Das Licht im Land der Schatten

5. Jänner 2019 in Jugend


Eine Szene aus dem Buch „Der Herr der Ringe“1 von Tolkien hat mich diese Tage besonders bewegt - Ein Beitrag im Rahmen der kath.net-Jugendkolumne von Dubravka Križić


Linz (kath.net)
Zwei Freunde auf dem Weg in die dunkle Wirklichkeit. In ihren wohlgesinnten Herzen
hätten sie wohl nie erahnt zu welcher Tapferkeit sie fähig wären. Um ihrer Berufung gerecht
zu werden, erstreben sie gemeinsam das Böse zu überwältigen, mitten im Land der Schatten.

Nur wenig tragen sie mit sich, und das wertvollste von allem: ihre Freundschaft. Frodo und
Sam haben sich von ihren Gefährten getrennt und sind nun allein auf dem Weg nach Mordor, dem Land der Schatten. Es ist nicht leicht dem Bösen so einfach ins Gesicht zu schauen. Auf ihrem Weg werden sie von Versuchungen und Gefahren heimgesucht. Im Pass von Cirith
Ungol stoßen sie auf einen Dämon in Gestalt einer Spinne – Kankra (orig. Shelob). Um sie herum ist alles dunkel. Sie stößt jegliches Licht ab und die Dunkelheit ist so finster, dass sogar atmen, denken und hoffen kaum möglich scheint. Frodo fällt zu Boden. Sam tut alles um seinen Meister zu retten. Sein treuherziges Gemüt lässt ihn nicht lange nachdenken: er folgt seinem
Herzen und besiegt den Dämon. Sam – dieser einfache Gärtner aus dem Auenland, ohne besondere Bildung, ohne kämpferische Erfahrungen, ohne viel nachzudenken, überwältigt das
Böse mit der reinen Kraft der Treue zu seinem Meister. Er tut wie ihm befohlen wurde: seinem
Meister nie von der Seite zu weichen. Doch Frodo liegt auf dem Boden – leblos. Was ist nun
zu tun? Was ist Sams Aufgabe auf diesem Weg ohne Frodo? Er war doch hier nur seines Meisters wegen. Ihm wurde nicht aufgetragen den Ring in Mordor zu zerstören. Seine Aufgabe
war Frodo zu begleiten, ihm treu zu bleiben. Sam steht vor schweren Entscheidungen.

Soll er bei Frodos leblosem Körper bleiben, ihn beschützen, dass er nicht von Ungeheuern verunglimpft wird? Oder soll er eigenwillig Frodos Bürde auf sich nehmen, den Ring an sich reißen und ihn auf ewig zerstören? Es sind jene dieser Entscheidungen, die einem den Kopf
zerbrechen, ja sogar das Herz brechen. Es scheint als wäre alles ganz plötzlich schiefgelaufen
und man stände da mitten auf stürmischer See, ohne Hoffnung, ohne Rettung, ohne seinen
Meister.

“'What shall I do, what shall I do? ' he said. `Did I come all this way with him for nothing? ' And then he remembered his own voice speaking words that at the time he
did not understand himself, at the beginning of their journey: I have something to do before the end. I must see it through, sir, if you understand.”

Sam ist zu tiefst verletzt. Wie wird er den Tod seines Meisters jemals überwinden können? War alles wahrhaftig vergebens? In seinem Herzen spürt er, dass er trotz des tiefen Schmerzes selbst noch etwas zu vollbringen hat. Bevor das Ende naht steht ihm allein – dem
einfachen Gärtner aus dem Auenland – noch etwas bevor. Was das wohl sein mag ist ihm selbst nicht ganz bewusst. Schweren Herzens beschließt er sich, Frodos Aufgabe zu übernehmen und den Ring bis nach Mordor zu bringen. Doch wenige Zeit später bereut er seine Entscheidung
schon, denn es trifft genau das ein was er zuerst befürchtet hatte: zwei Ungeheuer, Orks, verschleppen den Leib seines Meisters. Für Sam ist es nicht wichtig, dass es sich nur um einen leblosen Körper handelt. Er kann es nicht zulassen, dass der Leib seines Meisters verunglimpft wird – ob tot oder lebendig. Den Orks auf der Spur, lauscht Sam ihrem Gespräch nach.

