„Forderung nach Diakonenweihe für Frauen enthält mehrere Irrtümer“

3. Oktober 2019 in Weltkirche


„Den Bären, dass diese politmedialen Allmachtsphantasien noch mit der definierten Glaubenslehre des I. / II. Vatikanums über Papst und Kirche zu tun haben sollen, kann man selbst einem Kind nicht aufbinden.“ Von Gerhard Kardinal Müller/LifeSiteNews


Vatikan (kath.net/LifeSiteNews) Die Forderung, die Amazonien-Synode müsse entscheiden, dass das Weihesakrament in der Stufe des Diakonates auch Frauen gültig gespendet werden könne, enthält mehrere Irrtümer.

Der erste Irrtum besteht in der Meinung, das Lehramt stehe über der Offenbarung und eine (ohnehin nur beratende) Bischofssynode, ein ökumenisches Konzil oder der Papst allein könne in die Substanz der Sakramente eingreifen (Konzil von Trient, Dekret über die Kommunion unter beiderlei Gestalten; DH 1728).

Der zweite Irrtum besteht in der Meinung, das Weihesakrament bestehe im Grunde aus drei Sakramenten, so dass jeweils zu entscheiden sei, ob die Erklärung von Ordinatio sacerdotalis (1994) allein auf die Weihestufe des Bischofs oder des Presbyters (=Priesters) oder des Diakons zutreffe.

Der dritte Irrtum besteht in der Irreführung eines theologisch unkundigen Publikums mit der These, die endgültige Entscheidung Papst Johannes Pauls II., die Kirche habe keine Vollmacht von Christus erhalten, Frauen die "die Kirche keinerlei Vollmacht hat, Frauen die Priesterweihe zu spenden, und daß sich alle Gläubigen der Kirche endgültig an diese Entscheidung zu halten haben" (0S 4) sei kein Dogma.

Es steht jedoch unzweifelhaft fest, dass diese endgültige Entscheidung von Papst Johannes Paul II. in der Tat ein Dogma des Glaubens der katholischen Kirche ist und selbstverständlich bereits war, bevor dieser Papst diese Wahrheit als in der Offenbarung enthalten so im Jahre 1994 definiert hat. Die Unmöglichkeit, dass eine Frau das Weihesakrament in jeder der drei Stufen gültig empfängt, ist eine in der Offenbarung enthaltene Wahrheit und somit vom kirchlichen Lehramt unfehlbar bezeugt und zu glauben vorgelegt.

Auf Bitten des Glaubenskommission der deutschen Bischofskonferenz zu Zeiten von Kardinal Wetter hatte ich die wichtigsten Dokumente aus Schrift, Tradition und Lehramt gesammelt und herausgegeben: "Der Empfänger des Weihesakraments. Quellen zur Lehre und Praxis der Kirche, nur Männern das Weihesakrament zu spenden" (Würzburg 1999). Auch die Internationale Theologenkommission hat sich zu diesem Thema fachlich kompetent geäußert und es liegen beachtliche Monographien dazu vor. Nur auf der Basis der Quellenkenntnis lohnt sich eine Diskussion. Wer sie negiert, kommt wohl in den fachfremden und oft kirchenfeindlichen Medien, denen Streit und Spaltung in der Kirche nur recht ist, gut an, kann aber wissenschaftlich nicht ernst genommen werden.

Bei einem Dogma ist die inhaltliche Seite von der formellen Seite zu unterscheiden. Die geoffenbarte Wahrheit, die in ihm ausgesagt wird, hängt also nicht an der äußeren Gestalt der Definition, deren Leugnung mit einem "anathema sit" sanktioniert wird oder die vom Papst allein "ex cathedra" verkündet wird. Die wesentlichen Aussagen des Glaubensbekenntnisses sind zum Beispiel nicht formell definiert, aber inhaltlich in unübertreffbarer Weise verbindlich und werden irreversibel von der Kirche als heilsnotwendig zu glauben vorgelegt.

