„Die schweigende Mehrheit schweigt nicht mehr“

28. Februar 2020 in Deutschland


„Bislang waren wir lehramtstreue Katholiken die schweigende Mehrheit. Aber jetzt schweigen wir nicht mehr. Wir stellen uns demonstrativ hinter jene Bischöfe, die unsere Kirche bewahren und nicht verwässern wollen.“ Gastkommentar von Michael Hesemann


Köln-Bonn (kath.net) Pünktlich zum Karneval war es wieder einmal so weit. „Im Erzbistum Köln rumort es“ und „Die Kritik an Kardinal Woelki wegen mangelnden Reformwillens nimmt zu“, meldete die „Rheinische Post“. Auslöser war die Kritik des Kölner Erzbischofs Rainer Kardinal Woelki am „Synodalen Weg“, den er mit einem „protestantischen Kirchenparlament“ verglichen hatte. Sofort sprang der ehemalige WDR-„Mittagsmagazin“-Moderator Kurt Gerhardt in die Bresche, der bislang eher selten als engagierter Katholik in Erscheinung getreten war. Am 10. Februar veröffentlichte er eine Online-Petition, in der er mit dem Erzbischof mächtig ins Gericht ging. „Statt dringend benötigte Reformen voranzutreiben, sendet Kardinal Woelki Signale, die die Sache schlimmer machen“, wetterte der Journalist. Schon daher habe der Kölner Erzbischof „die Zeichen der Zeit nicht verstanden“. So holte Gerhardt die ganz große Keule aus dem Sack: „Wir Katholiken im Erzbistum Köln distanzieren uns davon und sprechen ihm unsere Missbilligung aus“, schloss er seine Petition.

Das große Echo blieb zunächst aus. Erst als die Köln-Bonner Lokalpresse, der „Stadtanzeiger“, „Generalanzeiger“ und das Boulevardblatt „Express“, dem Journalistenkollegen zur Hilfe kamen, fand er ein paar hundert Unterstützer, von denen sich die meisten in ihren angefügten Kommentaren als kirchenfern „outeten“. Erst der zitierte „Rheinische Post“-Bericht ließ die Zahl der Unterschriften nach 16 Tagen auf 1795 (Stand 27.2., 2.00 Uhr) ansteigen.

Doch wer oder was gab Gerhardt das Recht für „uns Katholiken im Erzbistum Köln‘ zu sprechen, wo er doch allenfalls eine linke Minderheit vertritt? Ich bin ebenfalls Katholik im Erzbistum Köln (ich lebe in Düsseldorf) und habe ihm nie das Mandat erteilt, für mich zu sprechen. Aber geht das nicht uns allen so, mit erschreckender Regelmäßigkeit? Jemand aus dem linken Spektrum maßt sich an, in „unserem“ Namen Absurditäten wie die Aufhebung des Zölibats, die Weihe von Frauen oder eine Neudefinition der kirchlichen Sexualmoral zu fordern. Da ihm sofort die kirchenferne Presse zu Füßen liegt, wird seine Privatansicht zur veröffentlichten Meinung. Geschieht dies mehrfach, so entsteht der Eindruck, es sei eine Mehrheitsmeinung. Die schweigende Mehrheit der lehramtstreuen Katholiken dagegen wird zumindest medial einfach nicht zur Kenntnis genommen. Rumort es also wirklich im Erzbistum Köln? Hat Kardinal Woelki die Gläubigen befremdet, will eine Mehrheit „dringend benötigte Reformen“, stehen die deutschen Katholiken geschlossen hinter dem „synodalen Weg“?

Ich habe mir erlaubt, Gerhardts lautstark verkündeten Anspruch, für die Katholiken seines Erzbistums zu sprechen, auf die Probe zu stellen. Am 25. Februar, also 15 Tage nach der Petition des Journalisten, veröffentlichte ich auf der gleichen Plattform „Open Petition“ einen „Appell: Solidarität mit Kardinal Woelki“ (https://www.openpetition.de/petition/online/appell-solidaritaet-mit-kardinal-woelki): „Wir Katholiken aus dem Erzbistum Köln und ganz Deutschland danken Seiner Eminenz, Rainer Kardinal Woelki, dass er in dieser Zeit der Irrungen und Wirrungen einen klaren Kopf behält und einen dezidiert katholischen Kurs fährt“, schrieb ich darin: „Kirche hat nicht stromlinienförmig und zeitgeistkonform zu sein, sie ist ewigen Werten verpflichtet. Jede Reform hat nur ihrer Heiligung zu dienen, nicht ihrer Verweltlichung und Anpassung an den gewiss nicht christlichen Zeitgeist.“