Die zwei Ungeheuer diskutieren darüber was sie mit ihrem Fund anstellen sollen, um was für ein
Wesen es sich überhaupt handle, und welcher mächtige Krieger es wohl geschafft hat Kankra in die Enge zu zwingen. Eins wird schnell klar: dieser kleinwüchsige Halbling, den die Spinne zurückgelassen hat, ist nicht tot! Als Sam das hört, steht plötzlich seine ganze Welt still.

Alles was dunkel war, wird plötzlich hell. Keine Finsternis ist finster genug um nicht gebrochen zu werden vom Licht solcher Hoffnung. Tief in seinem Herzen wusste er es:

“'You fool, he isn't dead, and your heart knew it. Don't trust your head, Samwise, it is not the best part of you. The trouble with you is that you never really had any hope. Now what is to be done?'”

Das bloße Fehlen an Hoffnung kann manchmal die Welt ganz dunkel erscheinen lassen. Sam hatte all seine Hoffnung verloren und konnte einfach nichts mehr sehen in all dieser Finsternis. Doch in seinem Herzen wusste er, dass Frodo nicht tot war. Es braucht nicht viele
Worte, um zu erkennen wie viel gesagt wird in dieser Szene aus „Der Herr der Ringe“. Jeder
versteht wie echt und tiefgründig die Freundschaft zwischen Sam und Frodo ist, wie selbstlos
und ehrlich Sams Beweggründe sind, wie sehr er seinen Meister achtet und liebt.

Wie haben sich die Jünger wohl gefühlt als sie dachten Christus wäre tot? Diesen einfachen Fischern am Ufer des Jordans wurde – ohne viele Worte – auf einmal eine Berufung zuteil, die größer war als alles was sie sich jemals erhofft hätten. Wie mögen sie sich gefühlt
haben als Christus leblos am Kreuz hing – gefoltert, verhöhnt, ermordet. Ihre Welt brach zusammen. Niemand hätte erahnt wie grausam und ungerecht der Mensch nur sein kann. Was ist nun noch übrig von ihrer Berufung, von ihrer Hoffnung?

Was sollen sie denn nur tun ohne
ihren Meister? Diese drei Tage waren wohl so dunkel wie in der Spinnenspalte, wo kein Licht
atmen, denken und hoffen kann. Und dann plötzlich, ganz unerwartet, kam Er doch, mitten in die finsterste Finsternis und ward Licht. Doch war es so unerwartet? Hatte Christus ihnen nicht
gesagt, Er wäre der Weg, die Wahrheit und das Leben? Hatte Er ihnen nicht gesagt, dass Er
allein das ewige Leben sei? Tief in ihren Herzen wussten sie, dass Sein Tod nicht das Ende war.

Wie haben sie sich bloß gefühlt als Er plötzlich wieder mitten unter ihnen war? Die Freude muss unfassbar gewesen sein. Das Tal der Tränen wurde zur Quelle einer Hoffnung, die dieser dunklen Welt Licht und Leben schenkt.

Was stand also Sam noch bevor vor dem Ende? Er hatte eine Aufgabe: seinem Meister niemals von der Seite zu weichen. Es ist ganz einfach, nicht leicht zu vollbringen aber doch
einfach. Christus ruft uns auf Ihm nachzufolgen. Ihm nicht von der Seite zu weichen. Ihn als
Kind in den Schlaf zu wiegen. Seinem Wort Folge zu leisten. Ihm das Schweißtuch zu reichen. Sein Joch auf sich zu nehmen. Unterm Kreuz Sein Blut aufzufangen. Und schließlich in alle Welt, bis ans Ende der Welt Sein Licht zu tragen.

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