Keine Spätabtreibung sondern Totschlag - Bewährungsstrafe

20. November 2019 in Deutschland


Das behinderte Mädchen war einem Gutachten zufolge wohl lebensfähig gewesen. Es wurde getötet, indem ihr im geöffneten Mutterleib in der 32. Schwangerschaftswoche ihre Nabelschnur abgeklemmt und Kaliumchlorid gespritzt wurde.


Berlin (kath.net) Mit Beginn des Kaiserschnittes war die Abtreibung einer der beiden Zwillinge in der 32. Schwangerschaftswoche nicht mehr zulässig, seine Tötung war vielmehr gemeinschaftlich verübter Totschlag in einem minderschweren Fall. Zu dieser Auffassung kam das Landgericht Berlin am Dienstag. Das berichteten der „Tagesspiegel“ und weitere Medien. Mit Beginn der Eröffnungswehen werde das Kind – strafrechtlich gesehen – vom Fötus zum Menschen. Direkt vor dem Kaiserschnitt wäre ein „selektiver Fetozid“ durch die Bauchdecke rechtlich noch erlaubt, allerdings mit einem gewissen Risiko für den anderen Zwilling behaftet gewesen. Der Vorsitzende Richter Matthias Schertz sagte wörtlich: „Auch Feld-, Wald- und Wiesenärzte wissen, dass es verboten ist, ein Kind im offenen Mutterleib totzuspritzen.“ Die Geburt habe mit der Eröffnung des Uterus begonnen, daher habe kein Schwangerschaftsabbruch vorgelegen. Der Richter kritisierte weiter, dass „ein Aussortieren eines kranken Kindes am offenen Mutterleib“ nicht hinnehmbar sei, so etwas sei auch ein Schlag ins Gesicht behinderter Menschen. Die Angeklagten hätten eine rote Linie überschritten.

Einer der beiden Zwillinge hatte nach Komplikationen eine massive Hirnschädigung, da sich die beiden eineiigen Zwillinge dieselbe Plazenta teilten – es war eine Hochrisikoschwangerschaft. Die Eltern entschieden sich nach ärztlichen Beratungen zur Spätabtreibung des behinderten Zwillings. Die Verteidigung argumentierte, dass ihre Mandanten den „maximal sicheren Weg für den gesunden Zwilling“ gewählt hätten. Sie seien davon ausgegangen, „dass ein Fötus ein Fötus ist, solange er in der Gebärmutter ist“. Die Anwälte plädierten auf Freispruch.

Das behinderte Mädchen war einem Gutachten zufolge wohl lebensfähig gewesen. Es wurde getötet, indem ihm im geöffneten Mutterleib die Nabelschnur abgeklemmt und Kaliumchlorid gespritzt wurde.

Den Vorgang aus dem Jahr 2010 zeigte ein Mitarbeiter 2013 anonym an, weil er die in dieser Berliner Geburtsklinik üblichen Spätabtreibungen nicht hinnehmen konnte.

Das Gericht folgte der Argumentation der Staatsanwältin und verhängte gegen den damaligen Chefarzt eine Bewährungsstrafe von einem Jahr und neun Monaten Haft auf Bewährung; gegen die Oberärztin ein Jahr und sechs Monate auf Bewährung, außerdem droht ihr eventuell der Verlust der Approbation. Es wurden Rechtsmittel eingelegt, es wird erwartet, dass der Fall vor den Bundesgerichtshof geht.

Link zum Beitrag des „Tagesspiegel“: Totschlag-Urteil gegen Frauenärzte – „Die rote Linie wurde überschritten"


© 2019 www.kath.net