Weil die Glaubenslehre, dass nur ein getaufter Mann (mit den entsprechenden objektiven und subjektiven Voraussetzungen) gültig das Weihsakrament empfangen kann, nach der subjektiven Meinung einzelner Theologen oder Bischöfe kein Dogma sei, suggeriert man, dies als vorläufige Privatmeinung von Papst Johannes Paul II. relativieren zu können, obwohl Papst Franziskus selbst immer die Verbindlichkeit von "Ordinatio sacerdotalis" unterstrich. Manche Leute missdeuten als Parteigänger ideologisch das Dogma von dem Jurisdiktionsprimat und der Unfehlbarkeit des Papstes in Fragen der Glaubens- und Sittenlehre und verkehren es in einen nie da gewesenen kirchlichen Absolutismus, als ob der Papst auch außerhalb von Glaubens- und Sittenfragen den "religiösen Gehorsam des Willens und Verstandes seinem authentischen Lehramtes gegenüber" (Lumen gentium 25) verlangen könne und so als ob es neben dem Wort Gottes im Papst oder im Volk Gottes, auf das die Hirten hören sollen noch weitere Offenbarungsquelle gebe, die uns erlauben würden über Schrift und Tradition hinauszugehen oder sogar besser als das bisherige Lehramt zu wissen, was Jesus eigentlich gemeint hat und was er sagen würde, wenn er heute leben würde. Gegenüber der hinterhältigen Missdeutung des Unfehlbarkeitsdogmas des I. Vatikanums durch den Reichskanzler Bismarck stellten die deutschen Bischöfe fest, dass das Lehramt des Papstes und der Bischöfe, "an den Inhalt der Hl. Schrift und der Überlieferung sowie an die bereits vom kirchlichen Lehramt gegebenen Lehrentscheidungen gebunden" (DH 3116) ist. Papst Pius IX. gab dieser Erklärung seine volle Zustimmung. (DH 3117)

Es ist erschütternd, welch ein Dilettantismus zur Zeit in der Theologie und welch eine brutale Menschenverachtung in der Kirchenpolitik unterwegs ist. Wer eigenständig denkt, der wird erbarmungslos ausgeschaltet und menschenverachtend entsorgt ohne jede Rücksicht auf seine Verdienste für Kirche und Theologie. Doch die Einheit in der Wahrheit kann nur im Gebet von Gott erlangt werden und im Gehorsam des Lehramtes gegenüber Gott und seiner Offenbarung verwirklicht, aber nicht mit Gewalt und List herbei manipuliert werden. Ad intra et extra gilt: "Nicht anders erhebt die Wahrheit Anspruch als kraft der Wahrheit selbst, die sanft und zugleich stark den Geist durchdringt" (II. Vatikanum, Dekret über die Religionsfreiheit; DH 1).

Den Bären, dass diese politmedialen Allmachtsphantasien noch etwas mit der definierten Glaubenslehre des I. und II. Vatikanums über Papst und Kirche zu tun haben sollen, kann man selbst einem Kind nicht aufbinden und schon gar nicht den "Lehrern und (im Glauben) Erwachsenen, deren Sinne durch Gebrauch geübt sind, Gut und Böse zu unterscheiden." (Hebr 5, 14). All denen, die den Primat der römischen Kirche und ihres Bischofs überschätzen oder unterschätzen, sei der Text der Glaubenskongregation (1998) dringend empfohlen: "Der Primat des Nachfolgers Petri im Geheimnis der Kirche". Er ist als Anhang an meine 600-seitige Studie "Der Papst. Sendung und Auftrag" (Herder 2017 [Anm.d.R.: siehe kath.net-Buchtipp unten]) angefügt. Das Buch ist auch in polnisch und spanisch erhältlich und kommt bald in englisch und italienisch heraus, so dass sich keiner mit Unkenntnis über meine Position entschuldigen kann. In der Theologie gelten theologische und philosophische Argumente. Die Wahrheit ist keine Funktion an politischen und ideologischen Machtansprüchen und je nach ihren Bedürfnissen änderbar. Und der beliebte Trick unserer Progressiven ist längst durchschaut und unwirksam geworden. Statt ihre Argumente in der Sache zur Diskussion zu stellen, werden sie persönlich übergriffig und helfen sich aus der Verlegenheit mit absurden Unterstellungen, die jeder intellektuellen Redlichkeit bar sind.

