und irrt, Flügel schlagend, wirr am Boden herum. Die Schwester ist in einer Zwickmühle, weil er einerseits sichtbar leidet und sie dieses Leiden gerne beenden würde, andererseits ist er noch zu lebendig, um mit gutem Gewissen ein bisschen Sterbehilfe zu leisten. Letzten Endes haben wir ihn dann zum Sterben in den Garten zu den Blumen und in die Sonne gebracht..

Ja, es klingt ein bisschen schrullig und manche von euch denken sich jetzt vielleicht: „Haben diese Schwestern nichts Besseres zu tun, als sich um einen Schmetterling zu sorgen.“ Aber ich weiß es besser. Ich sehe den Alltag dieser besonderen Frauen und einen ganzen Berg von Arbeit, den sie gar nicht mehr alleine bewältigen können.

Es gibt so viel zu tun und diesen akkuraten Zeitplan, immer pünktlicher Gebetsbeginn, und dennoch eilt diese Schwester nicht einfach am Kleinen und Unscheinbaren vorüber. Sie bemerkt diesen Schmetterling und wendet sich ihm zu.

Achtsamkeit. So kostbar und selten..

Diese Schwester hat in den Augen dieser Welt nichts Bemerkenswertes in ihrem Leben erreicht, so unscheinbar, über 20 Jahre in einer Klausur. Sie hat kein Empire State Building errichtet oder die Kirche revolutioniert. Aber ich bin mir sicher, sie wäre damals nicht am Stall von Bethlehem vorübergegangen.

Mir geht es gerade so oft so, dass ich so fixiert auf ein Ziel bin, dass ich einfach nur blind und stur drauflos geh. Der Weg dorthin ist ein notwendiges Übel. Ich schau gar nicht nach links oder rechts, nur auf das, was noch nicht da ist. Und ich merke gar nicht, wie viel mehr Gott mir noch schenken will, welche Wunder mich umgeben und wie kostbar jeder einzelne Schritt ist, den er mit mir geht.

Jesus war da ganz anders. Er hatte ein klares Ziel vor Augen, aber der Weg dorthin war geprägt von Innehalten und dem Einzelnen begegnen. Wie oft hat er das Kleine, Unscheinbare allein durch seine Aufmerksamkeit und Zuwendung für alle groß gemacht?!

Auch bei der Geschichte mit der Brotvermehrung hätte er einfach alle satt machen können. Ganz ohne Brot und Fisch, einfach satt. Ein klares Ziel – Hunger beenden - und los. Aber stattdessen hat er einen herrlichen Umweg gemacht und erst einmal die Jünger mit einem neuen Problem konfrontiert. Wenig begeistert fragen die sich in Joh 6, was sie mit 5000 hungrigen Männern machen sollen. Und ja, ich kann das dezente Gefühl von Überforderung bei dieser Aufgabenstellung durchaus nachvollziehen.. Wieso kann es nicht einfach mal einfach sein? Immerhin sind sie nicht mit irgendwem, sondern mit dem Sohn Gottes unterwegs.. Wieso tauchen da überhaupt Probleme auf, wenn Gott ja für uns sorgt. Wieso kann es nicht wenigstens einmal schnell und unkompliziert ablaufen?
Die Jünger sehen nur ein riesiges, unlösbares Problem, dass ihr eigentliches Ziel, einfach mal mit Jesus alleine zu sein, in unerreichbare Ferne rücken lässt.

Sie sehen nur, dass sie zu wenig haben. Sie sehen nur, was sie nicht haben.. Jesus dagegen sieht jede Menge Potential für ein Wunder! Und wie „langweilig“ wäre die Geschichte doch gewesen, wäre alles nach Plan gelaufen 

Was sich wohl der kleine Junge an diesem Tag gedacht hat? Bestimmt hat er nicht damit gerechnet, was dieser Mann namens Jesus aus seinem jämmerlichen Korb alles rausholen kann.

Dieser kleine Junge ist in der Welt der Menschen so unwichtig, dass man im Nachhinein nicht einmal mehr seinen Namen weiß. Wie bei einem Schmetterling, konnte sich wohl nur einer unter Tausenden daran erinnern, an ihm vorbeigegangen zu sein. Aber Gott sieht ihn und denkt sich „YES! Da mach ich was draus!“. Er sieht dich. Er sieht mich. Egal, ob du der kleine Junge in der Menge bist, der scheinbar nichts zu bieten hat oder verletzt und verstört herumirrst und vergessen hast, wie man fliegt.. Gott geht nicht an dir vorüber. Er sieht dich. Wendet sich dir zu. Und erschüttert die Welt mit einem Wunder!


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