Der Irrglaube des Bischofs von Hildesheim

8. Jänner 2019 in Kommentar


Dieser Irrglaube von Bischof Wilmer trat bereits in der Antike auf und wurde auch sogleich erfolgreich bekämpft, und zwar von keinem geringeren als dem Heiligen Augustinus.- Die Monatskolumne von Sebastian Moll


Linz (kath.net)
Die Zeiten sind ernst. Das merkt man spätestens dann, wenn man sich in einer theologischen Debatte auf die Seite von Kardinal Woelki schlagen muss. Aber was soll man anderes tun, wenn der Kölner Kardinal den Bischof von Hildesheim zurechtweist, weil dieser der Kirche nun im Zuge des Missbrauchsskandals tatsächlich auch noch ihre Heiligkeit absprechen will? Viele fragen sich seither, wer oder was den Bischof wohl geritten haben mag, eine solch absurde Aussage zu treffen. Viel spannender erscheint mir allerdings die Frage, welche Art von theologischer Ausbildung dieser genossen bzw. nicht genossen haben mag, wenn er nicht weiß, dass unser Bekenntnis zur Heiligkeit der Kirche, wie es seit den frühesten Konzilen ausgesprochen wird, nichts mit dem Glauben an Sündlosigkeit der Kirche oder ihrer Glieder zu tun hat.

Dieser Irrglaube trat bereits in der Antike auf und wurde auch sogleich erfolgreich bekämpft, und zwar von keinem geringeren als dem Heiligen Augustinus. In seinem (oft unterschätzten) Werk Über den Glauben und die Werke schreibt der Bischof von Hippo: „Der Herr selbst hat ein unvergleichliches Beispiel der Geduld gegeben, da er bis zu seinem Leiden den Teufel sogar unter den zwölf Aposteln ertrug. Er sagte: ‚Lasst beides wachsen bis zur Ernte, damit ihr nicht etwa, wenn ihr das Unkraut sammeln wollt, zugleich den Weizen mit ausreißt‘ […] Eben diese Vorschriften bestärken uns so sehr darin, dass wir auch das Unkraut in der Kirchen wuchern sehen und darin trotzdem weder ein Hindernis für unsern Glauben oder unsere Liebe erblicken, noch einen Grund, der uns die Kirche verlassen ließe […] Vielmehr sollten wir uns der Gleichnisse der Heiligen Schrift entsinnen, der göttlichen Weissagungen und der zuverlässigen Beispiele, durch die vorausgesagt und bewiesen ist, dass die Bösen mit den Guten in der Kirche vermischt sein werden bis an das Ende der Welt, bis zu der Zeit des Gerichts, und dass den Guten, die nicht in ihre Taten einstimmen, aus der Einheit mit ihnen und aus ihrer Teilhabe an den Sakramenten kein Schaden erwachsen wird.“

Wohl der Kirche, die solche Bischöfe vorzuweisen hat! Übrigens haben auch die Kirchen der Reformation diesen Grundsatz niemals aufgegeben oder uminterpretiert. Im Augsburger Bekenntnis der Lutheraner (1530) heißt es beispielsweise: „Ebenso, obwohl die christliche Kirche eigentlich nichts anderes ist als die Versammlung aller Gläubigen und Heiligen, jedoch in diesem Leben unter den Frommen viele falsche Christen und Heuchler, auch öffentliche Sünder bleiben, sind die Sakramente gleich wohl wirksam, auch wenn die Priester, durch die sie gereicht werden, nicht fromm sind; wie denn Christus selbst sagt: „Auf dem Stuhl des Mose sitzen die Pharisäer.‘“ Und in den 39 Artikeln der Anglikanischen Kirche lesen wir: „Obwohl in der sichtbaren Kirche die Bösen immer mit den Guten vermischt sind und manchmal auch böse Menschen das Predigtamt und die Verwaltung der Sakramente ausüben, können wir – insofern diese nicht in ihrem eigenen, sondern in Christi Namen handeln und nach seinem Auftrag und in seiner Vollmacht ihren Dienst verrichten – ihren Dienst sowohl beim Hören des Wortes Gottes als auch beim Empfang der Sakramente annehmen.“

In diesem letzten Abschnitt kommt es noch einmal zum Ausdruck: Die Kirche ist heilig, weil Christus heilig ist. Die Kirche ist heilig von ihrem Auftrag, von ihrer Stiftung her, nicht aufgrund der Moral ihrer Mitglieder oder Amtsträger. „Sie ist zugleich heilig und stets der Reinigung bedürftig, sie geht immerfort den Weg der Buße und Erneuerung.“ (Lumen Gentium) Diesen Weg gilt es auch und gerade angesichts des unsagbaren Schreckens des sexuellen Missbrauchs zu gehen. Wer hingegen meint, deshalb die Kirche verlassen zu müssen – was ja im Grunde die einzig logische Konsequenz aus der Haltung des Hildesheimer Hirten wäre – hat nichts, aber auch gar nichts verstanden.



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