Gemäß der These des lehramtlich verurteilten "Modernismus"- eine pseudokatholische Version des Kulturprotestantismus und der Schleiermacher'schen Gefühlstheologie- ist ein Dogma des katholischen Glaubens nicht die endgültige und irreversible Erkenntnis der Kirche, dass eine Wahrheit in der Offenbarung enthalten ist und deshalb von jedem Katholiken mit "göttlichem und katholischem Glauben" anzunehmen ist, sondern Ausdruck der dominanten Meinung, die sich mit publizistischen Strategien die Autorität des jeweils regierenden Papstes sichert. Das Wort Gottes in Schrift und Tradition und die inhaltliche Bindung des Lehramtes an die einmalige und unüberbietbare Offenbarung in Jesus Christus, das Fleisch gewordene Wort des Vaters, wird ersetzt durch die kirchenpolitische Linientreue zum jeweiligen Papst, aber nur unter der Bedingung, dass er der eigenen Meinung entspricht. Dieselben "falschen Brüder" (Gal 2, 4), die nun die kirchliche Loyalität jedes Katholiken zum Papst in eine bedingungslose Unterwerfung unter einen Menschen und in ein besinnungsloses sacrificium intellectus verwandeln möchten, gehörten zu den rücksichtslostesten Feinden von Papst Johannes Paul II. und Benedikt XVI. Theologisch begründete Papstreue sieht anders aus.

Die – angesichts des Chaos in der Lehrverkündigung – von mir in einem "Glaubensmanifest" (abgedruckt in meinem Buch: The Power of the Truth. The Challenges to Catholic Doctrine and Morals Today (Ignatius 2019) gemäß der Apostolischen Überlieferung genannten zentralen Wahrheiten -Trinität, Inkarnation, Sakramentalität der Kirche, die sieben Sakramente, die Einheit von Glaube und Nachfolge und die Hoffnung auf das ewige Leben- wurden dagegen als "Halbwahrheiten von subjektiv beliebiger Auswahl" abqualifiziert. Ein ansonsten glühender Luther-Verehrer meinte dann auch noch mich als als Lutherus redivivus, also als Luthers Wiedergänger, bezichtigen zu können, der kurz vor seinem Tod in wenig dialogbereiter Sprache sich über "Das Papsttum zu Rom, vom Teufel gestiftet" (1545) ausgelassen hatte.

Jetzt spielt sich dieselbe ideologische Truppe in ihren einschlägigen Magazinen, Websites und sogenannten Sachbüchern als Verteidiger des Reformpapstes aus, ohne zu merken, dass sie mit ihrer Politisierung der päpstlichen Autorität das theologische Fundament des Petrus-Dienstes untergräbt. Die Katholiken sollen nicht mehr an Gott glauben, sondern an den Papst, den Mainstream-Ideologen innerhalb und außerhalb der Kirche als "ihren Papst" ausgeben und die in einem erschreckenden Anfall von religiösem Wahn jeden klar denkenden Katholiken, glaubenstreuen Bischof und Priester als Feind "ihres" Papstes verdammen. Aber "der Gehorsam des Glaubens, mit dem der Mensch sich Gott mit Verstand und Willen unterwirft und seiner Offenbarung frei zustimmt" (Dei verbum 5) kann niemals einem Menschen -und sei es dem Papst oder einem Bischof- gelten. Ihre Autorität ist nur abgeleitet und inhaltlich voll und ganz von der Autorität Gottes abhängig, "weil sie keine neue öffentliche Offenbarung als Teil des depositum fidei empfangen" (Lumen gentium 25).

Dies gilt auch für das Verhältnis von Bischöfen und Papst. In der Bischofsweihe haben die Bischöfe unmittelbar Gott versprochen, den katholischen Glauben treu zu wahren. Im Gewissen sind sie allein Gott und seiner geoffenbarten Wahrheit verpflichtet (gegen jede Form von Papalatrie). Aber im Rahmen der Kollegialität der Bischöfe und der Orientierung am Papst als immerwährendem Prinzip und Fundament der Einheit der Kirche in der geoffenbarten Wahrheit des Glaubens (Lumen gentium 18; 23) vollzieht sich die Unmittelbarkeit zu Gott auch in der Gemeinschaft der Kirche und der gemeinsamen Verantwortung für das ganze Glaubensgut der Kirche (gegen den protestantischen Individualismus). Nur so konnte Paulus dem Petrus "ins Angesicht widersprechen" (Gal 2, 11), weil dieser zwar in der Lehre an der "Wahrheit des Evangeliums" (Gal 2, 14) festgehalten hatte, sich aber durch die zweideutige Praxis "ins Unrecht gesetzt hatte" (Gal 2,11), ohne dass Paulus die Vollmacht und Mission des hl. Petrus grundsätzlich in Frage gestellt hätte. Der sogenannte Antiochenische Zwischenfall kann also nicht als Argument gegen die Existenz des Papsttums göttlichen Rechtes ins Feld geführt werden.

