Appell gegen die Kirchensteuer

20. Jänner 2020 in Kommentar


Wer im Gewissen und unter sorgfältiger geistlicher Prüfung seines Weges zu der Überzeugung kommt, diese Kirchensteuer so nicht mehr zahlen zu wollen, dem sollten gute und mutige Seelsorger zur Seite stehen! - Der Montagskick von Peter Winnemöller


München (kath.net)
Prof. Roberto de Mattei gab das letzte Statement nach der Acies Ordinata in München. Alle vorherigen waren, so dachte man, an Schärfe kaum zu überbieten. Es wurde eines nur zu deutlich klar, die Weltkirche zeigt sich in weiten Teilen durchaus genervt vom deutschen synodalen Weg. Man zeigt sich genervt von der offensichtlichen Neigung, eine Vorreiterrolle in Sachen Glaubensabfall spielen zu müssen. Der Philosoph Roberto de Mattei setzte noch einen drauf. Er forderte die Katholiken in Deutschland offen auf, keine Kirchensteuer mehr zu zahlen. Er legte eine gute Begründung nach und man könnte nun nicken, ja sagen und alles geht so weiter. Denn das würde es auch dann tun, wenn konservative Katholiken in nennenswerter Zahl den Austritt wagen würden.

Es fällt wahrhaft schwer, de Mattei in der Sache zu widersprechen und das soll hier gar nicht geschehen. Es ist aber nicht möglich, de Mattei einfach so zuzustimmen, denn eine sehr bedeutende Voraussetzung fehlt seiner Argumentation ebenso wie die Tatsache, dass die finanzielle Situation der Kirche in Deutschland weitaus komplexer ist, als dass man sie mit der Kirchensteuer umfassen könnte.

Der Akt, keine Kirchensteuer mehr zu zahlen, bedeutet eben nicht, nur ein Sepa Lastschriftmandat zu widerrufen und darauf zu warten, dass der Bischof höflich nachfragt, wo denn die Knete bleibt. In Deutschland heißt, keine Kirchensteuer zu zahlen, einen Rechtsakt zu setzen, der den formellen Austritt aus der konkret verfassten Kirche bedeutet. Nicht von Ungefähr werten deutsche Bischöfe diesen Akt noch immer faktisch als apostatischen Akt und reagieren mit Exkommunikation. Das ist so, auch wenn die verbreitete Feigheit und political correctness in Klerus und Episkopat, die sich hinterlistig als pastorale Klugheit tarnt, diese Aussage tunlichst zu vermeiden sucht. In früheren Zeiten konnte man sehr wohl davon ausgehen, dass dem Austritt eine Apostasie voranging. Heute ist das nicht mehr zwingend, doch das muss noch tiefer durchdrungen werden.
Fakt ist: Wer in Deutschland aus der Kirche austritt, kann die Sakramente nicht mehr empfangen, sagen die Bischöfe und die dürfen das. Ob das so rechtens ist, steht auf einem anderen Blatt. Mit diesem Faktum muss der normale Katholik dann erst einmal klarkommen. Keine kirchliche Hochzeit, Kinder werden nicht getauft, keine kirchliche Beerdigung und bei der Kommunionspendung geht man leer aus, die Absolution in der Beichte ist erst nach Wiederaufnahme in die Kirche möglich. Das sind die harten Fakten für die erdrückende Mehrheit der Katholiken. Nicht jeder ist so sehr in der inneren Blase vernetzt, dass er einen Priester findet, der aus pastoralen Gründen im Einzelfall einer Gewissensentscheidung folgend anders handelt. Die Regel ist die Abweisung an der Kommunionbank und die Verweigerung der Beerdigung.

No cash, no service. So einfach ist das. Nun gibt es sicher gerade in konservativen Kreisen eine ganze Reihe robuster Naturen, die das wegstecken und Auswege suchen und finden. Die Mehrheit tickt so nicht. Auch das ist ein Faktum.
Ferner muss man die Frage stellen, wer denn Kirchensteuer zahlt. Der Familienvater mit zwei Kindern und Durchschnittsverdienst zahlt in der Regel wenig oder keine Kirchensteuer. Minijobber zahlen sie nicht, Arbeiter in der sogenannten Gleitzone zahlen sie nicht. Das Existenzminimum ist in Deutschland Steuerfrei, also auch kirchensteuerfrei.

