Wohin soll´s gehen?

8. März 2019 in Kommentar


Über Gefühl, Freiheit und die Frage, wem ich wirklich nachfolge - BeneDicta am Freitag von Linda Noé


Linz (kath.net)
Der Gedanke, nicht frei und so wie man es selbst möchte entscheiden zu können, ist der Horror für den modernen Menschen, der darin meines Erachtens oft einem rebellischen und pubertierenden Jugendlichen nicht unähnlich ist. Es hat Zeiten gegeben, in denen ich stolz darauf gewesen bin, mich ganz von meinen Gefühlen leiten zu lassen. Herz und Gefühl waren dabei für mich Synonyme und der Verstand meiner Ansicht nach viel beengter und kleiner als das, was mir mein „Herz“ sagt. Man muss kein Christ sein, um Unfreiheit an sich als nichts Erstrebenswertes zu erachten. Freiheit ist ein hohes Gut, das jeder Mensch, ob Christ oder nicht, für wertvoll hält und in seinem Leben auf verschiedenste Art, je nach Erkenntnisstand, zu realisieren versucht. Genau wie der Begriff „Liebe“ allerdings, ist auch die „Freiheit“ wohl einer der am meisten verzerrten und missverstandenen Schlagworte in der Menschheitsgeschichte.

Gott, der Schöpfer, hat mir Freiheit in Gedanken, Worten und Werken gegeben. Freiheit, die man notwendiger Weise braucht, um zur Liebe fähig zu sein. Wenn ich mich von meinen Gefühlen leiten lasse, wer oder was sitzt eigentlich am Steuer bei mir, tagein tagaus? Diese Frage habe ich mir in meinem Leben lange nicht gestellt, zumindest nicht, bis Jesus in mein Leben gekommen ist. In meinem überzeugten Handeln nach Gefühl hätte ich gesagt: „Genau das bin (halt) ich!“ So zu handeln, wie das Gefühl es einem eingibt, verschafft oft erst einmal Erleichterung und die Illusion von Freiheit. Wenn ich, und das ist eine wahre Geschichte, meinen Küchenkasten aus lauter Wut mit aller Kraft zuknalle, dann fühlt sich das im ersten Moment unheimlich befreiend an - nämlich genau so lange, bis mir die Glasscheibe prompt entgegenfällt und in tausend Scherben zerbricht- ziemlich kurz.

Ein weiterer bedenkenswerten Nachteil der Lebensweise „Handeln nach Gefühl“ liegt in der sturen Präsenz auch von ungewollten Gefühlen, die wir alle kennen. Jeder Therapeut kann wohl ein Lied davon singen, wie viele Menschen so oder ähnlich jammern: „Ich weiß...ich sollte nicht so wütend werden im Straßenverkehr, die anderen wollen ja auch nur nach Hause.“ „Es ist eigentlich so dumm so lange um meinen Hund zu trauern, es ist ja nur ein Haustier...“ Wir jagen einem unmöglichen Standard nach, verdammen uns möglicherweise selbst und entfernen uns dadurch von Gott, wenn wir uns zwingen wollen, dieses oder jenes zu fühlen oder nicht zu fühlen. Gefühle kommen und gehen. Insofern sind wir in Folge sehr unfrei, wenn wir aus Prinzip den Emotionen folgen. Ein Spruch, der mich kürzlich inspiriert hat, ist: „Gefühle sind gute Diener, aber sehr schlechte Herrscher“.

Wer oder was soll also in mir den Ton angeben, wer bestimmt im Alltag in all den kleinen Dingen, wohin es geht, wozu ich mich entscheide?

Der Beginn der Fastenzeit ist ein guter Anlass, um über die persönliche Freiheit nachzudenken, ohne jedoch auch nur im geringsten den Anspruch zu haben, das umfassend tun zu können.
„Zur Freiheit hat uns Christus befreit. Bleibt daher fest und lasst euch nicht von neuem das Joch der Knechtschaft auflegen!“ (Gal 5,19). Freiheit nicht hoch zu achten wäre gleichbedeutend damit, das Geschenk, das Christus uns erwirkt hat, nicht anzunehmen.

