Blasphemie ist längst 'katholisch' geworden

3. Jänner 2020 in Kommentar


Zum Neuen Jahr fassen Menschen gute Vorsätze. Rückblickend auf das alte Jahr stellt sich mehr denn je die Frage: Welcher Vorsatz ist wirklich wichtig? Die Antwort ist banal wie herausfordernd. BeneDicta am Freitag - Von Dorothea Schmidt


München (kath.net)
Vorsätze dürfen nicht aus einer Feierlaune heraus gefasst werden, wenn sie dauerhaft im Leben verankert werden sollen. Sind müssen durchdacht sein. Vor dem Hintergrund aktueller Vorkommnisse innerhalb der katholischen Kirche dürfte es nur einen Vorsatz geben, der wirklich sinnvoll wäre: sich von Gott selbst reformieren zu lassen. Nur wie?

Eigentlich müssen wir uns unserm Schöpfer nur öffnen, Gutes wie Schlechtes, Vergangenheit und Zukunft, alle unsere Überzeugungen und Pläne hinhalten, sie ihm übergeben und bitten: Sorge Du, zeige Du, was davon richtig ist.

Und was Du anders siehst oder denkst als ich, das verändere und schenke mir Dein Denken, Deinen Blick. Ich bin bereit.

Je mehr wir Gott überlassen, desto mehr kann er wirken. Das sagte auch der neapolitanische Priester Don Dolindo, der im letzten Jahrhundert im Ruf der Heiligkeit verstarb und der Welt eine Lehre und ein Hingabegebet hinterlassen hat, der sich in einem Satz zusammenfassen lässt: „O Jesus, ich gebe mich Dir hin, sorge Du.“

Doch an das Du ist das Ich getreten. Der Narzissmus greift auch unter Christen um sich und gaukelt uns vor, normal zu sein, zeitgemäß eben. Zudem schwinden Glaube und der Mut, zum Glauben zu stehen. Christen wollen sogar eine neue Kirche schaffen. Wir doktern innerhalb der katholischen Kirche an Strukturen herum, streiten darüber, welche Macht – Macht! – Frauen haben sollten, welche lehramtlichen Sätze gestrichen und wie das christliche Leben einfacher gestaltet werden könnte. Das klingt nicht nach göttlichem Wirken, sondern nach menschlicher Schöpferkraft. Zudem sollte das Priesteramt, egal ob Mann oder Frau es inne haben, nicht mit Macht verwechselt, sondern als Dienst verstanden werden.

Statt eines reumütigen, mühsamen und langen Weges zurück zu Gott und hinein in ein vertrauensvolles Verhältnis mit ihm als liebevollen Vater im Himmel scheint der richtige Weg für Viele nur noch der zu sein, die Kirche der eigenen Sündhaftigkeit anzupassen. Es scheint sich geradezu ein Misstrauen Gott gegenüber breit zu machen, das ein „Jesus, sorge Du“ gar nicht zulässt. Gott könnte ja etwas anderes wollen als ich.

Es stimmt, dass die Kirche herausfordernd ist. Aber das ist auch gut so! Das zeigt deutlich, dass sich hinter der ach so verschrienen kirchlichen Lehre etwas Besonderes verbirgt. Wenn wir Christen sie bloß der eigenen Lauheit anpassen, wird sie glanzlos. Und die entscheidende Frage dabei ist: Wenn wir nicht Jesus folgen, wem folgen wir dann? Eigenen Ideen? Der Anspruch der Kirche ist hoch, aber diesen Anspruch herabsetzen wäre glauben auf niedrigem Niveau. Und das Herumdoktern an Strukturen lenkt unseren Blick nur weg von der eigenen Bekehrungsbedürftigkeit – und unserer eigentlichen Sehnsucht nach Angenommen-, Geliebt- und Erfülltsein.