Wer pfiffig ist und sich seine Steuer durch Abschreibungen runter rechnen kann, zahlt auch keine oder wenig. Kirchensteuer im nennenswerten Umfang zahlen bürgerliche Gutverdiener und die ticken zumeist synchron mit dem Mainstream. Diese sind meist viel näher am ZdK als an einer Acies ordinata, insofern sie sich überhaupt für die Kirche interessieren. Der Appell von Prof. de Mattei geht hier in große leere Räume und verhallt. Letztendlich ist auch das ein Faktum.

Last not least ist die Kirche in Deutschland kein homogener vollkommen der Häresie verfallener Klotz am Bein der Weltkirche. Auch im verfemten Deutschland gibt es fromme Laien und Ordensleute, gute Priester und Bischöfe. Darüber hinaus finanziert sich die Kirche in Deutschland längst nicht nur aus Kirchensteuereinnahmen. Das macht den Löwenanteil aus, sicher, doch bei unverzüglichem, vollständigen Wegfall aller Kirchensteuereinnahmen müsste zum Beispiel kein Bischof auf sein Gehalt verzichten. Gleiches gilt für die Domkapitel. Zahlreiche finanzielle Verflechtungen von Staat und Kirche in der Kategorialseelsorge sind von der Kirchensteuer vollkommen unabhängig. Die Vermögenslage mancher Bistümer ließe diese sehr lange auch ohne Kirchensteuer überleben.

Nicht nur die theologische und pastorale Lage in Deutschland ist komplex, auch die finanzielle Lage ist keinesfalls so linear, wie man auf den ersten Blick denken könnte. Den Bischöfen die Kirchensteuer aus den Händen zu nehmen, könnte zu ähnlichen Verhältnissen wie in der Schweiz führen, wo politischer (Links-)Katholizismus Bischöfen das Leben sehr schwer machen kann. Die Kirchensteuer abzuschaffen bedeutet nichts anderes als ein anderes Modell der Finanzierung erfinden zu müssen. Auch das ist möglich, führte aber vom Regen in die Traufe.

Auch wenn das Postulat von Prof. Roberto de Mattei auf den ersten Blick wirklich so klingt, als könnte man dem frenetischen Beifall spenden, den er auf der Pressekonferenz wirklich erhielt, so hält seine brillante Idee einem Realitycheck nicht stand. Wer würde nicht allzu gerne dem synodalen Weg das finanzielle Wasser abgraben. Diesen Mist auf so einfache Weise beenden zu können, wäre zu schön, um wahr zu sein. Nur leider ist es auf diesem Wege eben nicht möglich. Der gute Appell geht fehl.

Eines aber ist gewiss, wer im Gewissen und unter sorgfältiger geistlicher Prüfung seines Weges zu der Überzeugung kommt, diese Kirchensteuer so nicht mehr zahlen zu wollen, dem sollten gute und mutige Seelsorger als Seelenführer zu Seite stehen. Demjenigen sollten gute Wege aufgezeigt werden, wie dieser Weg zu gehen ist. Denn so sehr der Weg an sich unter Umständen zu begrüßen wäre, so sehr jeder Cent zu feiern wäre, der dem synodalen Weg entzogen würde, so sehr ist vor allem anderen das Seelenheil derer im Blick zu halten, die aus dem verfassten kirchlichen System aussteigen möchten. Hier wäre vor einem Appell zur Kirchensteuerverweigerung erst einmal ein Netzwerk geistlicher Hilfe und Stütze aufzubauen. Dies zu tun, es bald zu beginnen, ist ohnehin schon jetzt unbedingt nötig. Der Drang aus dem System auszubrechen wird zunehmen. Um das vorher zu sagen, muss man weder Prophet noch Philosoph sein.

Hier liegt aber für Bischöfe, Kirchenrechtler, Theologen, Priester und Philosophen ein Feld, welches unbedingt beackert werden sollte.


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