Fatima reloaded – Fatima neu denken

25. März 2020 in Aktuelles


Umkehr, Vergebung und Rettung. Von Ettore Gotti Tedeschi


Rom (kath.net/as/egt) Prämisse: ich fände es surreal, würde ein Katholik nicht an die Muttergottes, die Unbefleckte Empfängnis und die Miterlöserin glauben. Daher würde es mich überraschen, wenn ein Katholik eine prophetische Botschaft, die von der Kirche immer anerkannt wurde, wie dies bei der Botschaft von Fatima der Fall ist, in Frage stellen würde. Alle Päpste seit 1917 haben an diese geglaubt, und vier Päpste sind nach Fatima gegangen (Paul VI., Johannes Paul II., Benedikt XVI., Franziskus), die Prophezeiungen haben sich erfüllt. Und dennoch scheint es mir so zu sein, dass die Botschaft von Fatima von 1917 – mehr als ignoriert oder vergessen – sogar verleugnet wird. Obwohl dagegen heute überdacht werden sollte, ob wir glauben, dass es richtig ist, diesen Moment zu nutzen, um zu trösten und umzukehren.

In der Heiligen Schrift wird eine klare Warnung gegeben: wenn ein Volk die Prophezeiungen nicht verstehen will, nicht bereut oder nicht umkehrt, dann erlangt es keine Barmherzigkeit von Gott. Es gibt weitere Episoden zu diesem Thema im Alten Testament, wo es aber auch das Beispiel von Ninive gibt, da die gesamte Bevölkerung (einschließlich des Königs), obwohl sie so böse wie Sodom war, dem Propheten Jona glaubte, reumütig war, Buße tat und gerettet wurde. Im Neuen Testament führt Jesus Christus selbst gegenüber den Pharisäern, die ihm nicht glaubten, die Reue und Vergebung von Ninive als Beispiel an.

Im 20. Jahrhundert hatten wir mehr als nur einen Propheten wie Jonas, der uns warnte. In Fatima 1917 warnte die Muttergottes selbst davor, dass sich die bereits begonnene Krise noch verschlimmert würde, sollte die Menschheit ihr Leben nicht ändern und sich bekehren. Im zweiten Teil des von der Seherin Lucia enthüllten Geheimnisses kündigte Maria Peinigungen an, die die zeitliche Gesellschaft betreffen würden, die aber vermieden werden könnten, wenn die Menschen sich bekehren, den Atheismus besiegen und die Welt ihrem Unbefleckten Herzen weihen würden. Maria warnte praktisch davor, dass die moralische Krise materielle Krisen verursachen würde.

Diese Warnung wurde nicht wahrgenommen und umgesetzt, wie die Muttergottes gefordert hatte (wie sogar Benedikt XVI. bemerkte). Im Gegenteil, die Botschaft der kirchlichen Führer wurde in den letzten Jahren sogar umgekehrt, indem sie suggerieren, dass es materielles Elend (und nicht mehr die Sünde) ist, das moralisches Elend verursacht. Der katholische Intellektuelle Paul Claudel zeigte sich in den 50ger Jahren beunruhigt über die Tatsache, dass die Priester trotz Fatima nicht mehr von der Hölle sprachen. Die „Gottesfurcht – timor Dei“, Prinzip der Weisheit, war schon damals verlorengegangen. Heute scheint sie mir sogar verspottet oder als „Gotteslästerung“ angesehen zu werden.

Es ist gut, bevor wir auf unsere jüngste Zeit eingehen, in Erinnerung zu rufen, was der moralische Kontext vor 1917 war. Denn drei Päpste, die sich dessen bewusst waren, was geschah, hatten sich genau darum bemüht: Pius IX. mit dem „Syllabus“, Leo XIII. mit der Enzyklika „Humanum Genus”, Pius X. mit seiner Enzyklika „Pascendi“.

Die Geburt des sogenannten „Modernismus“ war in Vorbereitung, der dann Ende des 19. und Anfang des 20. Jahrhunderts debütieren sollte. Der „Modernismus“ war eine philosophische Bewegung, die die Krise der aufklärerischen Gewissheiten schuf und den „Tod Gottes“ (nach Nietzsche) hervorrief. Daraus entstand unweigerlich der theologische Modernismus (beeinflusst durch Agnostizismus, Immanentismus, Evolutionismus), der es, obwohl von Pius X. als häretisch verurteilt, schaffte, die gesamte katholische Lehre in Frage zu stellen, von der Offenbarung bis hin zu den Dogmen, Sakramenten usw., und der fortschreitend in eine zunehmend protestantische, säkularisierte Theologie abrutschte und zu den Dramen einer Welt ohne Gott und ohne Frieden beitrug (es war auf dem Höhepunkt des Ersten Weltkriegs). Daher die Erscheinung und die Botschaft von Fatima.

Es könnte außerordentlich interessant sein, die folgenden Zeiten von 1917 bis heute zurückzuverfolgen, auch weil die Menschheit nicht nur die in Fatima prophezeite russische Revolution erlebte, sondern auch die „Spanische“ Grippepandemie von 1918, den Zweiten Weltkrieg, die 40 Jahre des Kalten Krieges, das Zweite Vatikanische Konzil, die Geburt der neuen Weltordnung und damit den Beginn eines Globalisierungsprozesses, der alle Naturgesetze missachtete und die laufenden Umwälzungen und Krisen hervorrief: soziale, wirtschaftliche, politische und vor allem moralische.

Ungehört blieben wieder einmal die Päpste, von Paul VI. über Johannes Paul II. bis hin zu Benedikt XVI., die, nachdem sie Fatima gut verstanden hatten, das Bewusstsein für eine Menschheit zu schärfen suchten, die die Freiheit von der Verantwortung getrennt hatte, die sich inzwischen der wirtschaftlich-wissenschaftlichen, sozialen, politischen und vor allem moralischen Illusionen und Utopien erfreute.

Ich will mich mit diesen Überlegungen nicht zum gegenwärtigen Augenblick der Bedrängnis äußern, sondern schlage nur vor, die Botschaften von Fatima auch heute noch zu lesen, zu bedenken und umzusetzen, wenn wir (dem Evangelium entsprechend) denselben Weg und dasselbe Ziel wie die Einwohner von Ninive verfolgen wollen: Umkehr, Vergebung und Rettung.

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Ettore Gotti Tedeschi, Ökonom, Bankier, Finanzethiker, emeritierter Präsident des IOR (Institut für religiöse Werke) von 2009 bis 2012, verdeutlicht von je her, dass die wahren Wurzeln der Unordnung in allen Bereichen (Welt, Kirche, Gesellschaft, Wirtschaft, Finanzsystem) moralischer Natur sind und letztendlich die Beziehung des Menschen zu Gott beeinflussen. Ein Ansatz sui generis in Anbetracht eines Mainstream-Denkens, insbesondere für diejenigen, die sich mit wirtschaftlichen Fragen befassen. Seine wenn auch oft gegenstrebigen Reflexionen, die sich bisweilen heftig an gewissen Aktualitäten stoßen, sind niemals von Resignation oder Entmutigung geprägt. Weil die Vorsehung eine Tatsache ist und auch wenn ihre Pläne manchmal geheimnisvoll wirken können, kann für Gotti Tedeschi alles zum Guten beitragen.

Das italienische Original des Beitrags Gotti Tedeschis kann auf dem Blog des Vatikanisten Marco Tosatti „Stilum Curiae“ eingesehen werden. Ich danke Marco für die Zusammenarbeit. as


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