Ja, ich leide, wie ich nie zuvor gelitten habe

4. August 2019 in Spirituelles


Wie der Pfarrer von Ars auf einen "Missbrauchsvorwurf" reagierte und warum Johannes-Maria Vianney auch eine Selbstmörderin nicht verdammte - Von Roland Noé


Ars (kath.net)
Inzwischen sind schon fast zehn Jahre seit der Berufung nach Ars vergangen. Immer wieder wird der Pfarrer angegriffen. Seine Strenge stößt oft auf Gegenwehr, sodaß man in den verbliebenen Wirtshäusern immer mehr gegen ihn spottet. Selbst seine eigenen Priesterkollegen ziehen über ihn her. Natürlich kommt es auch zu Verleumdungen beim Bischof, der aber zu ihm steht.

Für Johannes-Maria Vianney sind alle Verleumdungen nur ein Kreuz. Seine Einstellung dazu drücken folgende Zitate aus: "Was braucht man, um den Himmel zu verdienen? Die Gnade und das Kreuz." Oder "Niemals war ich so glücklich wie in den Augenblicken, da ich verfolgt und verleumdet wurde. Gott überschüttete mich dann mit Tröstungen, Gott gewährte mir alles, worum ich ihn bat."

Doch eines der schlimmsten Ereignisse sollte beinahe so weit führen, daß der Pfarrer aus Ars flüchten wollte. Gegen Ende des Jahres 1826 stirbt die Witwe Matin, deren Tochter Christine dem Tanzfieber verfallen ist. Christine verfällt daraufhin in eine Lethargie, die vom Pfarrer von Ars wahrgenommen wird. Als sich herausstellte, daß das Mädchen ein Kind erwartete, herrschte im ganzen Dorf ziemliche Unruhe.

Doch Pfarrer Vianney nimmt sie in Schutz. "Weil ich die Sünde hasse, liebe ich den Sünder", antwortet er den Menschen von Ars. Es ist eine dunkle Nacht im September, als Christine ihr Kind zur Welt bringt. Dies erregt noch mehr den Spott von einigen Dorfbewohnern, vor allem der jungen Burschen.

Als der Pfarrer von Ars sie beschützen will, wird in einem der Wirtshäuser das Gerücht in Umlauf gesetzt, daß vielleicht doch der Pfarrer von Ars der Vater sein könnte. Nach einiger Zeit ist plötzlich Christine verschwunden. Sie hat den Druck der Mitmenschen nicht mehr ausgehalten und ist in die Saône gesprungen.

Als der Pfarrer den Leichnam der Selbstmörderin auf dem Friedhof begräbt, löst dies neue Proteste aus. Mutter Renard - die Haushälterin des Pfarrers - weigert sich ebenfalls, das Kind von Christine zu behalten, worauf es der Pfarrer von Ars in die Providence bringt und sagt: "Das schickt euch der liebe Gott". Selbst Katharina Lassagne plagen nun die Zweifel an Johannes-Maria Vianney.

Inzwischen werden die Verleumdungen immer mehr, niederträchtige Briefe werden vor dem Pfarrhaus deponiert. Doch der Pfarrer von Ars schweigt beharrlich zu all den Vorwürfen gegen seine Person, obwohl er dabei Furchtbares durchmachen muß. Er sagt: "Ja, ich leide, wie ich nie zuvor gelitten habe. Gegen dieses Leid war alles andere nichts. Heute ist ein Kind, das mir sonst stets freundlich die Hand gab, vor mir fortgelaufen, als wäre ich der Leibhaftige."

Das Werk des heiligen Pfarrers von Ars, das inzwischen aufgebaut ist, droht unterzugehen, da nun selbst gutgesinnte Menschen Zweifel an ihm bekommen. Vor allem die "Providence", die dringend Geld benötigen würde, leidet darunter. Die stille Benedikta Lardet bietet ihr Leben dem lieben Gott für die Ehre des Pfarrers an.

Inzwischen kommt sogar der Dechant von Trévoux, der vom Bischof beauftragt ist, ins Pfarrhaus. Er schlägt ihm vor, entweder den Rücktritt einzureichen oder eine Volksmission für Ars zu organisieren. Der Pfarrer von Ars entscheidet sich vorerst für die Mission. Kartäusermönche aus Lyon kommen und predigen tagelang auf der Kanzel und verteidigen den Pfarrer, doch die Leute von Ars sagen sich: "Wenn er selbst nicht spricht-? Wie soll man ihm da glauben?"

Doch Gott läßt Johannes-Maria Vianney nicht im Stich. Am dritten Tag nach Beginn der Mission ereignet sich ein Unfall. Ein Pferdeknecht des Bauern Trève, der sich über den Pfarrer von Ars im Wirtshaus lauter als alle anderen lustig gemacht hat, wird von einem Hufschlag getroffen und ruft in seinem Todeskampf nach einem Kartäuser.

Nach der Beichte ließ der Priester sofort den Bürgermeister des Dorfes und andere Ehrenmänner holen und fordert sie auf, das Geständnis des Sterbenden zu hören: "Ich bin der Vater des Kindes, das Christine Matin geboren hat. Ich habe es dem Pfarrer Vianney längst schon in der Beichte bekannt, aber er hat nicht gesprochen...." Wenige Augenblicke nach dem Geständnis stirbt er. "Er war es, der am meisten über den Pfarrer gelästert hat!", sagt der Bauer Trève aufs tiefste erschüttert.

Sofort verbreitet sich die Nachricht im ganzen Dorf, doch fast scheint es, daß es zu spät ist, da Pfarrer Vianney inzwischen seinen Rücktritt beim Bischof einreichen ließ. Schließlich kann aber doch noch dank der Intervention des Bürgermeisters und des Grafen Garets erreicht werden, daß der Rücktritt vom Bischof zurückgenommen wird.

Durch dieses Ereignis wird die Pfarrgemeinde von Ars derart erschüttert, daß die Mission zu einem gigantischen Erfolg wird. Fast das gesamte Dorf bekennt seine Sünden und keiner spricht mehr schlecht über den Pfarrer. "Ars ist nicht mehr Ars!"

Auszug aus der Diplomarbeit über den Heiligen Pfarrer von Ars von Roland Noé


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