Wir Christen haben großartige Offenbarung Gottes über unsere Freiheit, die uns von allen anderen menschlichen Wegen auf der Suche nach Gott unterscheidet. Der Begriff „Freiheit“ hat die größten Kirchenlehrer und Philosophen wie den Heiligen Thomas von Aquin und Anselm von Canterbury nicht wenig beschäftigt.

Zunächst kennen wir die Wahlfreiheit, die den meisten Menschen wohl als erstes in den Sinn kommen würde, wenn wir über dieses Thema sprechen. Wir entscheiden, ob wir schnell oder langsam gehen, Pommes oder Schnitzel essen wollen, Wasser oder Saft bevorzugen.

Eine viel tiefere Freiheit spricht der Heilige Anselm mit „Libertas“ an, wenn er sagt.“ Nichts ist freier als ein rechter Wille.“ Völlige Freiheit in diesem Sinne bedeutet Freiheit für das Gute. Die Möglichkeit, das zu tun, was wirklich Gut ist, ohne innere Einschränkung. Ich weiß, was das anzustrebende Gut ist, und ich kann es befolgen, ohne furchtbare innere Kämpfe zu durchleiden denen ich, je länger das geht, möglicherweise unterliege.

Gott selbst ist für die Libertas der Maßstab. Wir würden selbstverständlich sagen: Gott ist frei, er kann alles tun. Aber kann er auch sündigen? Nein, das kann er nicht, denn kann nicht von sich selbst abfallen, Er kann „nur“ JA sagen dem was wahr, gut und schön ist.

Die Knechtschaft, vor der Paulus im Galaterbrief warnt, in die wir nicht zurückzukehren sollen, ist die, das Gute nicht zu wählen, von der Sünde getrieben zu sein.
Die Meisten von uns haben eine recht genau Vorstellung davon, was für eine Art Mensch wir gerne sein würden - liebevoll sein, gerecht, wahrhaftig und vieles mehr. Das Problem ist also nicht, dass wir nicht wissen wohin es gehen soll, sondern wenn wir noch nicht frei sind im Sinne der Libertas, die der Heilige Anselm beschreibt. Wenn wir anstatt dessen von Stolz, Zorn, Trägheit, Menschenfurcht.. (wir kennen unsere persönlichen Unfreiheiten) gefangen sind.

Die Wahrheit ist, dass Christus diese Ketten von uns genommen hat. Er selbst war ganz frei dazu, ausschließlich JA zum Willen des Vaters zu sagen, bis zum Kreuz, und diese Freiheit schenkt er uns. Zur Freiheit hat uns Christus befreit. Es ist schon geschehen!

Gleich zu Beginn dieser Fastenzeit haben wir in der gestrigen Lesung gehört: „Wer mein Jünger sein will, der verleugne sich selbst, nehme täglich sein Kreuz auf sich und folge mir nach.“

Jesus will ich nachfolgen, der frei war, ganz den Willen des Vaters zu tun, bis zum Tod am Kreuz. Nicht mehr will ich folgen meinen Gefühlen, meinen persönlichen Unfreiheiten, meinen eigenen verschlungenen Wegen, die mich wie ein Blatt im Wind mal hierhin, mal dahin treiben. Dein Weg, Jesus ist der Königsweg.


Das ist mein Gebet für diese Fastenzeit für mich und alle Leser:

Diese uns von Gott geschenkte Freiheit zur Nachfolge Jesu, zum großen JA zu Gottes Willen, in der Anbetung und Lesung der Bibel zu betrachten, sie immer mehr zu ergreifen und danach leben, in der täglichen und ganz konkreten Annahme meines Kreuzes.

Gott geht mit uns und schenkt uns den Sieg über alles, was uns davon abhalten will, in Jesus Christus. Mögen wir Quantensprünge und große Freude an allen auch noch so kleinen Siegen im Alltag erleben.



© 2019 www.kath.net