Die drei Ave

6. November 2018 in Spirituelles


„Die Kirche war leer. Nur vorn, vor einem Marienaltar, stand ein Mann und bewegte die Lippen. Sein Alter war schwer zu schätzen, seine Haltung irgendwie trotzig.“ – Gedanken eines Nichttheologen. Von Stefan Fleischer


Grenchen (kath.net/sf) Unser Religionslehrer in Internat, nennen wir ihn einmal Pater Meier, erzählte uns diese Geschichte. Ich habe sie nie ganz vergessen. Sie hat mich mehr oder weniger mein ganzes bisheriges Leben begleitet.

Unterwegs in einer ihm fremden Stadt, so erzählte Pater Meier, habe er sich einmal irgendwie verlaufen. Als er sich umsah erblickte er eine bescheidene, kleine Kirche. Im Reiseführer war sie nicht aufgeführt. Plötzlich fiel ihm ein, er könnte doch dort ein wenig ausruhen und sein Brevier beten. Also trat er ein. Die Kirche war sehr einfach, irgendwie stillos. Und sie war leer. Nur vorn, vor einem Marienaltar, stand ein Mann und bewegte die Lippen. Sein Alter war schwer zu schätzen, seine Haltung irgendwie trotzig. Auch schien er etwas herunter gekommen zu sein. Plötzlich drehe er sich um und wollte gehen.

"Kann ich Ihnen irgendwie helfen?" hörte sich Pater Meier plötzlich fragen. "Mir kann niemand helfen!" entgegnete der Andere, blieb aber stehen. "Warum?" fragte Pater Meier weiter. Ein misstrauischer Blick traf ihn. "Setzten Sie sich doch ein wenig." Versuchte er es nochmals. Der Fremde zögerte. Pater Meier setzte sich, jener auch.

Es wurde eine lange Geschichte. Als junger Mann war dieser von zu Hause ausgezogen. Die Frömmigkeit seiner Mutter und ihre ständigen Ermahnungen gingen ihm auf den Nerv. Er wollte frei sein und anderswo sein Glück versuchen. Die Mutter rang ihm das Versprechen ab, jeden Tag drei Ave zu beten. Dann ließ sie ihn gehen. Daran habe er sich gehalten. Irgendwie brachte er es nicht über sich, das Versprechen, das er seiner Mutter gegeben hatte, zu brechen. Zuerst ging alles gut. In der Stadt fand er eine gute Stelle. Hin und wieder, je länger je seltener, besuchte er seine Mutter. Und jedes Mal frage sie ihn, ob er denn auch brav seine drei Ave betete. Noch immer konnte er ruhigen Gewissens mit Ja antworten. Aber sein Glaube war schon längst auf den Nullpunkt. Die drei Ave wurden ihm immer lästiger. Dann kamen Frauengeschichten dazu und ein Freund, der ihn betrog. Er rutschte in den Alkohol, wurde nachlässig bei seiner Arbeit und verlor seine Stelle. Nun wagte er es schon gar nicht mehr, heimzugehen. Was er nun machen werde, wisse er nicht, aber sicher nicht mehr beten. Das habe er jetzt "dieser Dame da vorn" gesagt.

"Und was hat diese Dame da vorn gesagt?" fragte Pater Meier, als der andere schwieg. "Nichts!" fuhr dieser auf. "Gar nichts" Nur angeschaut habe sie ihn, so wie ihn immer seine Mutter angeschaut habe, wenn er wieder einmal ungehorsam war. "Sie würden also gerne zu Ihrer Mutter gehen? Da könnte ich Ihnen vielleicht helfen. Wo wohnt sie denn?" Ein Wort gab das andere und daraus wurde schlussendlich eine gute Beichte. Als ihm der Priester dann das Geld für den Heimweg gab, da hatte er Tränen in den Augen.

Er sei fest überzeugt, meinte Pater Meier dann, dass diese Bekehrung den drei Ave zu verdanken sei. Und mehr noch, auch ihm habe diese Begegnung geholfen in einer Krise, in der er selber damals gesteckt hätte. Diese "rein zufällige" Begegnung habe ihm das Vertrauen in Gottes Vorsehung wiedergeschenkt. Sie habe ihm gezeigt, dass er auf dem Weg, den er gewählt hatte, immer dort gebraucht werde, wo Gott ihn hinstellen würde. Diese Erfahrung habe auch später immer wieder machen dürfen. Was aus diesem Mann schlussendlich geworden sei, wisse er nicht. Er sei aber ihm und seiner Mutter immer noch sehr dankbar für diese "drei Ave".

kath.net-Buchtipp
Heiligkeit für Anfänger
Ein Wegbegleiter
Von Stefan Fleischer
Taschenbuch, 156 Seiten
2011 BoD
ISBN 978-3-8448-0949-7
Preis 12.40 EUR

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Foto Stefan Fleischer


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