„Maria, die Hörende, Nachfragende und Zustimmende“

22. Juli 2019 in Spirituelles


„In verschiedenen Städten waren Marienbilder mit zugeklebtem Mund zu sehen. Dies war eine Aktion von 'Maria 2.0', die der Kirche vorwirft, sie würde die Frauen zum Schweigen bringen.“ Predigt des Rektors von Marienfried, Georg Alois Oblinger


Marienfried (kath.net) kath.net dokumentiert die Predigt von Rektor Georg Alois Oblinger bei der Marienfeier am Großen Gebetstag in Marienfried in voller Länge.

Liebe Brüder und Schwestern im Glauben,

gewiss haben Sie alle ein Handy. Unsere Kommunikation hat sich in den letzten Jahren gewaltig verändert, da wir durch das Mobiltelefon jederzeit und an jedem Ort erreichbar sind. Das setzt natürlich voraus, dass das Handy auch eingeschaltet ist. Es gibt Zeiten, da sollte man das Handy ausschalten, wie zum Beispiel jetzt beim Gottesdienst. Aber sonst muss ich das Handy einschalten um überhaupt für andere erreichbar zu sein.

In unserer Gottesbeziehung ist das ganz ähnlich: Damit Gott mich überhaupt erreichen kann, muss ich auf Empfangsbereitschaft gehen, mich auf Gott hin ausrichten. In besonders eindrücklicher Weise zeigt uns das der Blick auf Maria. Die meisten Künstler haben die Verkündigungsszene so dargestellt, dass der Engel sie im Gebet antrifft. Tatsächlich war Maria eine große Beterin, die gewissenhaft die Gebetstradition ihrer Religion pflegte. Wie sehr sie Gottes Wort verinnerlicht hatte, zeigt uns das Magnifikat, das zahlreiche Zitate alttestamentlicher Gebete enthält. Nur wer das regelmäßige Gebet pflegt, kann also überhaupt Gottes Wort an ihn hören. Glaube ist in erster Linie Hören. Wo der Mensch nur an den anderen heranredet, da misslingt die zwischenmenschliche Kommunikation und da misslingt auch die Gottesbeziehung.

Vor zwei Monaten waren in verschiedenen deutschen Städten Marienstatuen und Marienbilder mit zugeklebtem Mund zu sehen. Dies war eine Aktion der Frauen-Gruppe „Maria 2.0“, die den Vertretern der Kirche vorwirft, sie würde die Frauen zum Schweigen bringen. Heute hat der katholische deutsche Frauenbund als Fortsetzung hierzu die Aktion „Maria, schweige nicht“ in Leben gerufen, die mehr Mitspracherecht für Frauen in der Kirche fordert – einschließlich des Zugangs zum Weiheamt. Aber hier wird Maria verzweckt. Notwendig ist, dass wir zunächst hinschauen, welches Bild von Maria uns das Evangelium zeigt. Da ist Maria zunächst einmal eine Hörende, ja die große Hörende im Neuen Testament.
Maria hat aber auch gesprochen. Sie ist nicht diejenige die große Reden schwingt und viele Worte macht. Sie sagt nur wenige Sätze; die aber sind entscheidend. Zunächst einmal stellt Maria eine Frage: „Wie soll das geschehen, da ich keinen Mann erkenne?“ Wenn ich auf dem Handy einen Anruf bekomme, dann kann ich ihn wegdrücken, ich kann ihn annehmen und einsilbig antworten oder aber ich kann in einen echten Dialog treten. So dürfen und sollen wir unsere Fragen und Zweifel vor Gott bringen. Manchmal wird er uns wie Maria darauf hinweisen, dass wir nur in irdischen Kategorien denken und dass er Dinge vermag, mit denen wir überhaupt nicht rechnen. Wer fragt, bleibt nicht an der Oberfläche, sondern geht den Dingen auf den Grund.

Ich glaube es ist ein Problem unserer sogenannten Info-Gesellschaft, dass wir uns gerne mit oberflächlicher Information begnügen. Als vor einiger Zeit im Zusammenhang mit der Enzyklika „Amoris Laetitia“ über die Zulassung wiederverheiratet Geschiedener zur heiligen Kommunion diskutiert wurde, brachte die „Schwäbische Zeitung“ einen Artikel der mit zwei Bildern illustriert war. Auf dem einen war Kardinal Gerhard Ludwig Müller zu sehen; darunter stand „Hardliner: Müller“. Auf dem anderen war Kardinal Walter Kasper zu sehen; darunter stand „Fortschrittlich: Kasper“. Da brauche ich also nur vier Worte zu lesen und ich weiß worum es geht und sogar, welche Meinung ich mir aneignen soll. Wir müssen tiefer nachfragen, uns wirklich mit der Thematik auseinander setzen. Gerade auch wer sich schwertut mit dem Willen Gottes, soll immer wieder fragen und sich um echtes Verstehen bemühen.

Aber Maria stellt nicht nur eine Frage, sie macht auch eine Aussage, und zwar eine, die so wichtig ist, dass die Kirche sie dreimal täglich beim Angelus-Gebet wiederholt. „Ich bin die Magd des Herrn; mir geschehe, wie Du es gesagt hast.“ In der hebräischen Sprache, die die Worte „ja“ und „nein“ nicht kennt, ist dies der Ausdruck für eine Zustimmung mit festem Willen. Für uns klingt das Wort „Magd“ heute nicht sonderlich attraktiv. Aber in der Zeit, als es noch Mägde gab, galt es als eine große Ehre, bei einer hohen Herrschaft Magd zu sein. Das ist unsere Ehre als Gläubige, dass wir Gott dienen dürfen!
So ist Maria als Dienende das Gegenbild zu Luzifer, dem Teufel, der sich eben geweigert hat, zu dienen. Wo der Mensch Gottes Willen erkennt und dann dennoch „nein“ sagt, da ist auch heute der Teufel am Werk. Viellicht sagen wir nicht direkt „nein“; häufiger sagen wir „ja, aber“ oder „ja, später“. All das ist ein eingeschränktes „ja“ und nicht das „ja“ Mariens, das ausdrückt, jemand will sich ganz von Gott führen lassen im Wissen darum, dass er das Beste für uns will. Da will ein Mensch nicht seinen Willen durchdrücken. Vielmehr ist Gottes Wille für sein Leben entscheidend.

Es gibt heute genügend Menschen, die gar nicht oder kaum auf Gott hinhören, denen es hauptsächlich darum geht, ihren eigenen Willen durchzusetzen. Wer Maria verehrt, sollte sich ihre Haltung zu eigen machen, jene des Hörens, des Nachfragens und der bereitwilligen Zustimmung zum erkannten Willen Gottes. Amen.


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