Es geht um Gottes Herzschlag

1. Februar 2019 in Kommentar


Jesus wird nicht nach Berlin, nicht nach Wien, nicht nach New York zurückkehren. Sondern nach Jerusalem - BeneDicta am Freitag von Inka Hammond


Linz (kath.net)
Am 27.1. wurde weltweit den Verbrechen gedacht, die während des Holocausts begangen wurden. Auf Facebook erschienen auf meiner Timeline schwarz-weiß Fotos, die ausgemergelte KZ Häftlinge zeigten, die berühmt-berüchtigten Bahngleise von Auschwitz Birkenau und Viehwaggons, die die Opfer quer durch Europa in die Vernichtungslager transportierten. Immer mit den Hashtags #neveragain und #weremember.

Als Teenager habe ich Auschwitz besucht. Im tiefsten Winter fror ich selbst in meiner Daunenjacke und ich konnte mir beim besten Willen nicht vorstellen, wie die Häftlinge damals in ihren dünnen Kitteln, meist ohne Schuhe, dem klirrend kalten Wind stand gehalten haben. Ich kann mich daran erinnern, wie ich fassungslos vor dem Glas stand, hinter dem Berge von Menschenhaar ausgestellt waren. Abgeschnittene Zöpfe, zur Weiterverarbeitung von Stoffen.

Brillen, die den Opfern abgenommen wurden, Schuhe, Koffer, fein säuberlich mit den Namen der Eigentümer beschriftet. Ich weiß noch, wie ich das Holz der Pritschen in einer Baracke berührte, als könnte ich etwas Menschlichkeit, etwas Sanftheit an einen so schrecklichen, abgrundtief bösen Ort bringen.

Seitdem bin ich eine glühende Verfechterin des Erinnerns. Wir müssen uns erinnern, damit wir nicht noch einmal versagen.
Genau deshalb bin ich immer wieder fassungslos, wenn ich die Nachrichten sehe oder höre. Auf deutschen Straßen ist es schon längst wieder salongfähig geworden, antisemitische Parolen zu brüllen. Juden werden auf offener Straße angegriffen, weil sie eine Kippa oder eine Davidssternkette um den Hals tragen. Antisemitismus wird leider auch allzu oft nett unter dem Deckmantel der Israelkritik versteckt. Nicht ganz so offensichtlich, sondern anscheinend politisch korrekt, wird Israel gehasst. Die weltweite BDS Kampagne ruft dazu auf, jüdische Produkte nicht zu kaufen. Auch das wird mit Israelkritik kaschiert. Doch das ‚Kauft nicht bei Juden‘ kommt mir bekannt vor.

Und wie schaut es bei uns Christen aus? Ich kann mich gut an eine gläubige Frau erinnern, der ich von meiner Liebe zum jüdischen Volk erzählte. Aufbrausend wies sie mich zurecht, dass wir Christen doch den Platz der Juden eingenommen hätten! Die Juden seien unwichtig, hätten ihre Chance schon längt verspielt!

Ersatztheologie vom Feinsten. Mich hat das schockiert, aber ich habe längst festgestellt, dass das eine absolut gängige Einstellung unter Christen ist. Und wenn man nicht ganz so weit gehen mag, dass wir als Heiden den Platz den Juden streitig gemacht haben – dann ist man gleichgültig und hat zumindest eine klare Meinung zum Thema Palästinenser. Aber das jüdische Volk lieben? Brennend Fürbitte tun für Israel? Eher nicht.

Israel als Land und als Volk ist in unserer Zeit wieder in großer Bedrängnis. Es schaudert mich, wenn ich Argumente höre, dass Israel ja mit seiner Politik selbst schuld sei an dem Schlamassel, in dem sie stecken. Das Land will ich sehen, dass sich nicht verteidigt, wenn Grenzen angegriffen werden, Luftballons mit Sprengsätzen ganze Felder verbrennen und Menschen auf offener Straße kaltblütig niedergestochen werden. Alltag in Israel. Wir sollten uns als Deutsche, und als Christen besonders, sehr gut überlegen, inwiefern wir Israel verurteilen. Oder inwiefern wir uns dazu entscheiden, Israel einfach zu ignorieren.

Dabei geht es gar nicht so sehr um Politik. Es geht um Gottes Herzschlag. Er liebt sein Volk, wie am Anfang. Römer 11 lässt da keinen Zweifel offen. Der Psalmist schreibt: ‚Wenn ich dich jemals vergesse, Jerusalem, soll meine rechte Hand gelähmt werden. Meine Zunge soll mir am Gaumen kleben, wenn ich nicht mehr an dich denke, wenn Jerusalem nicht mehr meine höchste Freude ist.‘ (Psalm 137,5) Jesus wird nicht nach Berlin, nicht nach Wien, nicht nach New York zurückkehren. Sondern nach Jerusalem. Er wird seine Füße auf den Ölberg setzen, nicht auf den Piccadilly Circus oder den Kudamm. Spätestens dann werden wir alle nach Israel blicken.
Es ist mir ein Anliegen, das wir lernen für Israel zu beten, Israel zu segnen und uns eins zu machen mit der Sehnsucht Gottes, das sein Volk den Messias erkennt und annimmt. Es ist wertvoll, sich zu erinnern. Es ist wichtig, sich immer wieder neu erschüttern zu lassen, über das grauenvolle Unrecht des Holocausts. Aber da dürfen wir nicht stehenbleiben. Wir müssen erinnern und gleichzeitig die Gegenwart mitgestalten. Antisemiten dürfen nicht die Oberhand gewinnen. Unser Glaube gebietet es uns, dass wir uns an die Seite des jüdischen Volkes stellen.


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