Papst in persönlichem Brief an Assad: Sorge um Bevölkerung Idlibs

23. Juli 2019 in Weltkirche


Franziskus ermutigt angesichts des humanitären Notstands in der syrischen Rebellenhochburg zu "deutlichen Zeichen" einer Konfliktbeendigung - Kardinalstaatssekretär Parolin: Pattsituation in Genfer Verhandlungen muss umgangen werden


Vatikanstadt (kath.net/KAP) Papst Franziskus hat sich mit einer Sondergesandtschaft persönlich an Syriens Machthaber Baschar al-Assad gewandt. In einem Schreiben bekundete er nach Vatikanangaben tiefe Besorgnis über die humanitäre Lage in dem Bürgerkriegsland, besonders "die dramatischen Bedingungen der Zivilbevölkerung in Idlib". Den Brief überbrachten der für Menschenrechts- und Flüchtlingsfragen zuständige Kurienkardinal Peter Turkson und der päpstliche Botschafter in Syrien, Kardinal Mario Zenari, im Rahmen eines Treffens mit Assad am Montag in Damaskus, wie das vatikanische Presseamt mitteilte.
Der Brief des Papstes an Assad enthielt eine lange Liste konkreter Forderungen, erläuterte Kardinalstaatssekretär Pietro Parolin am Montag im Interview mit "Vatican News". Franziskus habe darin erneut appelliert "für den Schutz des zivilen Lebens und die Erhaltung der wichtigsten Infrastrukturen wie Schulen, Krankenhäuser und Gesundheitseinrichtungen". Zudem solle Präsident Assad "alles in seiner Macht Stehende tun, um diese humanitäre Katastrophe zu stoppen und die wehrlose Bevölkerung, insbesondere die Schwächsten, im Einklang mit dem humanitären Völkerrecht zu schützen", berichtete der oberste Vatikan-Diplomat.
In Syrien herrscht seit über acht Jahren Bürgerkrieg. Rund zwei Monate nach Beginn der Militäroffensive auf die letzte große Rebellenhochburg Idlib scheint derzeit kein Ende der Kämpfe in Sicht. Allein am Sonntag wurden Aktivisten zufolge durch Luftangriffe der syrischen Regierung und des Verbündeten Russland mindestens elf Zivilisten getötet, darunter mehrere Kinder. 45 Menschen seien bei den Angriffen auf zwei Dörfer verletzt worden, teilte die Syrische Beobachtungsstelle für Menschenrechte mit. Mehrere Menschen würden vermisst oder seien in Trümmern gefangen.

Seit Ende April kommt es in Iblib zu verstärkten Gefechten als Teil der Offensive. Der Beobachtungsstelle zufolge wurden dabei mindestens 680 Zivilisten getötet, darunter mehr als 170 Kinder. Mehr als 300.000 Menschen seien durch die Kämpfe vertrieben worden. In dem noch im Vorjahr für entmilitarisiert erklärtem Gebiet leben insgesamt über drei Millionen Menschen, davon 1,3 Millionen intern Vertriebene, die hier Zuflucht gesucht hatten.
Durch die jüngste Militäroffensive sei die ohnehin schon extremen Lebensbedingungen in den Lagern noch drastisch verschlimmert worden, so Kardinalstaatssekretär Parolin über die "rein humanitäre Sorge" des Papstes. Das Kirchenoberhaupt habe Machthaber Assad zudem eindringlich zum Beitrag zur Versöhnung im Land aufgerufen: Er solle dafür "deutliche Zeichen" setzen wie etwa durch die Ermöglichung der sicheren Rückkehr von Vertriebenen und Binnenvertriebenen sowie für all jene, die nach ihrer erzwungenen Flucht in das Land zurückkehren wollen.
Im Brief werde zudem die Freilassung von Häftlingen und der Zugang von Familien zu Informationen über ihre Angehörigen erwähnt. Parolin zitierte hierzu einen im März 2018 veröffentlichten Bericht der Unabhängige Internationale Untersuchungskommission zur Arabischen Republik Syrien, in dem von zehntausenden willkürlich festgehaltenen Menschen die Rede war. Sie würden in inoffiziellen Gefängnissen und an unbekannten Orten ohne Rechtsbeistand oder Kontakt mit ihren Familien verschiedenen Formen der Folter ausgesetzt sein. "Der Bericht stellt fest, dass viele von ihnen leider im Gefängnis sterben, während andere summarisch hingerichtet werden", sagte der Kardinalstaatssekretär.

Wie Parolin hervorhob, habe der Heilige Stuhl immer auf der Notwendigkeit einer tragfähigen politischen Lösung zur Beendigung des Syrienkriegs bestanden, welche auch die Unterstützung der internationalen Gemeinschaft benötige. "Wieder einmal haben wir lernen müssen, dass Krieg zu immer mehr Krieg führt und dass Gewalt nur Gewalt hervorbringt", so ein von Papst Franziskus bereits mehrmals verwendetes und auch im Assad-Brief wiederholtes Zitat. In den Genfer Verhandlungen sei bei der Suche nach einer politischen Lösung jedoch eine unheilvolle "Pattsituation" eingetreten - weshalb der Pontifex nun das Assad-Regime zur Beendigung des Konflikts ermutigt habe.

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