Doch genau hier dürfte und sollte der Vorsatz aller Christen ansetzen: Den Blick auf sich selber zu lenken und vor Gottes Angesicht kritisch überprüfen zu lassen. Wie schön wäre es außerdem, wenn wir als Kirche in erster Linie um die Einheit beten und auf das Wirken des Heiligen Geistes warten würden statt sich zu bekriegen.

Wenn wir auf Jesus schauen, erkennen wir, dass er selbst nicht zeitgemäß war in dem Sinne, dass er dem Mainstream gefolgt ist und Menschen nach dem Mund geredet hat. Er war ein Eckstein, an dem viele sich gestoßen haben. Und so ein Eckstein ist die Kirche bis heute und so muss sie auch sein und bleiben. Woran sonst will man sich messen statt an der Wahrheit Gottes? Wenn man sich an der Wahrheit nicht mehr stoßen kann, kann man sich auch nicht mit ihr beschäftigen, geschweige denn, sie (wieder) finden und als einen kostbaren Schatz in die Arme schließen.

Wir ignorieren ihn aber oft. Uns liegt wenig daran, unseren Glauben zu verteidigen. Kurz vor dem vergangenen Weihnachtsfest kam ein Film „Die Erste Versuchung Christi“ in die Schlagzeilen, in der Jesus homosexuell ist, die Jungfrau Maria ein Flittchen und die Apostel Alkoholiker. Geschmacklos. Und schlimm.

Schlimmer ist, dass die Kirche schweigt. Blasphemie ist längst gesellschaftsfähig, ja „katholisch“ geworden. Das Schweigen der Hirten ist alarmierend und enttäuschend. Würde Mohammed beleidigt oder die Juden, gäbe es einen unerträglichen Aufschrei und Buhrufe. Die katholische Kirche hingegen lässt alles über sich ergehen, weil sie es sich nicht mit den Gegnern verscherzen will. Oder aus Angst vor eventuellen Befindlichkeiten. Dabei macht gerade das die Kirche aus, dass sie aneckt.

Sie ist sogar soweit, dass sie, wenn auch noch kontrovers, schon darüber diskutiert, ob ihre Lehre verweichlicht werden soll, damit sie salonfähig wird. So nimmt sie die Menschen aber um die Erfahrung der Barmherzigkeit Gottes. Als Mensch werden wir immer hinter dem Geforderten zurückbleiben. Das hat auch etwas Gutes: Zwischen unserer Sünde und Gott darf die Sehnsucht nach dem Gutsein enorm groß werden. Sie ist der Motor der uns antreibt, Gott immer ähnlicher zu werden. Sie ist die Bremse für unseren Stolz.
Wenn die Kirche nicht mehr bereit ist, die Wahrheit ungeschminkt zu verkünden und sie zu verteidigen, wird sie fad und nimmt sich selber um ihre richtungsweisende Aufgabe. Dabei sollte gerade die Kirche den Menschen klar machen, worum es wirklich geht: darum, in den Himmel zu kommen. Wenn sie sich mehr um das Irdische kümmert statt um das Himmlische, verflacht der Glaube; der erhoffte Strom in die Kirche wird ausbleiben.

Wir müssen zurück zum Inbegriff der Seinsweise Gottes. Kirchliche Moral und das christliche Denken überhaupt müssen zurückkehren zum Kern des Evangeliums. Wir müssen uns von Gott lieben lassen, die Liebe von ihm lernen und sie dann weitergeben. Mutter Theresa sah darin die wichtigste Berufung des Menschen.

Statt uns mit Frustration zu füllen, wenn wir scheitern, und an einer neuen Kirche zu basteln, die das Glauben einfacher machen soll, dürfen wir zuallererst immer wieder Gottes Liebe und seine Gnade in uns auf- und Seine Barmherzigkeit annehmen, ständig neu anfangen und in Jesus unseren echten Erlöser anerkennen. Manchmal muss man auch geistig einfach mal springen: Jesus, sorge Du!


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