Nach manchen negativen Erfahrungen muss sich Papst Franziskus darüber im Klaren sein, dass das Verhältnis von Papst und Bischöfen (und innerhalb der Heiligen Römischen Kirche sein Verhältnis zu den Kardinälen) vom katholischen Kirchenverständnis bestimmt sein muss und nicht der Sensationslust von Journalisten und dem Opportunismus von Schmeichlern überlassen werden kann. Es ist eine unsägliche Arroganz, wenn "Vatikanisten" öffentlich und mit Anerkennung heischender Geste dem Papst ihre Bücher überreichen, in denen sie Oppositionen und Verschwörungen in Kurie und Kirche gegen den Papst "aufdecken" – in Wirklichkeit aber nur konstruieren – und sich für diesen glaubensfeindlichen Aberwitz noch wie einst die "Helden der Sowjetunion" feiern lassen. Da sind die "Taubenhändler und die Geldwechsler, die das Haus Gottes zu einer Markthalle machten", die nach dem Vorbild Jesu aus dem Tempel zu verjagen sind und deren mit diesen Machwerken verdientes Geld ausgeschüttet gehört, "und deren Verkaufstische er umstieß" (vgl. Joh 2, 15f). Jedenfalls ist das keine Literatur, die die Eintracht der Gläubigen fördert und zu einer Verbesserung der Moral beiträgt.

Wenn die Amazonien-Synode zum Segen für die ganze Kirche werden soll und ihre Einheit in der Wahrheit bestärkt und nicht schwächt, muss das Denken in Parteien und Ideologien aufhören. Wenn jeder im Streit miteinander "etwas anders sagt" und sich in seinem Eigensinn gegenüber den andern legitimiert, indem er sagt: "ich halte zu Paulus, ich aber zu Petrus, ich zu Apollos, ich zu Christus", dann ist doch die Gegenfrage des Apostels berechtigt: "Ist denn Christus zerteilt? (…) Oder seid ihr auf den Namen des Paulus getauft worden?" (1 Kor 1,13).

"Es muss Parteiungen unter euch geben, damit die Bewährten unter euch offenkundig werden" (1 Kor 11,19) - "aber wehe dem Menschen, durch den das Ärgernis kommt!" ( Mt 18, 7).

Wir glauben an den "einen Gott, der will, dass alle Menschen gerettet werden und zur Erkenntnis der Wahrheit gelangen und an Christus Jesus den einen und einzigen Mittler zwischen Gott und den Menschen" und wir wissen, dass die Apostel und ihre Nachfolger, die Bischöfe, eingesetzt sind "als Lehrer der Völker im Glauben und der Wahrheit" (1 Tim 2, 7).

Wir Katholiken stehen ohne Ausnahme treu zu Papst Franziskus und den Bischöfen in Gemeinschaft mit ihm. Das ist Wesen und Auftrag des Papstes, dass er die Jünger des Herrn immer neu sammelt und vereint im Bekenntnis des hl. Petrus, der auf die Frage Jesu, für wen die Leute den Menschensohn halten – jenseits aller unbeständigen Volksmeinungen und Lebenswirklichkeiten – das Bekenntnis der Kirche aller Zeiten ablegt: "Du bist Christus, der Sohn des lebendigen Gottes"

kath.net-Buchtipp
Der Papst
Sendung und Auftrag
Von Gerhard L. Müller
Hardcover, 608 Seiten
2017 Herder, Freiburg
ISBN 978-3-451-37758-7
Preis Österreich: 30.90 EUR

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Archivfoto: Kardinal Gerhard Ludwig Müller vor dem Petersdom


Foto (c) Paul Badde


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