„Insofern war der ‚Synodale Weg‘ von Anfang an eine Mogelpackung und ein Irrweg. Eine Mogelpackung, weil er vorgaukelt, auf nationaler Ebene über Dinge zu entscheiden, die nur auf weltkirchlicher Ebene entschieden werden können. Deutsche Sonderwege führen lediglich ins Schisma. Der Rhein fließt nicht in den Tiber und am deutschen Wesen wird die Kirche ebenso wenig genesen wie die Welt. Ein Irrweg auch, weil er zu einer Protestantisierung der katholischen Kirche führt, die niemand braucht: Wer verheiratete Pastoren und Pastorinnen, eine Laienkirche, zeitgeistigen Relativismus und eine laxe Sexualmoral sucht, der findet diese bereits in der EKD, der ist herzlich eingeladen, evangelisch zu werden. Ob dies ein Erfolgsmodell ist, mag angesichts noch höherer Kirchenaustrittszahlen, leerer Kirchen, Pastorenmangel und Mißbrauchsskandalen auch dort zumindest zweifelhaft erscheinen. Wir aber wollen katholisch bleiben und wir brauchen Hirten, die nicht dem Zeitgeist hinterherhecheln und mit den Wölfen heulen!“

„Daher hat Kardinal Woelki völlig recht, wenn er vor einer Reformation 2.0 warnt und daran erinnert, dass die Kirche gerade dadurch, dass sie immer Fels in der Brandung war, die Wirren der Zeiten überstand - eben nicht durch Populismus, sondern durch Christozentrik, nicht durch Verweltlichung, sondern durch konsequente Entweltlichung, die den Weg zum Himmel frei macht! Sie folgt damit den Worten Jesu: ‚Sie sind nicht von der Welt, wie auch ich nicht von der Welt bin“ (Joh 17,16).‘ Wer den Zeitgeist heiratet, ist schnell Witwer. Die Kirche aber ist die Braut Christi, nicht das Flittchen des Zeitgeistes. Sie ist Gotteswerk, nicht Menschenwerk und kann darum auch nie eine Demokratie sein. Wahrheit läßt sich nicht durch Mehrheiten bestimmen, sie kann nur geoffenbart und definiert werden.“

Mein Fazit: „Wir sind dankbar, dass sich unser Erzbischof als guter Hirte erweist, der klare Kante zeigt und bekunden Kardinal Woelki unsere Solidarität und Verbundenheit im Gebet und in der Sorge um unsere Kirche, die wir bei ihm in guten, treuen Händen sehen.“

Das Ergebnis übertraf meine kühnsten Erwartungen. Schon am ersten Tag fand meine Solidaritäts-Petition 872 Mitunterzeichner. Nach 44 Stunden, Stand 27.2., 2.00 Uhr, waren es 1710 Unterschriften. Ich bin zuversichtlich, dass wir Gerhardt Unterstützerzahl in den nächsten Stunden überflügeln und sich damit an drei Tagen mehr Menschen hinter Kardinal Woelki stellten, als er gegen ihn aufzubringen vermochte. Und das, wohlbemerkt, ohne jede mediale Unterstützung. Keine einzige Lokalzeitung hat bislang darüber berichtet, dass sich hunderte, bald tausende Katholiken des Erzbistums Köln demonstrativ zu ihrem Bischof bekennen, gerade weil er den Mut hatte, den synodalen Holzweg zu kritisieren. Dass also weit mehr Katholiken hinter dem Lehramt stehen und reformkritische Stimmen unterstützen, als es die veröffentlichte Meinung uns glauben macht.

Bislang waren wir lehramtstreue Katholiken die schweigende Mehrheit. Aber jetzt schweigen wir nicht mehr. Wir stellen uns jetzt demonstrativ hinter jene Bischöfe, die unsere Kirche bewahren und nicht verwässern wollen. Wir brauchen und wollen keine Reformen, die an ihre Substanz gehen. Wir brauchen Bischöfe, die sich als Hirten erweisen und ihre Herde vor den Wölfen schützen!

Link zum „Appell: Solidarität mit Kardinal Woelki“

Symbolbild - Kolosseum Rom



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